URI: 
       # taz.de -- Bahnausbau in Niedersachsen: Schwarzer Freitag für SPD-Chef
       
       > Fridays for Future demonstriert für Neubau der Bahnstrecke
       > Hamburg—Hannover. Damit wenden sie sich gegen Lars Klingbeil, aber auch
       > gegen den Nabu.
       
   IMG Bild: Es ist ein Kreuz: Protest gegen geplante Bahntrasse
       
       Hamburg taz | In dem jahrzehntelangen Streit über einen Ausbau des
       Bahnnetzes in Norddeutschland kommt von unerwarteter Seite Bewegung:
       Fridays for Future (FFF) Hamburg und Niedersachsen sprechen sich dafür aus,
       eine [1][neue Bahnstrecke zwischen Hamburg und Hannover zu errichten]. Dazu
       wollen die Klimaaktivisten eine Kundgebung am heutigen Freitag ab 15 Uhr am
       Hamburger Gänsemarkt abhalten.
       
       Der Aufruf richtet sich explizit an den SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil,
       der sich gegen eine Neubaustrecke ausgesprochen hat, die durch seinen
       Bundestagswahlkreis führen würde. Allerdings hat sich auch der
       Naturschutzbund (Nabu) Niedersachsen erst kürzlich gegen einen Neubau
       ausgesprochen.
       
       Um das überlastete Bahnnetz zwischen Hamburg, Bremen und Hannover zu
       verbessern, wurde [2][unter der Beteiligung von Bürgerinitiativen,
       Umweltverbänden und Kommunen eine Vielzahl an Varianten diskutiert]: von
       der ursprünglich angedachten Y-Trasse als Neubaustrecke bis zur Variante
       Alpha E, auf die sich eine [3][breite Mehrheit der Akteure im „Dialogforum
       Nord“ 2015 verständigt hat].
       
       Inzwischen sind der Bund und die Bahn von diesem Kompromiss allerdings
       abgerückt. [4][Gutachter der Bahn und des Bundes erklärten, „eine
       engpassfreie, zukunftsfähige, deutschlandtakt-kompatible und nachhaltig
       robuste Schieneninfrastruktur] (pünktlicher und staufreier Bahnbetrieb)“
       seien damit „nicht realisierbar“. Der Deutschland-Takt meint einen
       bundesweit abgestimmten Fahrplan, nach dem in regelmäßigen Abständen Züge
       fahren. Jetzt wird wieder über eine Neubaustrecke diskutiert.
       
       ## Klingbeil als Verkehrswende-Verhinderer
       
       Die [5][Fridays-for-Future-Gruppen hatten Klingbeil dazu vor zwei Wochen
       einen Brief geschrieben]. Darin werfen sie dem SPD-Vorsitzenden vor, das
       Klimaziel der Bundesregierung zu torpedieren, indem er sich in seinem
       Wahlkreis der Verkehrswende in den Weg stelle. „Sie positionieren sich
       gegen den notwendigen Bau der ICE-Neubaustrecke Hannover–Hamburg, aber
       fordern parallel den Ausbau der dortigen A7 auf sechs Spuren“, schreibt
       FFF.
       
       Die Klimaaktivisten verweisen darauf, dass neue Autobahnspuren zu mehr
       Verkehr und damit auch höheren Emissionen führten. Schon seit Jahren sei
       ebenfalls klar, „dass allein eine neue Bahnstrecke den Verkehrsengpass
       zwischen Hamburg und Hannover sinnvoll auflösen kann“. Zwar propagierten
       Klingbeil und die Landes-SPD dafür den Ausbau der bestehenden Strecke
       zwischen Lüneburg und Uelzen. Der sei aber „nachweislich unzureichend, um
       mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen“. Zum anderen würde ein Ausbau viel
       länger dauern als ein Neubau.
       
       Ebenfalls mit dem Kapazitätsargument hat im Juli noch einmal der
       Verkehrsclub Deutschland (VCD) davor gewarnt, nur die Bestandsstrecke
       auszubauen. Überdies würde ein Ausbau lange Baustellen und Einschränkungen
       während der Bauzeit mit sich bringen. Dagegen könnte ein Neubau Orte neu
       ans Schienennetz anschließen, die bisher links liegen gelassen wurden,
       während Lüneburg und Celle auch in Zukunft Haltepunkte für den Fernverkehr
       bleiben könnten. So entstünde eine Win-win-Situation für beide Regionen.
       
       Dieser Argumentation will der Nabu nicht folgen. Er pocht auf die
       Ausbauvariante Alpha E, also den Kompromiss, an dessen Erarbeitung er
       selbst beteiligt war. Dieser sei „getragen von einer breiten Mehrheit, eine
       sinnvolle Lösung für den Schienenausbau“. Zentral für den Naturschutzbund
       ist dabei, das ein Streckenausbau weniger Fläche verbraucht. Zudem würde er
       die Landschaft, mithin den Naturraum, nicht ein weiteres Mal zerschneiden.
       
       ## Immer schneller, immer weiter, immer höher
       
       Allerdings soll die Neubaustrecke zum größten Teil entlang der A7
       verlaufen. „Es muss realistisch betrachtet werden, welche Auswirkungen das
       Bestreben nach immer schneller, immer weiter, immer höher für die Natur
       haben würde“, forderte der Nabu-Landesvorsitzende Holger Buschmann.
       
       An dieser Stelle kommt eine andere Herangehensweise des Nabu ins Spiel. Um
       den Deutschland-Takt zu erreichen, seien keine Schnellfahrstrecken nötig,
       wie es die Bahn plane. Der Takt sei auch mit längeren Fahrzeiten
       erreichbar, ohne dass die Züge mit Energie verschlingenden 300
       Stundenkilometern durch die Heide brettern müssten. Das Netz an kleinen
       Stellschrauben zu verbessern, könne genau so viel bringen, sei aber
       klimafreundlicher.
       
       Auch der Nabu behauptet, seine Variante sei schneller umzusetzen und
       kostengünstiger.
       
       Klingbeil hat sich zur Sache auf Instagram geäußert. „Wir sind uns alle
       einig, dass wir mehr Kapazität auf der Schiene brauchen, um unsere
       Klimaschutzziele zu erreichen“, schreibt er. Schnell und zeitnah lasse sich
       das nur mit den Ergebnissen aus dem Dialogforum Schiene-Nord von 2015, also
       mit der Variante Alpha E, umsetzen. Die Neubaupläne schürten Unsicherheit
       in der Region. Es drohe ein Vertrauensverlust.
       
       In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, Lars Klingbeil wäre
       SPD-Generalsekretär. Das war er aber nur bis Dezember 2021.
       
       4 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bahnausbau-in-Norddeutschland/!5895474
   DIR [2] /Bahnstrecke-Hannover-Hamburg/Bremen/!5882169
   DIR [3] /Dialogforum-zur-Y-Trasse/!5241430
   DIR [4] https://www.hamburg-bremen-hannover.de/files/page/6_mediathek/downloads/faktencheck/20210709_Vollumfaengliche_Gesamtbetrachtung_Vieregg_Roessler_Konzeptionen.pdf
   DIR [5] https://fridaysforfuture.de/klingbeil-brief/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gernot Knödler
       
       ## TAGS
       
   DIR Deutsche Bahn
   DIR Bahn
   DIR Y-Trasse
   DIR Lars Klingbeil
   DIR Schwerpunkt Fridays For Future
   DIR VCD
   DIR Nabu
   DIR Hamburg
   DIR Deutsche Bahn
   DIR Kolumne Provinzhauptstadt
   DIR Verkehrswende
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Verkehr
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Bahnstrecke Hamburg – Hannover: Für die Verkehrswende katastrophal
       
       Zwischen Hamburg und Hannover soll keine neue Bahnstrecke gebaut werden.
       Dass sich die die Neubau-Gegner:innen durchgesetzt haben, ist ein Debakel.
       
   DIR Bahnstrecke Hamburg – Hannover: Deutschland gerät aus dem Takt
       
       Zwischen Hamburg und Hannover soll erstmal keine neue Bahnstrecke gebaut
       werden. Kritiker sehen die Verkehrswende und den Klimaschutz in Gefahr.
       
   DIR Sommerlochdebatten zum Augenrollen: Tourismus und andere Krankheiten
       
       Hannover diskutiert, mit welchen Slogans die Stadt Touristen von sich
       überzeugen soll. Eins jedenfalls kann man dort gut: umsteigen.
       
   DIR Bahnausbau in Norddeutschland: Neue, alte Sorgen um Heide-Trasse
       
       Die Pläne für den Bahnausbau zwischen Hannover, Bremen und Hamburg sorgen
       erneut für Unruhe. Drückt die Bahn einen Neubau durch?
       
   DIR Verkehrswende in Österreich: Vom Autofahrerland zur Klimaoase
       
       Weniger neue Straßen und der Bahnausbau sind das Herzstück der
       Verkehrswende in Österreich. In Wien ist ein großer Autotunnel gestoppt
       worden.
       
   DIR Verbände fordern schnelleren Bahnausbau: Staat soll zügiger genehmigen
       
       Highspeed statt Bummelzug: Verbände fordern von der künftigen
       Bundesregierung mehr Tempo beim Schienenausbau.