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       # taz.de -- Kulturpolitik im Ukraine-Krieg: Theater nicht mehr auf Russisch
       
       > Der Kyjiwer Stadtrat verbietet russische Kulturveranstaltungen. Die
       > Entscheidung polarisiert in der Ukraine.
       
   IMG Bild: Die Denkmäler sind schon länger weg: Demontage des russisch-ukrainischen Monuments der Freundschaft, April 2022
       
       Kyjiw taz | Ab sofort dürfen im Stadtgebiet von Kyjiw keine
       russischsprachigen „Kulturprodukte“ mehr öffentlich dargeboten worden. Dies
       hat der Stadtrat von Kyjiw in der letzten Woche mit einer absoluten
       Mehrheit von 71 Stimmen im Stadtrat verfügt. Mit dieser Entscheidung wolle
       man, so der Vorsitzende des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft,
       Jugend und Sport, Vadym Vasilchuk, „den ukrainischen Informationsraum
       v[1][or den hybriden Einflüssen des Aggressorstaates] schützen, der die
       ukrainische nationale Identität, die Kultur, die Traditionen, Bräuche und
       das historische Gedächtnis zerstören will“.
       
       Man müsse russischsprachige Kulturprodukte auf dem Territorium der
       ukrainischen Hauptstadt ein für alle Mal begrenzen, zitiert das
       Nachrichtenportal nv.ua den Politiker. Nun gehe es darum, so Vasilchuk, die
       Vorführung russischsprachiger Werke im Bereich der Kultur zu verbieten.
       
       In dem Entscheid ist die Rede von Büchern, Kunstalben, audiovisuellen
       Werken, musikalischen Tonaufnahmen, Produkten des Kunsthandwerks, Theater-
       und Zirkusaufführungen, Konzerten sowie kulturellen und pädagogischen
       Dienstleistungen. „Russisch ist die Sprache des Aggressorlandes und hat
       keinen Platz im Herzen unserer Hauptstadt“, so der Abgeordnete des
       Stadtrates.
       
       Bereits im November 2022 hatte der Kyjiwer Stadtrat den Unterricht in
       russischer Sprache vollständig aus den Lehrplänen der städtischen
       Einrichtungen für die Vorschulen und allgemeinbildenden Schulen genommen.
       
       Auch wenn er das Verbot des Kyjiwer Stadtrates von russischer Musik im
       öffentlichen Raum unterstützt, wehrt sich der Schriftsteller und
       Drehbuchschreiber Andrej Kokotjucha auf nv.ua gegen ein übertriebenes
       Vorgehen gegen alles Russische. Man brauche nur über den Büchermarkt unweit
       der U-Bahn-Station Potschajna zu gehen, so Kokotjucha, um zu sehen, wie
       derzeit noch zahlreiche in Moskau und Leningrad gedruckte Werke öffentlich
       zum Verkauf angeboten werden.
       
       ## Keine ukrainische Übersetzung
       
       Auf diesem Büchermarkt finde man [2][ins Russische übersetzte Bücher], für
       die es keine ukrainische Übersetzung gibt. „Ich weiß nicht, wer heutzutage
       noch Maurice Druons historische Romane, Sidney Sheldons
       Detektivgeschichten, Frederick Forsyth’ Spionageromane oder Danielle Steels
       Melodramen braucht.“ Aber eines sei klar, so Kokotjucha: Übersetzungen
       dieser Bücher in der russischen Fassung seien keine Bedrohung für den
       ukrainischen Staat.
       
       Inzwischen polarisiert die Russisch-Frage auch im Alltag zunehmend. Anfang
       des Monats war eine Frau eines Cafés verwiesen worden, weil sie das Singen
       von Liedern des russischen Sängers Grigorij Leps kritisiert hatte. Und
       ebenfalls Anfang des Monats wurde eine Frau im Gebiet Kyjiw von Männern
       tätlich angegriffen, weil sie diesen das laute Abspielen russischer Musik
       zum Vorwurf gemacht hatte.
       
       Während man im ukrainischen Fernsehen keine russischsprachigen Inhalte mehr
       hat, stellen die führenden ukrainischen Internetportale wie NV,
       Gordonua.com. Delo.ua und 24tv.ua ihre Inhalte weiterhin in ukrainischer
       und russischer Sprache ins Netz. Es gibt eine Nachfrage nach russischen
       Inhalten. Gleichzeitig wollen die ukrainischen Medien mit ihren
       russischsprachigen Inhalten aber auch LeserInnen aus dem gesamten
       postsowjetischen Raum ansprechen. Wirksam ist die Entscheidung des Kyjiwer
       Stadtrates nur in Kyjiw.
       
       18 Jul 2023
       
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