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       # taz.de -- Arabische Länder zum Ukrainekrieg: Empathie und Schadenfreude
       
       > Wie blicken Menschen im arabischen Raum auf Russlands Krieg in der
       > Ukraine? Ziemlich anders als viele im Westen, wie eine Studie zeigt.
       
   IMG Bild: Fehlen in der arabischen Welt: Solidaritätsbekundungen mit der Ukraine
       
       Beirut taz | Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine war im Westen
       sofort klar: Russland ist der Aggressor, und die Weltordnung wird neu
       verhandelt. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach von einer „Zeitenwende“. Doch
       nicht überall in der Welt wird der Krieg so wahrgenommen – wie ein Blick in
       die Länder Westasiens und Nordafrikas zeigt.
       
       Zentrales Ergebnis [1][einer Studie] der SPD-nahen
       Friedrich-Ebert-Stiftung: Die Menschen dort sehen den Krieg in erster Linie
       als Ringen zwischen Russland und dem Westen, nicht als Problem ihrer
       Region.
       
       Zwei Meinungsforschungsinstitute haben dazu Menschen aus Iran und dem Irak
       sowie den Golfstaaten, der Türkei, Libanon, Jordanien, Israel, Ägypten,
       Tunesien und Marokko befragt. „Die Menschen sehen ([2][den Krieg]) als
       Krise Europas, nicht als Krise des Multilateralismus oder der globalen
       Ordnung“, heißt es in der Studie. Dass er als existenzielle globale Krise
       dargestellt werde, betrachten viele Menschen in der Region als „Heuchelei“.
       
       Dies sei eine typische Reaktion des Globalen Südens, sagte Maha Yahya,
       Direktorin des Carnegie Middle East Center in Beirut, kürzlich auf einer
       Podiumsdiskussion zur Veröffentlichung der Studie. Dennoch gebe es auch ein
       Gefühl der Verbundenheit mit der Ukraine, so die Forscherin. Viele Befragte
       äußerten Empathie mit den Menschen in der Ukraine – weil sie selbst wissen,
       wie es ist, in einem Krieg zu leben und von außen angegriffen zu werden.
       
       ## „Achse der Gleichgültigkeit“
       
       Es gebe nicht nur eine „Achse der Gleichgültigkeit“, sondern auch „eine Art
       Schadenfreude in Richtung Westen“, sagte Joseph Bahout, Direktor des
       Politikinstituts Issam Fares an der Amerikanischen Universität in Beirut.
       Das sei grausam und moralisch verwerflich, aber es gebe in der Region ein
       zynisches Gefühl der Abrechnung. Die Hälfte der Befragten gab an, dass
       Russland für den Krieg verantwortlich sei, etwa jeder Vierte sieht aber die
       USA als Hauptschuldige. In Tunesien, Libanon, Jordanien, Irak,
       Saudi-Arabien und Ägypten gab sogar eine Mehrheit Washington die Schuld,
       dass der Krieg andauert – nicht Moskau.
       
       Der Antiamerikanismus sei zwar hoch, habe aber über die Jahre abgenommen,
       sagte Wissam Saade, Politikwissenschaftler in Beirut. „In der Vergangenheit
       waren die Menschen gegen das amerikanische Engagement und die Hegemonie in
       der Region. Jetzt gibt es das Gefühl, dass die Amerikaner in der Region
       weniger wichtig sein werden.“
       
       In der Studie geht es auch um die Wahrnehmung von Russlands wachsendem
       Einfluss in der Region. Im syrischen Bürgerkrieg unterstützt Russland den
       Machthaber al-Assad, Iran ist strategischer Verbündeter und verkauft Waffen
       an Moskau, russische Oligarchen legen ihr Geld in Israel an. Man schaue
       höhnisch in den Westen, der plötzlich die Brutalität Russlands entdecke, so
       Politikwissenschaftler Bahout. „Die Leute sagen: ‚Wir haben euch gewarnt.
       Das ist das Russland, das wir kennen. Warum seid ihr so überrascht?‘ “
       
       Zugleich kann die [3][Versöhnung zwischen den Erzfeinden Iran und
       Saudi-Arabien] als erstes Anzeichen für eine eigene Zeitenwende in der
       Region gesehen werden. „Die Tatsache, dass China mitten im Krieg in der
       Ukraine ein Abkommen zwischen [4][Saudi-Arabien] und Iran vermittelt hat,
       ist auch nicht unbedeutend“, sagte Analyst Bahout. „Ohne den Krieg in der
       Ukraine wäre es wahrscheinlich nicht dazu gekommen.“ Es sei jedoch noch zu
       früh, um zu sagen, ob China das Machtvakuum füllen könne, das die USA
       hinterließen.
       
       Anm.d.R.: Die ursprüngliche Version dieses Textes zeigte ein anderes Bild.
       Dieses haben wir ersetzt durch das Aktuelle.
       
       21 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://library.fes.de/pdf-files/bueros/beirut/20388.pdf
   DIR [2] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
   DIR [3] /Erzrivalen-Iran-und-Saudi-Arabien/!5921169
   DIR [4] /Wie-sich-Saudi-Arabien-veraendert/!5944095
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julia Neumann
       
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