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       # taz.de -- Regierungsumbildung in Frankreich: Durch loyalere Charaktere ersetzt
       
       > Premierministerin Elisabeth Borne setzt nach den Protesten den Rotstift
       > an. Die Regierung verlassen muss unter anderem Erziehungsminister Pap
       > Ndiaye.
       
   IMG Bild: Sehr unbeliebt: Elisabeth Borne
       
       Paris taz | Auf der Liste der Mitglieder der neuen Regierung von
       Premierministerin Elisabeth Borne fallen einige Abgänge, ein paar
       Neuzugänge und interne Wechsel an der Spitze der Ministerien auf. Die Tage
       in der Regierung der Staatssekretärin [1][Marlène Schiappa beispielsweise
       waren gezählt, nachdem sie mit einem Interview im Playboy-Magazin
       konservative Krise] und auch Regierungskollegen schockiert hatte und
       anschließend wegen des Verdachts auf Begünstigung bei der Vergabe von
       Subventionen des „Fonds Marianne“ angeprangert worden war. Ihr Abgang
       überrascht niemanden.
       
       Der bisherige [2][Erziehungsminister Pap Ndiaye] war dagegen sofort ins
       Schussfeld geraten. Die Nominierung des schwarzen Historikers und
       Spezialisten der Bürgerrechtsbewegung in den USA war vor einem Jahr das
       Ereignis im zweiten Kabinett von Borne. Er war aber auch eine Alibifigur
       für den Staatschef, der etwas ethnische Pluralität in der Regierung
       wünschte. Von Beginn weg wurde er von der Rechten im Kampf gegen den
       „Wokismus“ zur Zielscheibe gehässiger Angriffe. Auf die Solidarität seiner
       Regierungskollegen konnte er dabei nicht zählen.
       
       Da er es aber nicht verstanden habe, der Bildungspolitik neue Impulse zu
       geben, wird er nun durch den bisherigen Haushaltsminister Gabriel Attal
       ersetzt, der zu Macronsengstem Beraterkreis gehört. Da Ndiaye als Schwarzer
       in Frankreich als Exempel des verdienten Aufstiegs aus dem identitären
       Abseits galt, bleibt ein schaler Nachgeschmack.
       
       Auch im Ministerium für die Solidarität wird mit der bisherigen
       Abgeordneten Aurore Bergé eine Politikerin in die Regierung befördert, die
       als Vertraute von Macron gilt. Der bisherige Gesundheitsminister,
       Ex-Notfallarzt François Braun, muss sein Amt an einen vormaligen
       Mitarbeiter von Borne, Aurélien Rousseau, abtreten. Die politische
       Loyalität kommt heute vor Fachkompetenz. Dies könnte man zur neuen
       Stadtministerin Sabrina Agresti-Roubache anmerken, die in den Medien als
       persönliche Freundin des Präsidentenpaars vorgestellt wird. Ihr Vorgänger
       Olivier Klein hatte als Ex-Bürgermeister von [3][Clichy-sous-Bois] immerhin
       eine langjährige Erfahrung in diesem Bereich.
       
       ## Nur wenige Franzosen sind mit Borne zufrieden
       
       Die seit Wochen und Tagen schließlich für Donnerstagvormittag angekündigte
       Regierungsumbildung in Frankreich ließ lange zusätzliche Stunden auf sich
       warten. Schon seit Montag war aber bekannt, dass Premierministerin
       Elisabeth Borne nicht ersetzt würde. Macron wünscht wegen der
       Vertrauenskrise, mit der die Staatsführung konfrontiert ist, vor allem
       Kontinuität. Noch im April, nach der Kraftprobe um die Rentenreform, hatte
       er eine Periode von „hundert Tagen“ proklamiert, und nach an deren Ende
       einen „neuen Sinn“ und Schwung angekündigt. Von einem Kurswechsel oder
       einer Beschleunigung der Reformpolitik ist jetzt nicht mehr die Rede.
       
       Borne wollte im Gegenteil ein weitgehend erneuertes Ministerkabinett für
       einen Start mit neuen Kräften. Im Mai 2022 hatte sie zu ihrem Team im
       kleinen Kreis höchst ungehalten gesagt: „Ich stehe an der Spitze einer
       Regierung, die zur Hälfte aus Debilen besteht“. Da nun weit weniger als die
       Hälfte der Mitglieder der Regierung ausgewechselt wird, muss man annehmen,
       dass es darin für Borne auch weiterhin eine ganze Reihe von „Nieten“
       bleiben.
       
       Laut einer Umfrage für Le Figaro halten aber auch 56 Prozent der Befragten
       Borne für eine „schlechte“ Regierungschefin. Nur 27 Prozent waren mit ihrer
       Bilanz zufrieden. Die Mini-Umbildung vor der traditionellen Sommerpause
       dürfte das generelle Malaise mit der Staatsführung kaum beseitigen.
       
       20 Jul 2023
       
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