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       # taz.de -- Steuerentlastung für Unternehmen: Minister Lindner vergrätzt Kommunen
       
       > Der Finanzminister will Firmen steuerlich entlasten, der Städtetag warnt
       > vor geringeren Einnahmen. Auch SPD und Grüne sind skeptisch.
       
   IMG Bild: Finanzminister Christian Lindner: Will die Steuern für Unternehmen senken
       
       Berlin taz | Der Vorschlag von Bundesfinanzminister Christian Lindner
       (FDP), Unternehmen steuerlich zu entlasten, hat eine kontroverse Debatte
       ausgelöst. Lindner will die Mindestgewinnbesteuerung vorübergehend
       aussetzen, was Städten und Gemeinden Verluste bei der Gewerbesteuer
       bescheren würde.
       
       Im Entwurf des Wachstumschancengesetzes hat das Ministerium rund 50
       Maßnahmen aufgeschrieben, um Steuern für Firmen und Privatleute zu senken
       und Verfahren zu vereinfachen. So sollen etwa mehr Verluste mit Gewinnen
       verrechnet werden können, geringe Mieteinnahmen nicht mehr der Steuer
       unterliegen und Unternehmen Prämien erhalten, wenn sie in klimafreundliche
       Technologien investieren. Der Gesetzentwurf ist in der Regierung noch nicht
       abgestimmt.
       
       Die Steuersenkung zugunsten der Bürger:innen und Unternehmen gibt das
       Finanzministerium mit rund 6,7 Milliarden Euro pro Jahr an. Davon soll der
       Bund 2,4 Milliarden Euro tragen. Bei den Ländern wären es 2,3 Milliarden
       und bei den Kommunen 1,9 Milliarden. Hier schlagen als größter Posten die
       Ausfälle bei der Gewerbesteuer mit knapp 1,4 Milliarden Euro zu Buche.
       Ausgelöst wird dieses Minus vor allem durch die geplanten Neuregelungen bei
       der [1][Mindestgewinnbesteuerung im Rahmen der Einkommen-, Körperschaft-
       und Gewerbesteuer.]
       
       Heute lassen sich Verluste einer Firma aus der Vergangenheit nur beschränkt
       mit aktuellen und künftigen Gewinnen verrechnen. Knapp die Hälfte der
       Gewinne muss in jedem Fall versteuert werden. Diese Regelung soll für die
       Jahre 2024 bis 2027 jedoch wegfallen. Das würde unter anderem zu geringeren
       Einnahmen bei der Gewerbesteuer führen, die den Städten und Gemeinden
       zusteht. Die Begründung: Die Coronapandemie und [2][der russische Überfall
       auf die Ukraine würden die Unternehmen belasten].
       
       ## Sind die Verluste in den Kommunen verschmerzbar?
       
       Um ihnen Investitionen etwa in klimaschonende Technologien zu erleichtern,
       wolle man ihre Liquidität verbessern. „Als Maßnahme zur Stärkung der
       Liquidität des Mittelstands werden die Begrenzungen der
       Mindestgewinnbesteuerung temporär ausgesetzt“, so der Gesetzentwurf.
       
       Steuerexperte Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung
       findet das grundsätzlich richtig. „Es erscheint vernünftig, wenn die
       Unternehmen auch größere Verluste beispielsweise aus den Coronajahren mit
       aktuellen Gewinnen verrechnen können.“ Die zu erwartenden Verluste der
       Kommunen hält Bach für „augenblicklich verschmerzbar, denn die Einnahmen
       aus der Gewerbesteuer sind in den vergangenen zwei Jahren deutlich
       gestiegen“.
       
       Mit rund 70 Milliarden Euro lagen sie 2022 erheblich über dem Niveau der
       Vorjahre. Der Bundesverband der Deutschen Industrie, der Großhandelsverband
       und der Verband der Maschinenbauer unterstützen den Entwurf ebenfalls.
       Verena Göppert, Vizegeschäftsführerin des Deutschen Städtetages, warnte
       dagegen vor der „angespannten Lage der kommunalen Haushalte“. Es kämen
       „immer neue Aufgaben“ auf die Städte zu. „[3][Bei Wärmewende,
       Gebäudeenergiegesetz und Klimaanpassung] stehen wir vor Mammutaufgaben.“
       Man brauche „deutlich mehr, nicht weniger Geld“.
       
       Auch SPD-Finanzexperte Michael Schrodi betonte: „Die beabsichtigte
       Ausweitung des Verlustvortrages ist nicht im Koalitionsvertrag vorgesehen.“
       Eigentlich habe man vereinbart, gezielt Investitionen in Klimaschutz und
       Digitalisierung zu fördern. Im Übrigen wäre das Minus für die Kommunen
       „schwer zu verkraften“, weil sie „zusätzliches Geld für Investitionen
       brauchen, beispielsweise für die Sanierung und Digitalisierung der Schulen
       oder den öffentlichen Wohnungsbau“.
       
       ## Steuersenkungen nicht leistbar
       
       Katharina Beck (Grüne) monierte: „In Zeiten von knappen Haushalten und
       empfindlichen Einsparungen zum Beispiel beim Elterngeld halte ich es für
       sehr fraglich, ob wir uns Steuersenkungen mit der Gießkanne leisten
       sollten.“ Der Aufgabe, „Investitionen anzureizen und für
       Wettbewerbsfähigkeit in den global umkämpften Zukunftsbereichen zu sorgen,
       wird der Entwurf noch nicht gerecht“.
       
       Lindners Plan erinnert [4][an die Reform der Einkommensteuer], die er 2022
       durchsetzte, um die im Zuge der Inflation steigenden Steuerzahlungen zu
       verringern. Die Entlastung fiel mit fast 19 Milliarden Euro deutlich größer
       aus als von der Ampel zuerst angepeilt. Nun finden sich im Gesetzentwurf
       zwar auch die von SPD, Grünen und FDP verabredeten Investitionsanreize etwa
       in moderne Energietechnologien. Doch diese machen mit knapp 400 Millionen
       Euro nur einen kleinen Teil des Entlastungsvolumens von 6,7 Milliarden Euro
       aus.
       
       24 Jul 2023
       
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