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       # taz.de -- Klima, Inflation und Trump: Umweltschutz und Wiener Würstchen
       
       > Der Discounter Penny erhöht seine Preise fürs Klima. Und die Inflation?
       > Die lässt sich immer noch nicht an Eiskugelpreisen ablesen.
       
   IMG Bild: Fans feuern die Frauenmannschaft bei der Fußball WM an
       
       taz: Frau Herrmann, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Ulrike Herrmann: Donald Trump führt bei den Republikanern in allen
       Umfragen. Also werden wir wieder zittern müssen, ob dieser Produzent
       „alternativer Fakten“ nochmal US-Präsident wird.
       
       Und was wird besser in dieser? 
       
       Der amerikanische Rechtsstaat ist noch intakt. Trump ist mehrfach
       angeklagt. Er selbst inszeniert sich zwar als Märtyrer, aber das hat er
       immer schon getan. Das bringt keine neuen Stimmen.
       
       [1][Penny verlangt eine Woche lang Lebensmittelpreise], die die
       Umweltkosten miteinbeziehen. Würden Sie für Wiener Würstchen den doppelten
       Preis zahlen? 
       
       Nein, weil ich sowieso keine Wiener Würstchen esse und nie bei Penny bin.
       Die Aktion war aber interessant, weil sie alle Umfragen bestätigt hat:
       Vielen Menschen ist Umweltschutz sehr wichtig, aber er darf nichts kosten.
       So wird das nichts mit der Rettung des Klimas.
       
       FDP-Finanzminister Christian Lindner will eine sogenannte Aktienrente.
       DGB-Chefin Yasmin Fahimi kritisiert das Vorhaben, zukünftige Renten durch
       Fonds abzusichern. Scheitert hier die Idee des Generationenvertrags? 
       
       Die Aktienrente ist eine ganz dumme Idee. Was Lindner wissen könnte, denn
       sie ist in der deutschen Geschichte bereits mehrfach gescheitert. Genau
       deswegen gibt es ja den Generationenvertrag: Er wurde 1957 unter
       CDU-Kanzler Adenauer eingeführt, weil die bis dahin gängigen Ansparmodelle
       zu einer extremen Altersarmut geführt hatten. Ist ja logisch: Es ist
       einfach ineffizient, Aktien zu erwerben oder Geld anderweitig zu
       investieren, um dann nur mit den Dividenden oder Zinsen die Renten zu
       zahlen. Da bleibt kaum etwas übrig für die Alten. Viel besser ist das
       Adenauer-Modell, wonach die Beschäftigten für die Rentner zahlen, ohne dass
       irgendwo Geld gebunkert wird.
       
       Lebensmittel sind teuer geworden. Seit Generationen dient der Eiskugelindex
       der inoffiziellen Veranschaulichung von Inflation. Kann man wirklich an der
       Eiskugel ablesen, wie es wirtschaftlich um Deutschland steht? 
       
       Natürlich nicht. Die meisten Deutschen dürfte viel mehr interessieren, wie
       sich ihre Mieten entwickeln.
       
       Das Unternehmen OpenAI wurde mit seinem Chatbot ChatGPT bekannt. Gründer
       Sam Altman führt jetzt die Digitalwährung Worldcoin ein. Bedeutet das die
       Weltherrschaft für OpenAI? 
       
       Nein. Worldcoin wird garantiert ein Flop. Auch andere Digitalwährungen sind
       schon gescheitert – zum Beispiel Libra (später Diem) von Facebook. Der
       Grund ist immer der gleiche: Die Erfinder verstehen gar nicht, wie Geld
       funktioniert. Sie denken, dass Geld vor allem ein Zahlungsmittel sei, mit
       dem man im Supermarkt einkaufen kann. Das ist ein Irrtum. Das Wichtigste am
       Geld ist, dass es in dem Moment aus dem Nichts entsteht, wenn ein Darlehen
       vergeben wird. Geld ohne Kredit gibt es gar nicht. Bei Krediten wiederum
       ist die Sicherheit entscheidend, dass sie auch zurückgezahlt werden.
       Deswegen gibt es Banken – und Zentralbanken. Diese ganze Finanzstruktur ist
       in Jahrhunderten gewachsen. Das kann man nicht einfach ersetzen, weil man
       Sam Altman oder Mark Zuckerberg heißt und dazu neigt, sich selbst zu
       überschätzen.
       
       [2][Die Inflationsrate] im Euroraum sinkt auf 5,3 Prozent. Das ist der
       niedrigste Wert seit Anfang 2022. Geht es mit der Wirtschaft jetzt bergauf? 
       
       Es ist immer schön, wenn hohe Inflationsraten wieder sinken. Trotzdem wäre
       es falsch, vor allem auf die Geldentwertung zu starren. Entscheidend für
       die Zukunft ist, ob es gelingt, bis 2045 klimaneutral zu sein.
       
       [3][Das deutsche Fußballteam der Frauen] ist wie das der Männer in der
       Vorrunde der WM ausgeschieden. Sollten die Öffentlich-Rechtlichen in
       Zukunft so viel Geld für die Übertragungsrechte ausgeben? 
       
       Vorweg: Ich habe keinerlei Ahnung von Sport. Trotzdem finde ich es richtig,
       wenn der Staat Fußball oder andere Sportarten indirekt subventioniert,
       indem er Übertragungsrechte kauft. Denn Sport ist nun einmal das kulturelle
       Ereignis, für das sich eine große Mehrheit leidenschaftlich interessiert.
       Der Staat darf nicht nur Kulturformen unterstützen, die von einer kleinen
       Minderheit goutiert werden – also Theater, Museen und Oper. Schon jetzt
       geht es sehr ungerecht zu: Pro Kopf erhält jeder Opernbesucher sehr viel
       mehr staatliches Geld als ein Fußballfan.
       
       Fragen: Karin Stork und Eva Keller
       
       6 Aug 2023
       
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