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       # taz.de -- Koranverbrennungen in Schweden und Dänemark: Verschärfte Kontrolle an der Grenze
       
       > Kopenhagen könnte die Meinungsfreiheit beschränken. Stockholm setzt auf
       > Strafrecht. Beide wollen von Koranverbrennungen abhalten.
       
   IMG Bild: Menschen in Jemen protestieren Ende Juli gegen die Koranverbrennung in Stockholm
       
       Stockholm taz | Mit einer Verstärkung der Grenzkontrollen haben Schweden
       und Dänemark auf ein von den Sicherheitsbehörden beider Länder befürchtetes
       erhöhtes Risiko für mögliche Terroranschläge reagiert. Die
       Koranschändungen, die Einzelpersonen in letzter Zeit demonstrativ
       vorgenommen hätten und [1][die Reaktionen, die diese in islamischen
       Ländern] auslösten, hätten die Sicherheitslage verändert, äußerte Schwedens
       Außenminister Tobias Billström. Ähnlich lautet die Begründung in Dänemark.
       
       Schwedens Polizei kündigte „intensivere Stichprobenkontrollen“ an, Dänemark
       will den Verkehr an seinen Grenzen nach Deutschland und Schweden schärfer
       kontrollieren. Reisende wurden gebeten, sich auf mögliche längere
       Wartezeiten als üblich einzustellen und aufgefordert, Ausweispapiere mit
       sich führen.
       
       Im übrigen gehen in beiden Ländern die Debatten weiter, ob man mit Verboten
       oder Gesetzesänderungen versuchen sollte, das Verbrennen religiöser
       Schriften zu verhindern und wenn ja, wie das bewerkstelligt werden könnte,
       ohne die Meinungsfreiheit zu beschränken. Die Wiedereinführung eines
       Blasphemieverbots, das in Schweden 1970 abgeschafft wurde, lehnen dort alle
       Reichstagsparteien ab.
       
       In Dänemark war 2017 eine Bestimmung, die seit 1866 Gotteslästerung
       kriminalisiert hatte, als „unnötige Einschränkung der Meinungsfreiheit“ und
       mit der Begründung „die Gesetzgebung soll Menschen schützen und nicht
       Gottheiten“ gestrichen worden. Und auch in Kopenhagen gibt es zumindest
       bislang keine parlamentarische Mehrheit dafür, eine vergleichbare neue
       Regelung einzuführen.
       
       ## Einschränkung der Meinungsfreiheit – ja oder nein?
       
       Viel Aufmerksamkeit hatte allerdings die dänische Ministerpräsidentin Mette
       Frederiksen erregt, die in einem Ende vergangener Woche veröffentlichten
       Interview [2][mit der Wochenzeitung Weekendavisen ] erstmals zur Frage der
       Koranverbrennungen Stellung genommen hatte. „Wir können uns doch dafür
       entscheiden, dass es uns nicht erlaubt sein sollte, gegenseitig unsere
       Bücher zu verbrennen“, äußerte sie da. Ihrer Meinung nach sei eine solche
       mögliche gesetzliche Regelung auch keine Einschränkung der
       Meinungsfreiheit.
       
       Für diesen Vorstoß erhielt Frederiksen einerseits Zustimmung – das Verbot
       Bücher zu verbrennen sei kein Verstoß gegen die Meinungsfreiheit, sondern
       im Gegenteil ein Zensurverbot –, andererseits viel Kritik: Man könne einer
       bestimmten Form der Meinungsäußerung nicht von einem Tag auf den anderen
       kurzerhand per Definition den Charakter einer Meinungsäußerung absprechen
       und sie so ihres verfassungsrechtlichen Schutzes entkleiden.
       
       Mit einem solchen Schritt komme man auf eine Rutschbahn: Erst verbiete man
       das Verbrennen, als nächstes das Herausreißen von Seiten und demnächst
       werde es womöglich schon als Verunglimpfung einer Religion bewertet, einen
       brennenden Koran zu zeichnen. Wobei auch an die Aufregung um die
       „[3][Mohammedkarikaturen“ von 2005 erinnert wird].
       
       „Dumme und die Gesellschaft spaltende Meinungsäußerungen müssen mit
       Argumenten und Solidarität bekämpft werden, nicht mit Gesetzen, die die
       Meinungsfreiheit einschränken“, äußerte Mai Villadsen, Vorsitzende der
       dänischen linken Einheitsliste. Dass despotische Länder, die selbst keinen
       Respekt vor Menschenrechten hätten Druck ausübten, dürfe kein Grund für
       Dänemark sein, seine Gesetze zu ändern. Solche Aktionen seien „respektlos,
       platt und dumm, aber eben legal“ äußerte auch der Konservativen-Vorsitzende
       Søren Pape Poulsen.
       
       Sieben Oppositionsparteien im dänischen Parlament von ganz rechts bis ganz
       links wandten sich in einer gemeinsamen Erklärung gegen eine von
       Außenminister Lars Løkke Rasmussen angekündigte Absicht, „juristische
       Werkzeuge“ gegen „Beleidigungen, die den dänischen Interessen schaden und
       der Sicherheit der dänischen Bevölkerung zuwiderlaufen“ einzuführen – und
       mit dieser Begründung das Schänden religiöser Schriften zu verbieten.
       
       Mit einer solchen Vorschrift werde „ein Scheunentor geöffnet“, heißt es,
       „aufgrund dessen hier ansässige Iranerinnen bald keinen Hijab aus Sympathie
       für die tapferen Frauen im Iran mehr verbrennen dürfen und
       Tibet-Sympathisanten bei chinesischen Staatsbesuchen in Zukunft versteckt
       werden müssen“.
       
       ## Schweden überlegt, Sanktionen einzuführen
       
       Stockholm kündigte zwar auch „Analysen über rechtliche Maßnahmen“ dazu an,
       wie man in Zukunft auf die Verbrennung religiöser Schriften reagieren
       solle, stellte aber ausdrücklich klar, dass dadurch keinesfalls die
       verfassungsmäßig garantierte Meinungsfreiheit tangiert werden dürfe.
       Offenbar denkt man daran, solche Aktionen zwar nicht zu verbieten, aber
       beispielsweise über den Tatbestand der Volksverhetzung oder über
       Ordnungsvorschriften mit Sanktionen belegen zu können, die eine
       abschreckende Wirkung auf Provokateure haben könnten. In zwei Fällen des
       Koranverbrennens ermittelt die Staatsanwaltschaft derzeit wegen möglichen
       Verstoßes gegen das Verbot der Volksverhetzung.
       
       Wobei die schwedische Regierung allerdings das Problem hat, dass die
       Brandstifter in den eigenen Reihen sitzen. So bezeichnete beispielsweise
       Richard Jomshof, Vorsitzender des justizpolitischen Parlamentsausschusses
       und führendes Mitglied der [4][Schwedendemokraten, mit denen die Regierung
       von Ulf Kristersson ein formelles Regierungsabkommen geschlossen hat], den
       Islam vor einigen Tagen als „antidemokratische, gewalttätige,
       frauenfeindliche Religion/Ideologie, gegründet vom Kriegsherrn,
       Massenmörder, Sklavenhändler und Räuber Mohammed“.
       
       Mit solchen Äußerungen würden die Spannungen mit den islamischen Ländern
       weiter angeheizt und das Sicherheitsrisiko für Schweden wachse, kritisierte
       die Vorsitzende der oppositionellen Sozialdemokraten Magdalena Andersson
       und forderte den Regierungschef auf, Jomshof seines Postens zu entledigen.
       
       6 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Nach-Ankuendigung-von-Koranverbrennung/!5948644
   DIR [2] https://www.weekendavisen.dk/2023-31/samfund/det-er-ikke-en-glidebane
   DIR [3] /Mohammed-Karikaturen-in-Daenemark/!5092371
   DIR [4] /Ministerpraesident-in-Schweden-gewaehlt/!5888405
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reinhard Wolff
       
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