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       # taz.de -- Überfüllte Frauenhäuser: Kein Platz für Frauen in Not
       
       > Berliner Frauenhäuser klagen über zu wenige Plätze. Auch weil die Frauen
       > wegen des Mangels an bezahlbarem Wohnraum immer länger bleiben müssten.
       
   IMG Bild: Nicht alle Frauen, die Schutz vor Gewalt suchen, finden in Berlin einen sicheren Platz
       
       Berlin taz | Die Situation in Berlins Frauenhäusern verschärft sich
       zunehmend. „Wir bekommen die wachsende soziale Ungleichheit deutlich zu
       spüren“, sagt Claudia Cohn, Geschäftsführerin des Frauenhaus Bora, zur taz.
       Denn zu dem [1][Mangel an Schutzplätzen], den es seit vielen Jahren gibt,
       kämen zunehmend andere Probleme wie der Wohnraummangel oder mangelnde
       soziale Infrastruktur dazu.
       
       Das führe zu einer immer längeren Verweildauer in den Noteinrichtungen,
       sagt Cohn. Die vorgesehenen drei Monate, die die Frauen und Kinder bleiben
       sollen, seien daher mittlerweile längst die Ausnahme: „Manche warten ein
       Jahr.“ Einige Frauen seien davon so zermürbt, dass sie wieder zu den
       gewalttätigen Männern, vor denen sie geflohen sind, zurückkehren.
       
       „Der [2][Wohnraummangel] trifft Frauen mit Kindern und Migrant*innen
       besonders hart“, sagt auch Kristin Fischer von der Berliner Initiative
       gegen Gewalt an Frauen (BIG), die auch eine Telefon-Hotline anbietet. Zwar
       sei die Zahl der Betten in den vergangenen Jahren gestiegen, doch da immer
       weniger Plätze frei würden, verschärft sich die Situation trotzdem. Auch
       weil es in anderen Bundesländern nicht besser aussieht. „Wir müssen ganz
       häufig Frauen, die Schutz suchen, abweisen“, sagt Fischer. Das können an
       einem Tag 5 sein, an einem anderen 20.
       
       Was mit den abgewiesenen Frauen passiert, weiß niemand. Im schlimmsten Fall
       führt die Gewalt zum [3][Femizid]. Selbst wenn am nächsten Tag ein Platz
       frei wird, hilft das den abgewiesenen Frauen nicht. Die Hotline ist anonym,
       sie müssen also dranbleiben. Das ist nicht selbstverständlich: Die
       Überwindung, sich an eine Beratungsstelle zu wenden, sei ohnehin schon
       hoch, weiß Fischer.
       
       ## Gerade einmal Hälfte der benötigten Plätze vorhanden
       
       Die [4][Istanbul-Konvention] des Europarats zum Schutz von Frauen sieht pro
       10.000 Einwohner*innen mindestens einen Familienplatz, also für eine
       Frau plus Kinder, vor. Bei einer Einwohner*innenzahl von 3,85
       Millionen wären das 963 Plätze, davon 385 für Frauen und 578 für Kinder.
       Aktuell gibt es in Berlin laut Senatssozialverwaltung 422 Plätze in
       Frauenhäusern. Hinzu kommen 30 Schutzplätze in Frauen-Schutz-Wohnungen.
       
       Das sei gerade einmal die Hälfte der Plätze, die die Istanbul-Konvention
       vorschreibt, kritisiert Fischer. Zwar gibt es noch 319 Plätze in
       Zufluchtswohnungen, diese seien aber nicht sofort beziehbar. Laut
       Senatssozialverwaltung steht die Eröffnung eines achten Frauenhauses mit 40
       Schutzplätzen kurz bevor, ein neuntes und zehntes sind geplant. Auch eine
       neue [5][24/7-Clearingstelle] mit 15 Schutzplätzen soll in Kürze eröffnen.
       
       Doch mit mehr Plätzen allein sei es nicht getan, sagt Claudia Cohn vom
       Frauenhaus Bora, es brauche auch eine adäquate Betreuung: „Wir haben hier
       schwer traumatisierte Frauen und mitunter suizidale Kinder, die brauchen
       therapeutische Versorgung. Die gibt es aber zu wenig.“ Zusammen mit dem
       Mangel an bezahlbaren Wohnungen, Kitaplätzen und
       Sozialarbeiter*innen mache dies den Neustart für die Frauen immer
       schwerer, sagt Cohn. „Der Sozialabbau wird hier spürbar.“
       
       Währenddessen nimmt die Gewalt in Partnerschaften immer weiter zu: 10
       Prozent Anstieg verzeichnete das Bundeskriminalamt für das vergangene Jahr.
       Kristin Fischer von BIG fordert daher mehr Präventionsangebote und
       Täterprogramme. „Besser jetzt Geld in die Hand nehmen, als später die hohen
       Kosten häuslicher Gewalt zu zahlen.“
       
       7 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Marie Frank
       
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