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       # taz.de -- Schumacher Quartier in Tegel: Auf dem Holzweg?
       
       > Das neue Quartier soll ein Vorzeigeprojekt werden. Noch aber hat es mit
       > Startschwierigkeiten zu kämpfen. Eine Frage lautet: Wie teuer ist der
       > Holzbau?
       
   IMG Bild: Das geplante Schumacher Quartier in Tegel
       
       Berlin taz | Nein, Bombenstimmung gibt es nicht gerade in Tegel. 15.800
       Stück abgabepflichtige Kampfmittel habe man geborgen, hieß es vonseiten der
       Tegel Projekt GmbH vor einer Woche. Auf dem Gelände des [1][Schumacher
       Quartiers] werde die Kampfmittelberäumung erst 2033 abgeschlossen sein.
       
       Ist das ein weiterer Rückschlag für den Bau von 5.000 Wohnungen auf dem
       Gelände des ehemaligen Flughafens? Ein großes Holzbauquartier soll bis zum
       Kurt-Schumacher-Platz entstehen. Eigentlich war geplant, dass die erste
       Wohnung 2027 bezugsfertig ist.
       
       Doch daraus wird nichts. Den Spatenstich hat Bausenator Christian Gaebler
       (SPD) erst vor Kurzem nach hinten verschoben. 2026 statt 2025 soll er nun
       stattfinden. Wann die ersten Wohnungen fertig sind, darauf will sich
       Tegel-Projekt-Sprecherin Sara Sperling nicht festlegen.
       
       Eines aber kann sie mit Gewissheit sagen. „Die Kampfmittelbereinigung hat
       auf den Zeitplan des Schumacher Quartiers keine Auswirkungen.“ Im Westen
       des Areals, wo der erste Spatenstich erfolgen soll, ist das Gelände bereits
       beräumt.
       
       ## Skepsis bei der Gesobau
       
       Dass es mit dem Schumacher Quartier dennoch nicht richtig vorangeht, hat
       andere Gründe. Und das hat mit dem Holzbau zu tun. Eine „Kostenfalle“ hat
       der Gesobau-Vorstand Jörg Franzen schon vor einem Jahr das Bauen mit Holz
       genannt und gewarnt: [2][„Nach jetzigem Stand könnte wirtschaftlich keine
       einzige Wohnung gebaut werden.“]
       
       Ein Jahr später haben sich die Bedingungen nicht zum Besseren gewendet. Die
       Baukosten sind gestiegen, der Verband Berlin Brandenburgischer
       Wohnungsunternehmen [3][BBU spricht inzwischen von Kostenmieten von 17 bis
       20 Euro den Quadratmeter.] Im Schumacher Quartier könnte es noch ein wenig
       teurer werden, denn der Holzbau hat seinen Preis. Gleichzeitig soll dort
       die Hälfte der Wohnungen nicht mehr als 6,50 Euro kosten. Wie ist das zu
       schaffen?
       
       Anfragen der taz bei den drei beteiligten Wohnungsbaugesellschaften
       Gesobau, Degewo und Gewobag blieben aufgrund der personellen Besetzung in
       der Ferienzeit am Donnerstag unbeantwortet. Nach Informationen der taz ist
       die Gesobau mit ihren Bedenken aber nicht allein.
       
       In der Tegel Projekt GmbH sieht man die Diskussion um die Holzbauten
       allerdings gelassen. „Holzbau kann sogar kostengünstiger sein als
       konventionelle Bauweisen“, sagt der Holzbauexperte und Leiter des
       Schumacher Quartiers bei der Tegel Projekt, Simon Wimmer, der taz. „Das
       haben unsere Markterkundungen sowie zahlreichen Gespräche mit
       marktführenden Unternehmen der Bauindustrie ergeben.“
       
       Außerdem überzeuge der Holzbau „mit seiner schnellen, präzisen und
       umweltfreundlichen Bauweise im Gegensatz zu konventionellen Bauweisen“, so
       Wimmer weiter. „Die präzise Vorfertigung ermöglicht eine schnellere Montage
       auf der Baustelle und eine viel kürzere Gesamtbauzeit.“ Einzelne
       Bauverfahren will die Tegel Projekt GmbH in einer „Future Hut“ auf dem
       Gelände erproben und wissenschaftlich begleiten.
       
       ## Kritik von Genossenschaften
       
       Neben Gesobau, Degewo und Gewobag sollen auch Genossenschaften am Bau des
       Schumacher Quartiers beteiligt werden. Das Konzeptverfahren, in dem
       entschieden wird, welche Genossenschaft auf den dafür bereitstehenden
       Baufeldern loslegen kann, soll noch in diesem Jahr starten. Voraussetzung
       dafür ist aber ein gültiger Bebauungsplan.
       
       Noch ist aber unklar, wie groß der Run auf Tegel unter den Genossenschaften
       ist. Der Sprecher des Bündnisses Junge Genossenschaften, Andreas Barz,
       überraschte im Mai mit seiner Kritik, dass die Zahl der Wohnungen viel zu
       niedrig geplant sei. „Ich brauche keinen Architekten, um auszurechnen, dass
       man auf diesem Gelände eine Stadt für einhundert- bis zweihunderttausend
       Menschen bauen könnte“, sagte Barz dem rbb. Statt 5.000 Wohnungen stellte
       er die Zahl von bis zu 100.000 neuen Wohnungen in den Raum. Damit wäre aber
       die bisherige Bebauungsplanung passé – und das ganze Verfahren müsste
       wieder neu aufgesetzt werden.
       
       Bis der Bebauungsplan für das Schumacher Quartier endgültig steht, müssen
       auch noch andere Fragen geklärt werden. Eine davon lautet, wie weit die
       Bebauung an den Tunnel heranreichen darf, mit dem die A111 das Gelände
       unterquert. Eine andere ist die, was passiert, wenn der Tunnel gesperrt
       wird, was immer wieder vorkommt. Kritiker befürchten in diesem Fall lange
       Staus auf der geplanten Neuen Meteorstraße, die entlang und durch das neue
       Quartier führt.
       
       Keine guten Aussichten für einen Wohnungsstandort, der für sich in Anspruch
       nimmt, nicht nur Schwammstadt zu werden, sondern auch ein „autoarmer Kiez“
       mit einem innovativen Verkehrskonzept. Immerhin ist laut Bausenator
       Gaebler die Tramanbindung inzwischen geklärt. Die Verlängerung der
       U-Bahn-Linie 6 wurde gar nicht erst geplant.
       
       Es steht also noch viel in den Sternen beim ambitionierten Holzquartier.
       Eines steht immerhin fest. Am Holzmangel soll der Bau des Schumacher
       Quartiers nicht scheitern. „Wir stehen im engen Austausch mit den Berliner
       Forsten und wollen das Kiefernholz für das Schumacher Quartier aus deren
       Beständen beziehen“, sagt Simon Wimmer. 25.000 Festmeter im Jahr könne man
       von den Berliner Forsten bekommen.
       
       Wäre ein Festmeter eine Wohnung, hätte der Senat seine Zielvorgabe
       übererfüllt. So aber musste der Bausenator erst am Dienstag wieder
       einräumen, die 20.000 geplanten Wohnungen auch in diesem Jahr nicht zu
       schaffen. Insbesondere auf den neuen Stadtquartieren wie in Tegel ruhen die
       Hoffnungen von Schwarz-Rot, dass der Neubau doch noch vorangeht.
       
       12 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://schumacher-quartier.de/unser-gesamtkonzept/
   DIR [2] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2023/05/schumacher-quartier-berlin-tegel-flughafen.html
   DIR [3] /Wohnungsbaubilanz-in-Berlin/!5945056
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Uwe Rada
       
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