# taz.de -- Künstliche Intelligenz im Hörfunk: KI kills the Radio Star
> Bei bigFM startet das deutschlandweit erste KI-Radio. In Zeiten, in denen
> immer mehr Branchenstars zu Spotify abwandern, ist das nur logisch.
IMG Bild: Mit der liebevoll kuratierten Autor:innensendung in Radiodeutschland ist es vorbei
Für die Ohren gibt es kaum etwas Beruhigenderes als ein gutes
[1][Radioprogramm in der beginnenden Nacht]. An den Rändern der
Hauptsendezeit, wenn der letzte Stau durchgesagt und der Berufsverkehr noch
ein paar Stunden hin ist, Ed Sheeran Feierabend hat und mit ihm alle
Reichweitenanalyst:innen, dann dürfen die Moderator:innen ihre Skripte
zur Seite legen und sich in ausschweifenden Hinleitungen zum nächsten Song
verheddern, den kein Mensch kennt, aber dessen Bassisten sie in den
Neunzigern mal [2][in einer Hamburger Eckkneipe] begegnet sind.
Sie dürfen Pausen entstehen lassen, wenn sie selbst ganz ergriffen sind von
den 7 Minuten und 43 Sekunden dieses ausgegrabenen Tracks, der
selbstverständlich in voller Länge läuft. Danach geben sie ab an den Host
der Call-in-Sendung, der Ratschläge hat für Menschen in Lebenskrisen aller
Art und sogar für diejenigen Verständnis aufbringt, die sich in ihrer
Freizeit gerne mit Hackfleisch einreiben.
Ich bin in NRW aufgewachsen, radiosozialisiert vom Jugendsender 1Live.
Radio-Seelsorger Jürgen Domian ist mittlerweile allerdings in Rente und der
sich in den Geschichten verirrende Klaus Fiehe gehört zu den letzten, die
in Deutschland noch eine liebevoll kuratierte Autor:innensendung haben
dürfen.
Reihenweise wandern den Sendern ihre Leute – die dort vor Jahren aus Liebe
zur Musik und dem On-Air-Geschichtenerzählen ein Volontariat machten – zu
Streaminganbietern wie Spotify ab. Da veröffentlichen sie dann ihre eigenen
Shows und Talkformate, mit kleinerer Reichweite zwar, dafür aber mit
glühenderer Anhänger:innenschaft und Seele.
## bigLayla hat kein typisches Radiogesicht
Die Verantwortlichen von bigFM, einem der größten privaten Radiosender in
Deutschland, machen seit dieser Woche keinen Hehl mehr daraus, dass „Seele“
ihrer Meinung nach das letzte ist, was die Wellen heute noch brauchen. Sie
sind am Dienstag mit „bigGPT“ an den Start gegangen, einem Programm, das
ausschließlich aus synthetischen Stimmen und [3][KI-generierten Inhalten]
besteht. Gespielt werden die „meistgestreamten Songs im Netz“, zur vollen
und halben Stunde gibt es News aus der Tech-Welt.
Die virtuelle Moderatorin heißt bigLayla, und an einem typischen
Radiogesicht hat man sich für sie nicht orientiert, denn Laylas Avatar auf
der Website sieht aus wie Lara Croft. Zwischen den Songs betont sie, wie
innovativ ihre Existenz doch sei und dass man mit ihr ausschließlich Gutes
im Sinn habe. Den Real-life-bigFM-Moderator:innen wolle sie beispielsweise
helfen, mithilfe künstlicher Intelligenz „neue Themen zu finden und
Redundanzen zu vermeiden“.
„Gemeinsam mit euch können wir die Radiowelt rocken“, sagt sie dann noch
und das klingt nicht nach Aufbruch, sondern nach entsetzlicher Müdigkeit
und ich schließe den Browser, öffne Spotify und lasse mich in die Nacht
geleiten von zwei ehemaligen Radionasen, die im eigenen Podcast endlich so
redundant und leidenschaftlich sein dürfen, wie in keinem Rundfunk dieses
Landes.
11 Aug 2023
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## AUTOREN
DIR Leonie Gubela
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