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       # taz.de -- Queerfeindlichkeit im Netz: Der Hass hat eine politische Heimat
       
       > Beleidigungen und Drohungen im Internet erlebt unser*e Autor*in schon
       > lange. Mittlerweile haben immer mehr User-Kommentare AfD-Bezug.
       
   IMG Bild: Kundgebung gegen Queer- und Transfeindlichkeit in Hannover im Juni 2023
       
       Hass auf queere Menschen ist allgegenwärtig – auf den Straßen, in Kneipen,
       auf Volksfesten. Ich erlebe diese offene Ablehnung schon lange, besonders
       online.
       
       Mein politisches Engagement in der Öffentlichkeit begann 2019, damals vor
       allem auf X (ehemals Twitter). Ich weiß noch genau, [1][wie der Hass mit
       meinem] Outing als nichtbinär ein neues Ausmaß annahm. Die Menschen lehnten
       nicht mehr bloß meine Ideen, sondern mich persönlich ab. Anonyme User
       retuschierten Fotos von mir und teilten sie in ihren Netzwerken, gespickt
       mit abfälligen Kommentaren über mich und meine Identität.
       
       Das ist leider nichts Außergewöhnliches, sondern das Standard-Orchester,
       das junge weiblich gelesene oder queere Menschen im Internet abbekommen,
       wenn sie öffentlich sichtbar sind und sich politisch engagieren. Mit alldem
       habe ich umzugehen gelernt. Aber jetzt hat der [2][Hass noch mal ein neues
       Level] erreicht.
       
       Seit einigen Monaten veröffentliche ich ab und zu Musik, die ich selbst als
       „Queer Rap“ bezeichnen würde. Dabei greife ich typische Deutschrap-Motive
       auf: Es geht um Männlichkeit, um Dicks und darum, irgendwie cooler zu sein
       als die 08/15 Rapper. Nur deute ich diese Motive in meine Lebenswelt um –
       und die ist im Gegensatz zur restlichen Deutschrap-Szene nicht männlich,
       nicht hetero und auch nicht cis: „Wir sind homosexuell, homo-homosexuell,
       und es ist egal, ob euch das gefällt.“
       
       Ich befüchtete schon, dass es nicht nur positive Reaktionen geben würde.
       Nur mit dem schieren Ausmaß von Hass habe ich nicht gerechnet. Klar, viele
       queere Musiker*innen erleben Anfeindungen, aber meine Musik ist noch
       vergleichsweise unbekannt. Mein bisher erfolgreichstes Lied „CSD in
       Sonneberg“ erreichte gerade mal einige hunderttausend Klicks.
       
       Trotzdem gab es allein in den letzten fünf Tagen mehrere Dutzend User auf
       Instagram und TikTok, die von mir besessen schienen. Ein User hat unter
       jedes meiner Videos alle 20 Sekunden kommentiert und damit gedroht, mich
       abzustechen, und mir erklärt, wie sehr ich ihn anwidere. Ein anderer Nutzer
       schrieb, Hitler möge Auschwitz wiedereröffnen für Leute wie mich.
       
       ## Jeder dritte Kommentar hat AfD-Bezug
       
       Woher [3][dieser ganze Hass kommt], darüber kann ich nur mutmaßen.
       Anscheinend kränke ich viele Menschen mit meiner Musik. Vielleicht ist es
       die Tatsache, dass ich mich als queere Person traue, Rap zu produzieren,
       dass ich dabei Croptop und Hotpants trage. Fühlen sich diese Menschen in
       ihrer Männlichkeit bedroht? Oder ist es einfach stumpfer Schwulenhass?
       
       Eines aber fällt auf: Der Hass hat eine parteipolitische Heimat gefunden.
       Etwa jeder dritte Kommentar hat AfD-Bezug. „Wenn die AfD endlich an der
       Macht ist, macht ihr das nicht mehr“, „Hoffentlich steckt die AfD euch bald
       in die Klapse“. Damit kommunizieren die Hassenden offen und deutlich, in
       welche Partei sie ihre Hoffnung setzen.
       
       Die Partei behauptet oft, Ausländer seien der Grund für die
       Queerfeindlichkeit in Deutschland. Dabei sind es ihre eigenen Anhänger, die
       gegen Menschen wie mich hetzen. Unter einem Video von mir haben sich
       neulich zwei AfD-Anhänger gestritten, weil der eine nicht zustimmen wollte,
       dass Ausländer queerfeindlich seien. Er bestand stattdessen darauf, als
       stolzer Deutscher queere Menschen abgrundtief zu hassen und dass das
       „nichts mit der Herkunft zu tun“ habe.
       
       Wer hinter dem Hass steht, ist daher so eindeutig wie nie zuvor. Die AfD
       lässt Menschen hoffen, dass in diesem Land der Staat wieder gegen
       Minderheiten vorgehen könnte. Und spornt sie an, die Diskriminierung schon
       jetzt selbst in die Hand zu nehmen.
       
       12 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Maurice Conrad
       
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