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       # taz.de -- Geplatztes Bauprojekt in Hamburg: La Paloma, oje
       
       > Bei der Planung des Paloma-Viertels auf St. Pauli gab es eine
       > beispielhafte Bürger:innenbeteiligung. Nun ist der Kompromiss hinfällig.
       
   IMG Bild: Maßgeschneidert für St.Pauli: So sah der Entwurf für das Paloma-Viertel aus
       
       Hamburg taz | Ein deutschlandweit beispielhaftes Stadtplanungs- und
       Bürgerbeteiligungsprojekt droht in Hamburg zu scheitern. Der Investor des
       sogenannten [1][Paloma-Viertels an der Reeperbahn] will das Grundstück
       verkaufen. Stadtteilaktivist:innen fordern, dass auch ein neuer
       Eigentümer sich an die zusammen mit der Zivilgesellschaft entwickelten
       Pläne halten müsse.
       
       Als im Sommer 2015 nach zähen Verhandlungen ein Kompromiss über die Zukunft
       des Areals an der Esso-Tankstelle an der Reeperbahn erzielt worden war,
       zeigten sich alle Beteiligten glücklich: Der Investor bekam grünes Licht
       von der Politik, ehemalige Bewohner:innen und Anwohner:innen
       konnten umfassende Anforderungen an die Neubebauung des fortan
       Paloma-Viertel genannten Areals durchsetzen.
       
       Und sogar die Politik feierte sich dafür, erstmals seit vielen Jahren auf
       St. Pauli [2][nicht zu Verdrängungsprozessen beizutragen], sondern ihnen
       entgegenwirken zu können. Acht Jahre später ist jedoch klar: Der Kompromiss
       ist gescheitert. Der Eigentümer will das Areal nicht mehr bebauen, sondern
       verkaufen.
       
       Der Investor Bayrische Hausbau bestätigt, dass er über den Verkauf des
       Geländes verhandelt. Das hatte vergangene Woche der städtische
       Wohnungskonzern Saga publik gemacht. „Die Saga prüft ein mögliches
       Engagement unter der Maßgabe der Realisierung öffentlich geförderten
       Wohnungsbaus“, sagte Saga-Sprecher Michael Ahrens. Zum Stand der
       Verhandlungen wollen sich beide Seiten bislang nicht äußern. Die Bayrische
       Hausbau schweigt zu den Gründen, warum sie verkaufen will.
       
       ## Neustart bei der Planung?
       
       Besonders bei Stadtteilaktivist:innen, die am Beteiligungsprozess
       mitwirkten, ist das Entsetzen groß. „So verspielt man das Vertrauen von
       Bürger:innen auf St. Pauli, in Hamburg und anderswo“, kritisierte die
       Initiative „Esso-Häuser“.
       
       Kurz vor Weihnachten 2013 hatten die Bewohner:innen plötzlich wegen
       Einsturzgefahr ihre billigen Wohnungen in den Esso-Häusern aufgeben müssen.
       Ihre Häuser wurden gegen öffentlichen Protest abgerissen. Und auch die
       ursprünglichen Neubaupläne samt Eigentumswohnungen und großen
       Gewerbeflächen stießen auf Widerstand.
       
       Dieser führte dazu, das Anwohner:innen und Aktivist:innen mittels
       einer „Planbude“ Einfluss auf die Neubebauung nehmen konnten: 60 Prozent
       der insgesamt 200 Neubauwohnungen sollten öffentlich gefördert werden,
       Eigentumswohnungen tabu sein. Hinzu kamen den Plänen nach ein öffentlicher
       Platz auf dem Dach und eine Stadtteilkantine. Auch der Musikclub Molotow
       sowie stadtteiltypisches Kleingewerbe sollten wieder Räume bekommen.
       
       Doch seit dem Abriss klafft direkt neben dem Spielbudenplatz eine große
       Lücke, die durch Planen und Bauzäune von vorbeilaufenden
       Fußgänger:innen abgeschirmt ist. Jahrelang ging es mit dem
       Bebauungsplan nur schleppend voran, zuletzt wartete das zuständige
       Bezirksamt darauf, dass die Bayerische Hausbau einen Bauantrag einreichen
       würde.
       
       ## Initiative fordert Festhalten an den Planungen
       
       Selbst der [3][Chef der SPD-Bürgerschaftsfraktion], Dirk Kienscherf, glaubt
       inzwischen nicht mehr daran, dass der Investor noch bauen wird. „Dann muss
       man sagen, das Projekt ist gegebenenfalls gescheitert, und wir müssen einen
       Neustart machen“, sagte er vergangene Woche im [4][NDR-Sommerinterview].
       
       Vor diesem Neustart fürchtet sich aber die Initiative Esso-Häuser: „Mehr
       als irritiert sind wir von der Aussage des SPD-Fraktionsvorsitzenden, der
       davon redet, dass das ursprüngliche Konzept auch überarbeitet
       beziehungsweise gleich komplett verworfen werden könnte“, teilte sie mit.
       
       Sollte die städtische Wohnungsgesellschaft Saga aber das Grundstück kaufen,
       ist fraglich, ob die bisherige Planung bestehen bleibt: Dann könnte das vom
       Investor angestrebte Idee für ein Hotel ebenso zur Disposition stehen wie
       die Wünsche der Anwohner:innen. Für die Initiative ist aber klar, dass
       auch ein neuer Käufer „die Ergebnisse des einzigartigen Planungsprozesses
       umsetzen muss, die vom Stadtteil für den Stadtteil geplant wurden“.
       
       16 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bebauungsplan-fuer-Esso-Haeuser-Areal/!5583962
   DIR [2] /Mietendeckel-und-Enteignung/!5625660
   DIR [3] /Hamburger-Recht-auf-Stadt-Aktivistin/!5627075
   DIR [4] https://www.ardmediathek.de/video/hamburg-journal/spd-fraktionschef-dirk-kienscherf-im-sommerinterview/ndr/Y3JpZDovL25kci5kZS84MTZmNjRiMS0wYjk4LTQ4ZTYtOTgxNC0wMThhMTM4YTYzYTA
       
       ## AUTOREN
       
   DIR André Zuschlag
       
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