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       # taz.de -- Arrow 3, Lauterbach und Lindner: Legal, aber risky
       
       > Deutschland hat nichts mehr zu befürchten. Ein neues Motto ist die
       > Rettung für die Ampel – und gegen die Spaltung der Gesellschaft.
       
   IMG Bild: Deutschland ist jetzt gut beschirmt – in vielerlei Hinsicht
       
       Was für eine grandiose Woche. Ich bin immer noch ganz high und bitte um
       Entschuldigung, wenn diese Zeilen etwas wirr ausfallen. Aber so viel Glück
       auf einmal bin ich nicht gewohnt. Nach 53 wechselhaften Jahren gingen alle
       meine Wünsche endlich in Erfüllung. Privat, sportlich und politisch, was
       für mich eh alles dasselbe ist. Mag sein, dass ich halluziniere, aber ja,
       ich fühle mich wie neugeboren.
       
       So reich beschenkt wie nie, blicke ich der Zukunft ganz entspannt entgegen.
       Die lang ersehnte Autobiografie von Alexandra Popp lässt mich das deutsche
       Aus bei der WM vergessen, weil dieses Malheur im vorsorglich vorher
       verfassten Lebenswerk des letzten echten deutschen Fußballstars nicht
       vorkommt. Popp lesen heißt siegen lernen. Und mein neues, furchterregend
       schönes Trikot unseres Partnervereins Florida Panthers wird das taz-Tor
       endgültig auf ewig unbezwingbar machen.
       
       So wie Deutschland, das ebenfalls nichts mehr zu befürchten hat, nachdem
       unser großer Bruder Joe die Lieferung des israelisch-amerikanischen
       [1][Raketenabwehrschirms Arrow 3 genehmigt] hat. Wer jetzt immer noch Angst
       vor Putin hat, muss nur noch bis 2025 zittern. Dass es der Bundesregierung
       mit dem neuen Deal noch schwerer fallen dürfte, die ultrarechte
       Netanjahu-Koalition in Israel zu kritisieren – geschenkt. Das hat sie ja
       auch bisher nicht gemacht. Dafür hat die Ampel seit dieser Woche einen
       neuen Slogan, mit dem sie sich und uns aus der Krise führen wird, weil er
       alle Kräfte bündelt und die zerstrittene Gesellschaft endlich versöhnen
       wird: „Legal, aber risky“.
       
       Das ist die Wende, die Rettung für die Ampel und ganz Deutschland. Es ist
       noch nicht zu allen durchgedrungen, aber mit dem genialen Motto der
       Aufklärungskampagne zur [2][Cannabislegalisierung] lassen sich auch alle
       anderen Probleme der Regierung auf einen Schlag lösen. Das eigene
       Umfragetief und die Spaltung der Gesellschaft – vorbei und überwunden! Denn
       wenn sie erst darüber nachdenken, werden die Menschen feststellen, dass sie
       alle immer wieder irgendetwas machen, das legal, aber risky ist: saufen,
       rauchen, Auto fahren, Sex ohne Kondom, SPD wählen. Ist vielen schon
       passiert, kann jeder leicht verstehen – und die Regierung wieder lieben.
       
       ## Niemand soll über mangelnde Lernfähigkeit meckern
       
       Wenn ausgerechnet der Gesundheitsminister, der in der [3][Coronazeit] noch
       jedes kleinste, eventuell denkbare Risiko durch Verbote ausschließen
       wollte, plötzlich das Gegenteil macht und altbekannte Risiken erstmals
       erlaubt, kann doch wirklich niemand mehr über die mangelnde Lernfähigkeit
       der Regierung meckern. Eine Enttäuschung wird es frühestens dann geben,
       wenn Karl Lauterbach in 5.000 Jahren ausgegraben wird und die
       Archäolog*innen keine Spuren der unter seiner Ägide zugelassenen Drogen
       finden.
       
       Aber das lässt sich in Kauf nehmen. Auch, dass die Ampel entgegen aller
       Vorsätze direkt nach der Sommerpause schon wieder streitet, diesmal über
       viele Millionen für die Industrie, die Finanzminister Christian Lindner
       gern ausgeben will, und [4][ein paar Millionen für die armen Kinder, die
       nur noch eine Grüne einsam fordert]. Die Vernachlässigung der sozialen
       Gerechtigkeit ist leider auch legal und scheint parteitaktisch nicht mehr
       besonders risky, da sich die einzige linke Konkurrenz nach dem Rückzug von
       Linksfraktionschef Dietmar Bartsch demnächst wahrscheinlich auflöst.
       
       Also alles easy, peacy für die Ampel. Wenn da nur nicht noch diese AfD
       wäre, die nach dem Ausscheiden der Linkspartei womöglich noch mehr sozial
       Benachteiligte einsammeln könnte. Aber auch gegen die Gefahr von rechts hat
       Innenministerin Nancy Faeser jetzt zum entscheidenden Befreiungsschlag
       ausgeholt: Faeser will dafür sorgen, dass Björn Höcke nie mehr als Lehrer
       in den hessischen Schuldienst zurückkehren darf. Ein Geniestreich.
       
       Damit ist das drängendste Problem vor den anstehenden Landtagswahlen in
       Hessen und Thüringen auf einen Schlag gelöst. Und falls die AfD wider
       Erwarten trotzdem noch reüssieren sollte, steht das Motto der Gegenkampagne
       natürlich auch längst fest: „Legal, aber risky“.
       
       20 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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