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       # taz.de -- Queeres Feiern im Park: Spektakulär unspektakulär
       
       > Queer sein heißt auch, Bratwurst zu essen und zu Allerweltsmusik zu
       > tanzen. Aber was ist schon normal beim LesBiSchwulen Parkfest in
       > Friedrichshain?
       
   IMG Bild: Feiern im Volkspark Friedrichshain
       
       Auch auf einem stinknormalen Volksfest lässt sich queeres Leben feiern und
       für Toleranz und Vielfalt werben. Vielleicht sogar gerade da, wo
       normalerweise Achtsamkeit nicht besonders groß geschrieben wird und schnell
       begeistert mitgegrölt wird, wenn der [1][DJ endlich „Layla“] auflegt.
       
       Auf dem diesjährigen LesBiSchwulen Parkfest im Volkspark Friedrichshain in
       Berlin am vergangenen Wochenende wurde jedenfalls demonstriert, dass auch
       Queere dieser urdeutschen Form von geselliger Gemütlichkeit etwas
       abgewinnen können. Sich dabei aber nicht schon am frühen Nachmittag
       automatisch die ersten Alkoholleichen stapeln müssen, wie das bei
       derartigen Zusammenkünften eigentlich üblich ist. Wenn es bei einem
       gelungenen Volksfest vor allem darum gehen sollte, dass die Leute Spaß
       dabei haben, ihre Bratwurst zu essen und zur Allerweltsmusik eines
       Unterhaltungskünstlers im lustigen bunten Hemd zu tanzen, dann könnte man
       dieses Fest im Park als herausragend bezeichnen.
       
       Ein geradezu provozierendes Bekenntnis zum Stinknormalen zeigte sich auch
       daran, dass schon rein äußerlich den Besuchern und Besucherinnen jegliche
       CSD-typische Form von Schrillheit abging. Als kinky oder sonstwie besonders
       in Schale geworfen fiel hier eigentlich niemand auf. Beim nächsten Münchner
       Oktoberfest, wo die Leute in ihren bizarren Lederhosen ihr Bier trinken,
       kleidet man sich sicherlich absonderlicher als bei diesem spektakulär
       unspektakulären Beieinandersein.
       
       Vielleicht hat es ja auch etwas schon unverschämt Subversives an sich,
       derartige Institutionen und Bräuche der sogenannten heteronormativen
       Mehrheitsgesellschaft zu kapern. Dann wäre auch das diesjährige Festmotto
       „Hallo Familie“, das so harmlos daherkommt, eine Art Anschlag auf die
       Gedankenwelt des durchschnittlichen Biederdeutschen. Nichts ist dem ja
       heiliger als die klassische Kernfamilie. Und wenn dieser die Schwulen,
       Lesben und ausdrücklich auch noch die Bisexuellen ihre bunten
       Regenbogengemeinschaften entgegensetzen, reagiert er schnell ganz schön
       empfindlich.
       
       Auch der Ort für eine derart subtile Form queerer Aneignung ist perfekt
       gewählt. Vordergründig ist der Volkspark Friedrichshain ja ein echter
       Vorzeigeort. Im Vergleich zu anderen Berliner Parks geht es hier
       verhältnismäßig friedlich zu, sogar im klassischen Sinne schön kann man ihn
       nennen, was man wirklich nicht über viele Parks in dieser Stadt sagen kann.
       
       ## Auf der Suche nach Abenteuern
       
       Aber eigentlich ist er auch ein ziemlich beliebtes Cruising-Areal für
       Schwule auf der Suche nach Abenteuern. Der bürgerliche Mainstream ist hier
       also längst vom queeren Lifestyle unterwandert, ohne das selbst vielleicht
       überhaupt so richtig mitzubekommen. Auf einschlägigen Gay-Portalen werden
       Cruiser sogar aufgefordert, dafür zu sorgen, dass das möglichst so bleibt.
       Taschentücher bitte nach Gebrauch entsorgen, heißt es dort.
       
       Deutlich erkennbare politische Botschaften gingen von dem queeren Volksfest
       freilich aber auch aus. Buden, die von der SPD bis zum Jobcenter betrieben
       wurden, warteten mit den üblichen regenbogenfarbenen Logos auf. Einfacher,
       aber auch klarer lässt sich ein Bekenntnis gegen Diskriminierung aller Art
       ja kaum haben. Und so ein Jobcenter hat sowieso immer eine gewisse
       Motivation, sich als mitnichten bloß graue Behörde darzustellen. Und die
       Linkspartei wurde bei ihrem Stand sogar so plakativ politisch, dass daran
       wirklich nichts mehr subtil war. Trans Personen schützen, gegen Milliardäre
       vorgehen, das war die Botschaft auf einem ihrer Aushänge. Die Verrenkung,
       diese beiden Klientele derart miteinander in Verbindung zu bringen, muss
       man so erst einmal hinbekommen.
       
       Nur Friede, Freude, Eierkuchen bietet einem das queere Leben aber auch auf
       dem ausgelassensten Volksfest nicht. Darauf machten dessen Veranstalter
       danach über die sozialen Medien noch einmal aufmerksam. Zur selben Zeit, in
       der hier in Friedrichshain die Welt ziemlich in Ordnung schien, fanden
       mindestens drei queerfeindliche Anschläge mitten in Berlin statt,
       schrieben sie.
       
       21 Aug 2023
       
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