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       # taz.de -- Challenge im Spreewald: Einmal Gurke mit alles
       
       > Eigentlich mag unsere Autorin Gurken gar nicht. Doch als ihre Freundin
       > sie bei einem Spreewaldurlaub zu einer Challenge herausfordert, beißt sie
       > zu.
       
   IMG Bild: Nur was wirklich aus dem Spreewald kommt, darf sich Spreewaldgurke nennen
       
       Sie trinkt Gurkenlikör aus einem Schnapsglas und isst Gurkenchips, während
       sie durch die Ferienwohnung läuft und telefoniert. Ich packe die Einkäufe
       aus: Ein Glas Knoblauchgurken, ein Glas Senfgurken, ein Glas Chiligurken
       und ein Mix aus allen drei Sorten. Zwei Flaschen Gurkenradler für den
       Abend. Und Gurkenbrot.
       
       Meine Freundin war vorher nie [1][im Spreewald], aber von den berühmten
       eingelegten Spreewaldgurken hatte sie schon gehört. Kanufahren, sorbische
       Trachten und andere regionale Spezialitäten wie Meerrettich interessieren
       sie nicht so sehr, die Gurken umso mehr. Und als wir direkt nach der
       Anreise einen Teller mit allerlei Spreewaldgurkenvariationen in einem
       kleinen Restaurant am Wasser verkosten, sagt sie: „Ich möchte hier alles
       mit Gurken ausprobieren.“ „Alles …?“, frage ich skeptisch. „Alles!“, sagt
       sie. „Lass uns eine Challenge machen!“
       
       Auf meiner Liste von kulinarischen No-Gos liegen Salatgurken auf Platz zwei
       ([2][nach Rote Bete]) und auch eingelegte Gurken gehen bei mir nur bedingt:
       Den Geschmack finde ich zu dominant, und die Konsistenz ekelt mich ein
       wenig an, vor allem bei den weichen Sorten.
       
       Sich mit einer Zange Gurken aus einem Fass zu nehmen, da denke ich an das
       Glas mit den eingelegten Eiern, das seit mehr als 30 Jahren auf dem Tresen
       von Moes Taverne bei den „Simpsons“ steht; und die „Gurke to go“ aus der
       Dose finde ich pervers. Trotzallerdings nehme ich die Herausforderung gerne
       an. Ich mag kulinarische Experimente und neue Geschmäcker zu entdecken.
       
       ## Lässt sich gut kombinieren
       
       Die erste positive Überraschung ist für mich das Gurkenbrot. Es ist aus
       Sauerteig, schön luftig und nicht grün, wie man denken könnte, abgesehen
       von manchen Gurkenstückchen, die zu meiner Erleichterung nur ganz diskret
       im Mund zu spüren sind. Es lässt sich gut mit Käse, Tomaten oder Dillöl –
       auch aus dem Spreewald – kombinieren.
       
       Das Gurkenradler (Bier mit Gurkenbrause) passt dazu perfekt, es erinnert
       mich an Berliner Weiße mit Schuss, aber auch an das Wasser mit
       Gurkenscheiben, das man in hippen Cafés bekommt – ein Sommergetränk, das
       ich am liebsten bei einem Picknick oder einer Kanufahrt genießen möchte.
       Gern hätten wir auch [3][einen Spreewald Mule] probiert. Wir finden
       [4][Rezepte im Internet], aber kein Lokal, das so einen Cocktail anbietet.
       
       Die Knoblauch-, Senf- und Chiligurken schmecken mir nicht groß anders als
       die „Cornichons“ aus jedem Supermarkt, sie sind nur größer und weniger
       knackig – also nicht so gut. Noch schlimmer ist es bei den Honiggurken,
       weiße wabbelige Stücke, von denen meine Freundin sagt, sie würden „wie die
       Zunge eines Wales“ schmecken, so stelle sie sich das jedenfalls vor.
       
       Ich kann sie danach nicht mehr in den Mund nehmen. Vielleicht ist mir
       deswegen auch schlecht, als sie ihrem zweijährigen Sohn am Telefon von
       unserer Challenge erzählt. „Ganz vieeele, vieele Gurken essen wir, Tag und
       Nacht!“, sagt sie und ihre Stimme kommt mir vor, als würde sie einer bösen
       Märchenhexe gehören. Der Sohn lacht im Display. Ich halte mir den Bauch und
       versuche, an etwas anderes zu denken.
       
       ## Gurkeneis geht bei Hitze immer
       
       Am nächsten Tag geht es besser. Wir essen Gurkeneis in der Mittagshitze,
       vor einer Eisdiele mit blauen Sonnenschirmen in Burg, und – ich hätte es
       nie gedacht – es schmeckt mir gut, es ist erfrischend, kitzelt leicht im
       Mund, ist weder zu süß noch zu sauer. Wir nehmen es nicht als Nachtisch,
       sondern als Vorspeise und fahren über den Gurkenradweg direkt zu unserem
       Mittagessen weiter.
       
       Die kalt servierte Gurkensuppe überzeugt mich: Ich muss an katalanische
       Gazpacho denken oder an die französische Vichyssoise, Suppen aus Ländern,
       wo man an unerträglich heißen Sommertagen lieber etwas Leichtes und
       Frisches isst. Anschließend Schmorgurken wie einen Eintopf warm zu essen,
       fühlt sich hingegen falsch an. Bestimmte Dinge gehören für mich einfach in
       die Kategorie „Kalt zu verzehren“. Es ist, als würde mir ein Püree aus
       warmem Blattsalat angeboten. Nein, danke!
       
       Das Gurkenmuseum, unser nächstes Ziel, ist an diesem Tag geschlossen. Hier
       hätten wir „in begehbaren Fässern Anbau, Ernte und Verarbeitung aus der
       Sicht der Gurke“ erleben können. Bei einem Bierhof in Leipe finden wir aber
       einige Schwarz-Weiß-Fotos aus dem 19. Jahrhundert, die die Gurkenernte und
       den Gurkentransport mit Kähnen dokumentieren.
       
       ## Der Sohn liebt die Plüschgurke
       
       Dass der Spreewald zur Gurkengegend wurde, hat auch was mit seinen
       feuchten, humusreichen Böden zu tun. Und nur im Spreewald geerntete und
       verarbeitete Gurken dürfen sich „Spreewälder Gurken“ nennen, seit 1999 ist
       der Name eine von der EU geschützte geografische Angabe, wie etwa
       Champagner oder Gorgonzola. Doch die Erträge schrumpfen. Lagen sie in den
       Nullerjahren noch bei 40.000 Tonnen, waren es zuletzt eher um die 20.000.
       Und [5][eine Spreewälder Gurkenkönigin] gibt es aktuell auch nicht mehr.
       
       Um der Gurkenwirtschaft zu helfen, schenken wir uns vor der Abfahrt
       Souvenirs, die wir „heimlich“ in einem Laden am Gurkenmarkt gekauft haben.
       Mein Gurkenfeuerzeug ist in Berlin sehr begehrt, wenn ich abends unterwegs
       bin. Der Gurkenmagnet hält bei meiner Freundin wichtige Notizen am
       Kühlschrank. Die Plüschgurke wird von ihrem Sohn geliebt. Nur das Glas mit
       dem Gurkenmix bleibt unberührt in meinem Regal – vielleicht freut sich
       irgendwann ein Besuch darüber.
       
       19 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Erntezeit-im-Spreewald/!5596078
   DIR [2] /Liebe-macht-Rote-Bete-schmackhaft/!5808576
   DIR [3] /Aus-Moscow-Mule-wird-Kiew-Mule/!5868627
   DIR [4] https://www.absolutdrinks.com/de/drinks/absolut-spreewald-mule/
   DIR [5] /Phaenomen-in-der-Agrarwirtschaft/!5910486
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Luciana Ferrando
       
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