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       # taz.de -- Umstrittene Justizreform in Israel: Massenproteste und Petition
       
       > Ein Kernelement der Justizreform wurde verabschiedet. Tausende
       > protestieren dagegen. Die Opposition will eine Petition beim Obersten
       > Gericht einreichen.
       
   IMG Bild: Mit Wasserwerfer und Pferden versucht die Polizei Demonstrierende in Tel Aviv zu vertreiben
       
       Tel Aviv dpa/afp/taz | Nach [1][der Verabschiedung eines Kernelements der
       umstrittenen Justizreform] haben wieder Tausende Israelis gegen die
       rechts-religiöse Regierung protestiert. Medienberichten zufolge wurden am
       Montagabend landesweit mindestens 34 Demonstranten festgenommen und mehrere
       Menschen unter anderem durch den Einsatz von Wasserwerfern verletzt. In
       mehreren Orten kam es demnach zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und
       Demonstranten. Gegner der Justizreform blockierten den Berichten nach
       mehrere Straßen im Land. In Tel Aviv marschierten Hunderte am Abend auf
       einer zentralen Autobahn.
       
       Bei einer Kundgebung in einem Ort nördlich von Tel Aviv raste ein Auto in
       die Menge. Drei Demonstranten wurden dabei laut Polizei verletzt. Die
       Sicherheitskräfte nahmen den Fahrer, dessen Motiv am Abend zunächst unklar
       war, nach einer Fahndung fest.
       
       Am Dienstag will die Opposition eine Petition dagegen beim Obersten Gericht
       einreichen, um die einseitige Aufhebung des demokratischen Charakters des
       Staates Israel u verhindern. Der Chef des Gewerkschaftsverbands Histadrut,
       Arnon Bar-David, stellte am Montag einen Generalstreik in Aussicht. Jeder
       „einseitige Schritt“ der Justizreform hätte „schwerwiegende Folgen“, sagte
       er. „Falls nötig“ werde es einen Generalstreik geben.
       
       Israels Parlament hatte am Montag ein Kernelement der umstrittenen
       Justizreform gebilligt. 64 von 120 Abgeordneten stimmten für einen
       Gesetzentwurf, der die Handlungsmöglichkeiten des Höchsten Gerichts
       einschränkt. Die Opposition boykottierte die Abstimmung. Das Gesetz ist
       Teil eines größeren Pakets. Kritiker stufen es als Gefahr für Israels
       Demokratie ein. Gegen das Vorhaben der rechts-religiösen Regierung gibt es
       immer wieder Massenproteste. Die nun verabschiedete Änderung ist der erste
       wichtige Bestandteil der Justizreform, der Gesetz wird. Vor der Abstimmung
       hatte die Knesset mehr als 24 Stunden lang über das Gesetzesvorhaben
       debattiert.
       
       ## Netanjahu verteidigt die Verabschiedung
       
       Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat die Billigung eines
       entscheidenden Teils [2][der umstrittenen Justizreform] durch das Parlament
       verteidigt. Netanjahu bezeichnete die ungeachtet internationaler Einwände
       und massiver Proteste im Inland abgehaltene Abstimmung am Montag in einer
       Fernsehansprache als „notwendigen demokratischen Schritt“. Die
       Bundesregierung drückte ihr Bedauern über das Scheitern der Verhandlungen
       zwischen Israels Regierung und der Opposition aus.
       
       Netanjahu sagte, die sogenannte Angemessenheitsklausel sei verabschiedet
       worden, damit die „gewählte Regierung“ ihre Politik „in Übereinstimmung mit
       der Entscheidung der Mehrheit der Bürger des Landes“ umsetzen könne.
       
       Die Angemessenheitsklausel ist einer der umstrittensten Bestandteile der
       Justizreform. Diese zielt darauf ab, die Befugnisse der Justiz und des
       Obersten Gerichts einzuschränken und die Stellung des Parlaments und des
       Ministerpräsidenten zu stärken. Kritiker fürchten infolge der Schwächung
       der Justiz um die Demokratie in Israel. Befürworter argumentieren hingegen
       mit einer Wiederherstellung des Gleichgewichts in der Gewaltenteilung.
       
       ## Kritik aus den USA und Deutschland
       
       Deutliche Kritik äußerte auch die US-Regierung. Es sei „bedauerlich“, dass
       sich bei der Abstimmung in der Knesset die „kleinstmögliche Mehrheit“
       durchgesetzt habe, erklärte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine
       Jean-Pierre. Präsident Joe Biden habe „öffentlich und vertraulich die
       Ansicht geäußert, dass größere Veränderungen in einer Demokratie auf einem
       möglichst breiten Konsens beruhen müssen, um Bestand zu haben“, erklärte
       Jean-Pierre zudem.
       
       Aus dem Auswärtigen Amt hieß es am Montag: „Wir bedauern sehr, dass die
       Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition unter Vermittlung von
       Staatspräsident Isaac Herzog vorerst gescheitert sind.“ Deutschland blicke
       „mit großer Sorge auf die sich vertiefenden Spannungen in der israelischen
       Gesellschaft“.
       
       Die Justizreform spaltet die israelische Bevölkerung, [3][seit 29 Wochen
       protestieren Menschen landesweit gegen das Vorhaben.] Auch am Wochenende
       protestierten Zehntausende. Es versammelten sich jedoch auch Unterstützer
       der Reformpläne.
       
       25 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
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