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       # taz.de -- Ökonom über Umweltreferendum in Ecuador: „Ein deutliches Zeichen des Aufbruchs“
       
       > Ecuadors Bevölkerung stimmt ab, ob das Erdöl im Yasuní-Park im Boden
       > bleiben soll. Der Volksentscheid hat Symbolwirkung, sagt der Ökonom
       > Alberto Acosta.
       
   IMG Bild: Die “Gebärmutter der Welt“: Der Yasuní- Nationalpark ist einer der artenreichsten Orte global
       
       taz: Herr Acosta, an diesen Sonntag stimmten die Menschen in Ecuador in
       einem Referendum daüber ab, [1][ob im Nationalpark Yasuní Öl abgebaut
       werden darf]. Die Ölkonzerne drillen dort aber schon seit Jahren. Warum
       gibt es erst jetzt eine Volksbefragung dazu? 
       
       Alberto Acosta: Vor zehn Jahren, als die Regierung die Ölkonzessionen
       vergab, protestierten Umweltschützerïnnen und sammelten Unterschriften, um
       eine Volksabstimmung darüber einzufordern. Aber weder die damalige linke
       Regierung von Rafael Correa noch die folgenden beiden rechten Präsidenten
       haben dem Anliegen Folge geleistet. Bis das Verfassungsgericht im Mai 2023
       angeordnet hat, dass die Regierung die Volksbefragung anberaumen muss.
       
       Welche Bedeutung hat dieser Volksentscheid? 
       
       Wenn diese Abstimmung Erfolg hat, wäre es ein deutlicheres Zeichen des
       Aufbruchs als das leere Geschwätz auf den Klimagipfeln. Zum einen wird
       dadurch dem Recht der Bevölkerung auf Mitbestimmung Genüge getan. Zum
       anderen [2][geht es um den Schutz eines ökologisch wichtigen Teils
       Amazoniens]. Dort leben unkontaktierte indigene Völker, und es gibt eine
       riesige Biodiversität und ein enormes Süßwasserreservoir.
       
       Zum Dritten geht es darum, auf die Förderung fossiler Brennstoffe zu
       verzichten und so Kohlenstoffdioxid (CO₂) einzusparen, um den Klimawandel
       zu verlangsamen. Zum Vierten wären die Firmen gezwungen, ihre dort
       aufgebauten Förderanlagen abzubauen und die von ihnen angerichteten Schäden
       wiedergutzumachen.
       
       Die Artenvielfalt im Yasuní-Park ist unglaublich groß. Wie konnte dort so
       viel verschiedenes Leben bewahrt werden? 
       
       In der Eiszeit war der Yasuní eine der wenigen Regionen, die nicht mit Eis
       bedeckt waren. Das Leben ging dort weiter. Deshalb sprechen manche auch von
       der „Gebärmutter der Welt“ oder der „Arche Noah“. Dort leben mehr Arten als
       in jeder anderen Ecke der Welt. Auf einem Hektar finden sich mehr
       Pflanzenarten als in ganz Nordamerika und mehr Käfer als in ganz Europa.
       Dort gibt es mehr als 2.000 verschiedene Bäume und Sträucher, 121 Reptil-,
       204 Säugetier-, 210 Vogel-, 150 Amphibien- und 250 Fischarten.
       
       Diese Biodiversität hat auch einen wissenschaftlichen Wert, oder? 
       
       Es ist ein gigantisches Genreservoir, das für wissenschaftliche und
       medizinische Zwecke sehr interessant ist, sofern die Erforschung im
       gegenseitigen Respekt mit den dortigen Völkern erfolgt. Da muss man sehr
       aufpassen, dass sich das nicht Biopiraten oder transnationale Firmen unter
       den Nagel reißen.
       
       Zum Thema Wirtschaft: Ecuador hat sehr unter der Pandemie gelitten, die
       Armut ist gestiegen, und in den letzten Monaten hat die Kriminalität stark
       zugenommen. Der Staat braucht dringend Geld. Wie lässt sich da
       rechtfertigen, das Öl im Boden zu lassen? 
       
       Dem ecuadorianischen Staat könnten 200 bis 400 Millionen US-Dollar im Jahr
       entgehen. Der Haushalt Ecuadors fürs laufende Jahr beträgt 31,1 Milliarden
       US-Dollar. Wir sprechen also von einem Prozent des Staatshaushalts!
       Außerdem muss man die dortigen Reserven erst einmal richtig beziffern. Das,
       was am Anfang versprochen wurde, ist illusorisch. Inzwischen hat sich
       herausgestellt, dass dort viel weniger Öl liegt als gedacht.
       
       Trotzdem bleibt eine Lücke im Haushalt. Wie könnte der Staat die anders
       stopfen? 
       
       Unser Staat gewährt den Reichen Steuernachlässe, die die Einnahmen aus dem
       Erdöl bei Weitem übertreffen. Diese sollte er stopfen. Außerdem haben wir
       ein riesiges Problem mit der Steuerhinterziehung. Die
       UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika (Cepal) schätzt sie auf 7
       Milliarden US-Dollar im Jahr. Allein die 25 größten Säumigen schulden dem
       Staat 734 Millionen US-Dollar.
       
       Es geht also bei dem Plebiszit nicht nur um ökologische Gerechtigkeit und
       Naturschutz, sondern auch um soziale Gerechtigkeit. Denn wenn wir gegen den
       Ölabbau stimmen, zwingen wir den Staat, andere Wege zu gehen. Dieses
       Plebiszit könnte ein erster Schritt sein hin zu einer anderen
       post-extraktivistischen Wirtschaftsordnung und einer gerechteren
       Gesellschaft.
       
       Sie selbst hatten im Jahr 2009 als Energie- und Erdölminister den Vorschlag
       gemacht, das Erdöl des Yasuní im Boden zu lassen, wenn die internationale
       Gemeinschaft Ecuador dafür finanziell kompensiert. Das hat sich nicht
       umsetzen lassen. 
       
       Das stimmt. Ich bin allerdings nicht der Autor, sondern nur das Sprachrohr
       dieser Idee. Sie ist aus vielen gesellschaftlichen Prozessen entstanden.
       Leider ist daraus nichts geworden. Nicht so sehr, weil uns die Welt im
       Stich gelassen hätte, sondern eher, weil es Präsident Correa an einer
       glaubwürdigen, langfristigen Strategie mangelte. Aber die Jugend fand den
       Vorschlag gut, griff ihn auf und sammelte Unterschriften für ein Plebiszit.
       
       Nun ist das Thema der internationalen Kompensation vom Tisch, weil die
       aktuelle Regierung daran kein Interesse mehr hat. Ist das richtig? 
       
       Ja, aber wir stehen vor der Herausforderung, ein neues Konzept zu
       entwerfen, um die internationale Gemeinschaft in dieses Projekt
       einzubinden. Und natürlich haben wir ein Interesse an internationalen
       Klimaschutzgeldern.
       
       Ich kann mir vorstellen, dass die Erdölkonzerne besorgt sind über die
       Signalwirkung eines solchen Plebiszits. 
       
       Ihre [3][Kampagne gegen das Referendum ist sehr schmutzig]. Ich spreche von
       einer „heiligen extraktivistischen Allianz“ zwischen Öl- und
       Bergbaukonzernen, der rechten Regierung von Präsident Guillermo Lasso,
       Industrie- und Handelskammern und liberalen Ökonomen. Die Botschaft, die
       sie vermitteln, bezeichne ich als Wirtschaftsterrorismus. Sie sagen, dass
       unser Land am Abgrund steht, wenn die Bevölkerung die Erdölförderung
       verbietet. Sie behaupten, dass dann die Dollarisierung endet und eine
       riesige Wirtschaftskrise und hohe Arbeitslosigkeit kommen.
       
       Und wie reagieren die Befürworter*innen? 
       
       Die Aktivist*innen, vor allem junge Leute, kontern sehr kreativ in sozialen
       Netzwerken, und ich reise durchs Land und kläre über den Inhalt und die
       Reichweite des Referendums auf. Wir versuchen alle Kräfte zu mobilisieren,
       denn wir sehen uns einer mächtigen Hydra gegenüber.
       
       Welche Folgen hat dieses Plebiszit? Besteht die Gefahr, dass es als
       Papiertiger endet? 
       
       Die Bergbau- und Ölkonzerne wissen: Wenn dieses Plebiszit Erfolg hat, wird
       es für sie schwieriger, neue Vorkommen zu erschließen. Denn am 20. August
       geht es nicht nur um das Öl am Amazonas, sondern gleichzeitig bei einer
       zweiten, parallelen Befragung im Hauptstadtbezirk darum, ob im sogenannten
       Chocó Andino der Bergbau verboten werden soll.
       
       Wenn beide Plebiszite zugunsten des Umweltschutzes ausgehen, hat das
       Signalwirkung. Es werden dann weitere Befragungen folgen. Wenn wir
       verlieren, ist das für die Bergbau- und Ölkonzerne der Freibrief, weitere
       Regionen des Landes auszubeuten. Dann steht uns eine Lawine an neuen
       Konzessionen bevor.
       
       21 Aug 2023
       
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       ## AUTOREN
       
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