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       # taz.de -- Grünen-Chefin in der Lausitz: Vertrauen bilden im Kohlerevier
       
       > Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang besucht zwei Tage lang die Lausitz.
       > Der Ausstieg aus der Kohle ist ein Reizthema. Lang wirbt um Vertrauen.
       
   IMG Bild: Begrüßung für die Grünenvorsitzende Ricarda Lang durch Bergbau-Lehrlinge in Cottbus am 21.8
       
       Schwarze Pumpe/Cottbus taz | Ricarda Lang will die Jahreszahl partout nicht
       sagen. Zweimal wird sie von Journalist*innen gefragt, ob sie trotz all
       der [1][Schwierigkeiten am Kohleausstieg 2030] auch in Ostdeutschland
       festhalte. Lang spricht von Parteitagsbeschlüssen und über Klimaschutz,
       aber „2030“ kommt nicht über ihre Lippen. Die Grünen-Vorsitzende steht vor
       dem Ausbildungszentrum der Leag, das auf dem riesigen Gelände „Schwarze
       Pumpe“ in der Lausitz liegt. Links von ihr der Arbeitsdirektor des
       Energiekonzerns, rechts ein Mitglied der Jugendausbildungsvertretung. Also
       besser nicht vor den Kameras [2][das Reizthema] anfachen. In den internen
       Gesprächen ist es ohnehin präsent.
       
       Seit Montag ist Lang auf Sommertour, die ersten beiden Tage verbringt sie
       in der Lausitz. Ihre Mission: zuhören und Vertrauen aufbauen. Das
       Verhältnis zwischen den Grünen und dem Kohlekonzern ist traditionell
       schwierig, im März hatte die Partei für zusätzlichen Ärger gesorgt. Zwei
       Vertreter des Gesamtbetriebsrats wollten zur Fraktionsklausur nach Weimar
       kommen, dann wurde die Beschlussvorlage für die Klausur bekannt. Darin
       stand, dass die Grünen den Kohleausstieg im Osten um acht Jahre auf 2030
       vorziehen wollen. Die Arbeitnehmervertreter sagten ab.
       
       „Das war ein böses Foul“, sagt Toralf Smith, einer von ihnen. Es müssten
       endlich die versprochenen Subventionen fließen, damit der Konzern
       Planungssicherheit habe, fordert Smith. Der grüne Wirtschaftsminister
       Robert Habeck, meint er, tue nicht genug dafür, dass die EU-Kommission die
       Beihilfen genehmige. Und natürlich habe das Hochfahren der [3][Kraftwerke
       als Folge der Energiekrise] die Personalplanung des Konzerns vollständig
       durcheinandergebracht. „Die Verunsicherung in der Belegschaft könnte größer
       nicht sein.“
       
       Habeck hat die Leag bereits zweimal besucht, jetzt also Lang. Sie betont
       bei jeder Gelegenheit, dass man die Kompetenzen und Erfahrungen vor Ort
       nützen müsse. Und dass es um die Menschen vor Ort und Sicherheit für ihre
       Jobs gehe. Dass Klimaschutz als Ziel nicht reicht, um die Leute hier
       mitzunehmen, scheint angekommen zu sein. Doch die Grünen stehen auch unter
       Druck ihrer Mitglieder und Wähler*innen, in Sachen Kohleausstieg zu
       liefern.
       
       ## Lausitz soll zum Green Valley werden
       
       400 Auszubildende gibt es bei der Leag, hundert von ihren hatten am Montag
       ihren ersten Arbeitstag. Als Lang ankommt, stehen viele von ihnen mit
       Transparenten vor der Tür. „Hier ist die nächste Generation“ heißt es auf
       einem Banner. Das „nächste“ steht über „letzte“, was durchgestrichen ist.
       Die Jugendlichen sind höflich, wütende Proteste gibt es nicht. Als die
       Grünen-Chefin durch die verschiedenen Ausbildungsbereiche geht, sagen
       Einzelne, dass sie auch nach der Ausbildung in der Region und bei der Leag
       bleiben wollen.
       
       „Das ist mein Zuhause“, sagt einer von ihnen. „Manchmal habe ich Angst, wie
       es weitergeht“, meint auch der Jugendausbildungsvertreter. Leag-Chef
       Thorsten Kramer betont später beim Gespräch in der Unternehmenszentrale in
       Cottbus hingegen, dass sich der Konzern bereits ändere. Die Lausitz werde
       zum „Green Valley“, sagt er, zum „grünen Tal“. Je schneller der Ausbau in
       die alternativen Energien erfolge, desto eher könne das Unternehmen aus der
       Kohle aussteigen. Das Tempo reiche noch nicht.
       
       Auf Tagebauflächen der Leag sollen große Solar- und Windenergieparks
       entstehen, das Unternehmen will bis 2030 Photovoltaik- und Windanlagen mit
       7 Gigawatt Leistung auf einer Fläche von 33.000 Hektar aufbauen. Die
       Kraftwerke sollen künftig mit Wasserstoff betrieben werden. Die Leag wolle
       weiter Energie produzieren, denn „das ist unsere DNA“, sagte Kramer.
       
       ## Transformation muss gelingen
       
       Bei der Transformation sei die Zukunftsperspektive für die Menschen das
       Wichtigste. Man müsse darauf achten, dass „es“ nicht entgleite. Deutlicher
       wird Kramer nicht. Er dürfte damit die politische Situation in der Lausitz
       meinen. [4][In der Region an der Grenze von Brandenburg und Sachsen ist die
       AfD stark], in beiden Ländern wird der Landtag im kommenden Jahr gewählt.
       Die extrem rechte Partei könnte auf Platz eins landen. „Es geht nicht nur
       um soziale, sondern auch um demokratische Verantwortung“, betont auch Lang
       
       Am Dienstag trifft die Grüne im Gründerzentrum „Dock 3“ auf dem
       Schwarze-Pumpe-Gelände Christine Herntier, die parteilose Bürgermeisterin
       von Spremberg – der brandenburgischen Gemeinde, auf der ein Teil des
       Geländes liegt. Im Gespräch wiederholt Herntier mehrfach: „Es darf kein
       zweites Mal passieren, dass hier in der Lausitz die Transformation nicht
       gelingt.“
       
       23 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
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   DIR [3] /Machenschaften-mit-dem-Braunkohle-Aus/!5948699
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       ## AUTOREN
       
   DIR Sabine am Orde
       
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