URI: 
       # taz.de -- Das Leben in Simbabwe vor der Wahl: Wenn Brot zum Luxusgut wird
       
       > Die Bevölkerung verarmt und die Opposition trifft mit ihrem Ruf nach
       > „Veränderung“ einen Nerv. Dennoch ist Präsident Mnangagwa siegessicher.
       
   IMG Bild: Voller Zuversicht: Unterstützer der Oppositionspartei CCC bei der Abschlusskundgebung am Montag
       
       Harare taz | Die Inflation ist hoch, ebenso die Arbeitslosigkeit. Seit 15
       Jahren hat das Land keine eigene Währung mehr. Eine Mehrheit der 16
       Millionen Einwohner lebt in Armut und kämpft ums tägliche Überleben. Das
       ist Simbabwe vor den Wahlen am Mittwoch.
       
       „Brot essen ist ein Luxus“, sagt Sarudzai Murambwi, eine
       Universitätsabsolventin und alleinerziehende Mutter auf dem größten Markt
       der Hauptstadt Harare, Mbare Musika. „Wir essen zum Frühstück Süßkartoffeln
       statt Brot. Die Experten sagen, das sei gesund.“
       
       Ihr Mann wanderte vor knapp sechs Jahren aus, als Langzeitherrscher Robert
       Mugabe vom Militär abgesetzt und durch den heutigen Präsidenten Emmerson
       Mnangagwa ersetzt wurde.
       
       ## Stadt und Land, Tag und Nacht
       
       Jetzt zieht Murambwi zwei Kinder alleine groß. „Ich habe keine Arbeit und
       kein Geld für meine 16-jährige Tochter auf der Oberschule. Mein Mann ist
       einfach nach Kanada abgehauen und ist keine Hilfe. Für mich und meine
       Kinder ist das Leben hart. Voriges Jahr versprach die Regierung kostenlose
       Schulbildung, aber das hat sich als Lüge herausgestellt.“ Und wen wird sie
       wählen? „Das ist mein Geheimnis. Aber ich brauche Veränderung.“
       
       Simbabwes Städte sind Hochburgen der Opposition gegen die regierende
       ZANU/PF (Zimbabwe African National Union/Patriotic Front), die ehemalige
       Befreiungsbewegung, die Simbabwe seit der Unabhängigkeit 1980 regiert.
       Während ZANU/PF sich auf die ländlichen Gebiete stützen kann, dominiert in
       diesem Wahlkampf in den Städten das Oppositionsbündnis CCC (Citizens
       Coalition for Change), das das Wort „Veränderung“ im Namen trägt.
       
       Auch Simangaliso Mlotshwa, die vor Kurzem aus Simbabwes zweitgrößter Stadt
       Bulawayo nach Harare gezogen ist, ist arbeitslos. „Ich dachte, in die
       Hauptstadt zu gehen würde mir Glück bringen, aber nichts hat sich
       verändert, außer dass ich in einer anderen Stadt bin“, sagt die studierte
       Kauffrau. „Ich finde keine Arbeit. Ich überlege, zurück aufs Dorf zu ziehen
       und zu lernen, wie man das Land bebaut. Wir haben zu viel gelitten.“
       
       ## Rekordernten in den Jahren 2022 und 2023
       
       [1][Harares Straßen sind voller Universitätsabsolventen ohne Arbeit],
       Einkommen und Perspektive. Es sind diejenigen, die es nicht geschafft
       haben, auszuwandern. Vor dem historischen Rufaro-Stadion, wo 1980 Simbabwes
       Unabhängigkeit nach einem langen, leidvollen Freiheitskampf gefeiert wurde,
       haben sich etwa 15 ehemaligen Studenten getroffen, um zu trinken und zu
       kiffen. „Was sollen wir sonst machen?“, fragt einer namens Tapiwa. „Es gibt
       kaum Arbeit.“
       
       Nicht alle sehen das so. „Ich höre so viele Städter, die sich täglich
       beschweren, wie teuer Brot und andere Dinge geworden sind“, meint Tafirei
       Murombedzi, ein auf dem Markt angetroffener Agrarhändler aus Chinhoyi.
       „Meine Frage an sie: Wieso weigern sie sich, Land zu besitzen wie wir?“
       
       Er verweist auf Rekordernten in den Jahren 2022 und 2023: Tabak, Zucker,
       Kaffee, Baumwolle, Weizen, Sojabohnen, Tee, Bohnen, Nüsse. „Wir sind das
       einzige Land auf dem gesamten afrikanischen Kontinent, das genug Weizen für
       den Eigenbedarf hat“, lobt er. „Der Rest Afrikas schaut auf Russland und
       die Ukraine für ihr Getreide. Also wieso soll ich mir von Leuten in Harare
       und Bulawayo Unsinn anhören, die mir sagen, ich muss gegen die ZANU/PF
       stimmen, die uns Land und Kapital gegeben hat?“
       
       ## Lob für die Landreform
       
       Die Landreformen, mittels derer die einst dominanten weißen
       Großgrundbesitzer enteignet wurden, findet er gut. Sie begannen mit
       illegalen Farmbesetzungen durch Veteranen des Befreiungskrieges, aber der
       Mugabe-Regierung wurde vorgeworfen, nach der staatlichen Inbesitznahme
       dieser Farmen das Land ungleich verteilt zu haben.
       
       „Wir freuen uns über die Landreform, die uns Land gegeben hat“, sagt
       Murombedzi und gibt die offizielle Linie wieder: „Wir wissen, dass das Leid
       in Simbabwe das Ergebnis illegaler Sanktionen ist, die die USA und ihre
       westlichen Verbündeten dem Land aufgezwungen haben, um einen Regimewechsel
       herbeizuführen.“ Die westlichen Länder verhängten einst gegen Angehörige
       der Mugabe-Regierung Sanktionen wegen der schlechten Menschenrechtslage in
       Simbabwe.
       
       Als Mnangagwa, ehemaliger Geheimdienstchef unter Mugabe, Ende 2017
       Präsident wurde, schien sich eine Verbesserung der Beziehungen anzubahnen.
       Doch Kritiker sagen, die Menschenrechtslage habe sich weiter
       verschlechtert. Sollte die Wahl am Mittwoch ähnlich wie frühere Wahlen
       unter Mugabe unglaubwürdig sein, dürfte es verschärfte Sanktionen geben.
       
       ## Wirtschaftswachstum von 5,3 Prozent
       
       Die [2][Wirtschaft entwickelt sich gut, sagen Analysten]. Dieses Jahr wird
       ein Wachstum von 5,3 Prozent erwartet, auf Grundlage guter Ernten und einer
       Überwindung der Energiekrise.
       
       Die Modernisierung und Erweiterung des Kohlekraftwerks Hwange in der
       Provinz Matabeleland North erweiterte die Stromkapazität von 1.520 MW um
       weitere 600 MW. Auch der Staudamm Kariba mit einer Kapazität von 1.050 MW
       liefert reichlich Strom aus Wasserkraft. Simbabwe braucht 2.240 MW Strom
       für den privaten, industriellen und landwirtschaftlichen Verbrauch. Es gibt
       Bemühungen zum Ausbau der Solarenergie.
       
       Doch die Inflationsrate erreichte im Juni mit 175,8 Prozent einen
       Höchststand, bevor sie im Juli auf immer noch sehr hohe 101,3 Prozent
       zurückging. Sie soll im Laufe des Jahres weiter sinken, sagte
       Zentralbankchef John Mangudya.
       
       ## Präsident verspricht sauberen Wahlen
       
       Präsident Mnangagwa rechnet fest mit seiner Wiederwahl. „Der Sieg ist
       sicher“, sagt er der taz und verspricht saubere Wahlen. „Wir haben
       Beobachter von SADC (Southern African Development Community), AU
       (Afrikanische Union) und weiter weg eingeladen. Beobachter, kommt bitte
       ohne Vorurteile, wir sind ein friedliches Volk.“ Er fügt an: „Das Volk von
       Simbabwe will freie, faire, transparente und friedliche Wahlen, keine
       internationale Gemeinschaft oder fremde Mächte. Es ist Unsinn, wenn jemand
       mit vorgefertigten Ergebnissen ankommt. Wir Simbabwer sind diejenigen, die
       freie, faire und friedliche Wahlen wollen.“
       
       Sein Hauptgegner, CCC-Anführer Nelson Chamisa, rechnet seinerseits
       ebenfalls mit dem Wahlsieg – und fürchtet, dass ZANU/PF die Wahlen fälschen
       wird, wie es in der Vergangenheit vorgeworfen wurde. Er konzentriert sich
       nun darauf, die Wahlen genau zu beobachten. „Wir haben sichergestellt, dass
       es in jedem der 12.374 Wahllokale einen Beobachter gibt“, sagt er der taz.
       
       Die unabhängige Economist Intelligence Unit prognostiziert einen
       ZANU/PF-Wahlsieg, der aber auf das Agieren der staatlichen Behörden
       zurückzuführen sein wird. „Wir erwarten, dass ZANU/PF die [3][Macht behält,
       indem staatliche Ressourcen eingesetzt werden], um Unterstützung zu
       kaufen“, schreiben die Analysten. „Staatliche Institutionen werden
       weiterhin Mitglieder der CCC-Opposition unterdrücken.“ Zumal werde das
       Wirtschaftswachstum wegen „erratischer Politik“ wieder zurückgehen.
       
       So hält Afrika nun den Atem an, denn Simbabwe ist ein Land mit einer
       Geschichte umstrittener Wahlen, deren Ergebnis – bisher immer ein Sieg der
       Regierungspartei – jedes Mal Flüchtlingsströme in die Nachbarländer
       produziert hat.
       
       23 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Politischer-Roman-von-NoViolet-Bulawayo/!5925679
   DIR [2] /Irans-Praesident-besucht-Afrika/!5943827
   DIR [3] /Simbabwe-geht-gegen-Opposition-vor/!5932358
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Savious Kwinika
       
       ## TAGS
       
   DIR Simbabwe
   DIR Präsidentschaftswahl
   DIR Militär
   DIR Wirtschaft
   DIR ZANU-PF
   DIR Emmerson Mnangagwa
   DIR Simbabwe
   DIR Emmerson Mnangagwa
   DIR Simbabwe
   DIR Simbabwe
   DIR Simbabwe
   DIR Simbabwe
   DIR Literatur
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Nach den Wahlen in Simbabwe: Mnangagwa vor stürmischen Zeiten
       
       Simbabwes Opposition lehnt den amtlich verkündeten Wahlsieg von Präsident
       Mnangagwa ab. Wie es im Land jetzt weitergeht, ist völlig offen.
       
   DIR Kritik an den Wahlen in Simbabwe: Ein glanzloser Sieg
       
       Die Wahlkommission erklärt Emmerson Mnangagwa zum Sieger der ersten Runde.
       Beobachter übten Kritik. Jetzt sind Simbabwes Regierende beleidigt.
       
   DIR Wahlen in Simbabwe: Ergebnis muss geprüft werden
       
       Amtsinhaber Mnangagwa hat die chaotischen Präsidentschaftswahlen in
       Simbabwe mit 53 Prozent der Stimmen gewonnen. Die Opposition meldet Zweifel
       an.
       
   DIR Wahlchaos in Simbabwe: Die ganze Nacht Schlange stehen
       
       Die Wahlen in Simbabwe werden um einen Tag verlängert. Viele Menschen
       konnten zunächst keine Stimme abgeben. Regierungsgegner sind wütend.
       
   DIR Kurz vor den Wahlen in Simbabwe: Patriotismus als Pflicht
       
       Wer in Simbabwe „nationale Interessen“ schädigt, macht sich nun strafbar.
       So sorgt die Regierung für einen linientreuen Wahlkampf.
       
   DIR Simbabwe geht gegen Opposition vor: Haft für Regimekritiker
       
       Wer Protest gegen die Regierung von Simbabwes Präsident Mnangagwa
       organisiert, lebt gefährlich. Dies gilt vor allem im Wahljahr 2023.
       
   DIR Politischer Roman von NoViolet Bulawayo: Die Verkommenheit mächtiger Tiere
       
       Die Autorin NoViolet Bulawayo aktualisiert George Orwells „Farm der Tiere“.
       Ihr Roman „Glory“ ist eine politische Parabel über Simbabwe.