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       # taz.de -- „Barbie“ und der Feminismus in China: Hitzige Debatten dank „Barbie“
       
       > Viele Chinesinnen feiern den Film „Barbie“ wegen seiner feministischen
       > Untertöne. Das Thema kommt sonst im öffentlichen Diskurs nur selten vor.
       
   IMG Bild: Auch bei Chinesinnen ist „Barbie“ höchst beliebt
       
       Dass sich „Barbie“ ausgerechnet in China zum Geheimtipp entwickeln würde,
       ist eine durchaus erstaunliche Entwicklung. Denn der Hollywoodstreifen hat
       in vielen asiatischen Ländern keinen wirklichen Nerv getroffen. Zu typisch
       amerikanisch, lautet ein gängiger Vorwurf. In der Volksrepublik hingegen
       hat sich eine regelrechte Fangemeinde um den Film gebildet.
       
       „Ganz abgesehen von der Handlung bringt der Film in jedem Fall die Menschen
       dazu, dem Thema Feminismus mehr Aufmerksamkeit zu schenken“, bringt es eine
       Userin auf der Online-Plattform Weibo auf den Punkt: „Jedes Mädchen muss
       zuerst sich selbst lieben, sollte keine Angst vor dem Gerede anderer haben
       und das Leben verfolgen, das es will“.
       
       Natürlich: Ein [1][klassischer Blockbuster ist „Barbie“] im Reich der Mitte
       nicht geworden. Das Einspielergebnis an den Kinokassen liegt bei
       umgerechnet etwas über 30 Millionen Euro, ein bestenfalls solides Resultat
       für den zweitgrößten Filmmarkt der Welt. Bedenkt man jedoch, dass bei dem
       derzeit antiwestlichen Klima fast ausschließlich patriotische, männliche
       Heldenepen auf Chinas Leinwänden laufen, während nur mehr wenige US-Filme
       überhaupt eine Lizenz von den Zensoren erhalten, dann ist der bescheidene
       Erfolg von „Barbie“ dennoch beachtlich.
       
       ## 8,3 von 10 Punkten
       
       Und diejenigen, die den Streifen gesehen haben, scheinen ihn
       überdurchschnittlich zu mögen: Auf „Douban“, der chinesischen
       Online-Filmdatenbank, hat „Barbie“ bei den Bewertungen der Internetgemeinde
       stolze 8,3 von 10 Punkten erhalten. Knapp 200.000 Userinnen und User haben
       zudem eine schriftliche Rezension über den Film abgegeben, die absolute
       Mehrheit davon durchweg positiv.
       
       In einem Posting, das über zwei Millionen Mal geteilt wurde, beschreibt
       eine Chinesin den Film als idealen Lackmustest fürs Dating: Wenn der
       potenzielle Partner die Themen des Films zumindest zur Hälfte versteht und
       interessant findet, dann handele es sich offensichtlich um einen Mann mit
       „normalen Werten und stabilen Gefühlen“. Falls er jedoch gegen „Barbie“
       herzieht und lästert, dann fiele er in die Kategorie „Chauvinist“.
       
       Wenig überraschend löste das Posting eine hitzige Debatte aus, die schon
       bald in gegenseitigen Beleidigungen ausartete und den tiefen Riss zwischen
       den Geschlechtern verdeutlichte. Doch dass feministische Themen überhaupt
       öffentlich debattiert werden, ist bereits eine erstaunliche Entwicklung.
       Denn allzu oft schoben die Zensoren in den letzten Jahren den Riegel vor,
       wenn es auf den sozialen Medien um Frauenrechte ging. Und in den
       klassischen Staatsmedien kommt das Thema ebenfalls fast nicht vor.
       
       ## Ambivalentes Verhältnis zum Thema Feminismus
       
       Die Parteiführung hegt zweifelsohne ein überaus ambivalentes Verhältnis zum
       Thema Feminismus. Zwar hatte bereits Staatsgründer Mao Tse-tung die Bildung
       von Frauen und ihre gesellschaftliche Stellung maßgeblich vorangetrieben,
       doch insbesondere der amtierende Machthaber propagiert wieder
       ausschließlich klassische Genderrollen.
       
       Vor allem aber hat der Staat in den vergangenen Jahren fast alle außerhalb
       der Partei bestehenden Frauenorganisationen aufgelöst. Viele Aktivistinnen,
       etwa innerhalb der [2][#MeToo-Bewegung], wurden gar zu langen Haftstrafen
       verurteilt. Zu sehr hat die Partei Angst, dass junge Menschen politische
       Rechte einfordern.
       
       Doch die Ungleichbehandlung von Frauen ist natürlich auch in China höchst
       relevant. Die meisten Chinesinnen, insbesondere aus den ländlichen
       Provinzen, bekommen bereits als Kleinkinder mit, dass die meisten Eltern
       Söhne bevorzugen. Und auch in der Arbeitswelt werden stets Männer
       bevorzugt: In den Führungsetagen sind sie überproportional vertreten, und
       beim siebenköpfigen Ständigen Ausschuss des KP-Politbüros – dem obersten
       politischen Gremium – ist derzeit keine einzige Frau vertreten.
       
       22 Aug 2023
       
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       ## AUTOREN
       
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