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       # taz.de -- Nationalfeiertag in der Ukraine: Verschieden, aber vereint
       
       > Der Unabhängigkeitstag erinnert an den Freiheitsdrang des Landes. Die
       > internationale Gemeinschaft muss nun Selenskis Friedensplan unterstützen.
       
   IMG Bild: Aufräumarbeiten in der Verklärungskathedrale in Odessa im Juli nach einem russischen Raketenangriff
       
       Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist ein tragisches und
       langwieriges Kapitel der modernen Geschichte. Ich werde nie die
       Sonnenstrahlen vergessen, die einst [1][den Altar der Kathedrale von Odessa
       erhellten – den vor Kurzem eine russische Rakete zerstört hat]. Menschen
       verschiedener Glaubensrichtungen und Herkunft beseitigten die Trümmer
       gemeinsam, denn das ist das Ethos unseres Landes seit Anbeginn der Zeit:
       Wir sind verschieden, aber wir sind vereint.
       
       Odessa, eine Stadt mit über 130 Nationalitäten, ist die Schwesterstadt von
       Dschidda, Genua, Liverpool, Marseille, Istanbul, Haifa, Danzig, Eriwan,
       Chisinau, Qingdao und Vancouver. Einer Schwester würde man nicht einmal die
       Vorstellung zumuten wollen, diesen Schrecken ausgesetzt zu sein. Aber wir
       leben in dieser Realität, und die Angriffe richten sich nicht nur gegen
       unsere Häfen, sondern gegen die ganze Welt.
       
       Letztlich wurden eine Viertelmillion Tonnen [2][Getreide, die für den
       Export bestimmt waren], vernichtet. Die Welt hat diesen Schlag bereits zu
       spüren bekommen, denn die Weizenpreise steigen weltweit.
       
       Das Streben der Ukraine nach Frieden ist keine einsame Angelegenheit, es
       ist eine Symphonie aus Mut, Widerstandsfähigkeit und dem festen Glauben an
       Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität. Die Ukrainerinnen
       und Ukrainer stehen wie alle anderen Nationen zu diesen Werten, bei denen
       es keine Kompromisse gibt. Wir in der Ukraine kämpfen und sterben für diese
       gemeinsamen Werte. Im Kern sind wir alle durch unseren angeborenen Wunsch
       nach Freiheit verbunden.
       
       ## Eine sichere Zukunft für die Ukraine und die Welt
       
       Die internationale Gemeinschaft ist sich bewusst, dass der Krieg, der
       derzeit in der Ukraine tobt, nicht nur Auswirkungen auf die Ukraine,
       sondern auch auf die globale Sicherheit, den Wohlstand und die Umwelt hat.
       Länder auf der ganzen Welt müssen Russlands Handlungen als das begreifen,
       was sie sind – illegal und zerstörerisch – und sich darauf konzentrieren,
       einen nachhaltigen Frieden zu schaffen.
       
       Russlands Drohungen mit dem Einsatz von Nuklearwaffen gegen einen Staat,
       der nicht im Besitz solcher Waffen ist, die Gefährdung von Atomkraftwerken,
       der Energiesicherheit, die enormen Umweltschäden, die Misshandlung und
       Folter von gefangenen Militärangehörigen und Zivilisten und die
       massenhaften Zwangsdeportationen sind Beweise für die abscheulichen
       Kriegsverbrechen, die uns angetan werden. Russland verursacht eine
       humanitäre Katastrophe, in deren Zentrum die Ukraine steht.
       
       Wir sind entschlossen, den Aggressor zu besiegen und unser Land von den
       Invasoren zu befreien. Während unserer [3][Gegenoffensive] haben wir
       bereits mehr als 270 Quadratkilometer unseres Territoriums befreit. Aber
       wir sind auch entschlossen, eine sicherere Zukunft für die Ukraine und die
       Welt zu schaffen.
       
       ## Entscheidend ist nicht das Schlachtfeld allein
       
       Wir haben einen Plan, der auf alle Bedrohungen durch die russische
       Aggression reagiert, und wir haben gleichgesinnte Freunde. Präsident
       Wolodimir Selenski schlug seine sogenannte Friedensformel auf dem G7-Gipfel
       im November des vergangenen Jahres vor. Seitdem haben sich andere Länder,
       die die Unabhängigkeit, territoriale Integrität und Souveränität der
       Ukraine respektieren, der Initiative angeschlossen, um sie umzusetzen.
       
       Der zehnstufige Friedensplan steht für internationale Sicherheit, Schutz
       und Gerechtigkeit. Er basiert auf den Grundprinzipien des Völkerrechts und
       der Charta der Vereinten Nationen. Die Ukraine steht gemeinsam mit der
       internationalen Gemeinschaft für die Einhaltung dieser Grundregeln des
       globalen Zusammenlebens ein.
       
       Wir kämpfen, aber wir wissen, dass Sieg und Frieden nicht allein auf dem
       Schlachtfeld errungen werden können. Zusammenarbeit und kollektive
       Anstrengungen sind die wichtigsten Zutaten für den Erfolg des
       Friedensplans. Deshalb haben wir ein Modell mit drei Phasen entwickelt, um
       sicherzustellen, dass der Plan auf internationaler Ebene funktioniert.
       
       ## Jeder Staat kann eine tragende Rolle spielen
       
       Ob es um nukleare Sicherheit, Ernährungssicherheit oder die Unterstützung
       der Ukraine bei der Rückholung Tausender von Russland entführter Kinder
       geht, jeder Staat kann entsprechend seiner Möglichkeiten und Interessen
       eine tragende Rolle spielen.
       
       Die erste Phase umfasst Beratungen mit den Botschaftern der teilnehmenden
       Länder in der Ukraine. In der zweiten Phase finden Treffen mit den
       nationalen Sicherheitsberatern statt, um die optimalen Mechanismen für die
       Umsetzung festzulegen und Empfehlungen für die Regierungen der jeweiligen
       Staaten zu erarbeiten. Die dritte und letzte Phase ist die Ausführung des
       gemeinsamen Plans durch die Staats- und Regierungschefs.
       
       Engagierte und mutige Staatsoberhäupter können Geschichte schreiben. Der
       Weltfriedensgipfel im Herbst soll das Fundament für gemeinsame
       internationale Anstrengungen zur Beendigung des Krieges unter gerechten
       Bedingungen werden. Das ist der einzig richtige Weg, der Arroganz und
       Erpressung des Aggressors zu begegnen.
       
       ## Die Isolation Russlands nimmt zu
       
       Am [4][Treffen der Sicherheitsberater Anfang August im saudischen Dschidda]
       nahmen Vertreter aus mehr als 40 Ländern teil, dreimal so viele wie bei der
       vorangegangenen Konferenz in Kopenhagen. Beim jüngsten Treffen in Kyjiw
       kamen 58 Botschafter zusammen, um die Ergebnisse von Dschidda und die
       weitere Umsetzung des Friedensplans zu erörtern. Die Unterstützung für das
       Vorhaben nimmt zu, ebenso wie die Isolation Russlands.
       
       Wir sprechen dabei nicht nur über das Ende des Krieges. Wir reden auch über
       die Zukunft. Das ukrainische Volk wird niemals diejenigen vergessen, die
       die ganze Zeit an seiner Seite standen: diejenigen, die die Ukraine in
       ihrem gerechten Kampf um Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale
       Integrität unterstützt haben.
       
       Die menschlichen Kosten dieses Konflikts können kaum überschätzt werden:
       Unzählige Menschen haben ihr Leben verloren, Abertausende wurden
       vertrieben, die Wirtschaft ist zerstört. Vor diesem düsteren Hintergrund
       erscheint unsere Friedensformel als einziger Leuchtturm der Hoffnung und
       Zuversicht.
       
       24 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Angriff-auf-Odessa/!5946120
   DIR [2] /Ende-des-Getreideabkommens/!5944127
   DIR [3] /18-Monate-Krieg-in-der-Ukraine/!5955733
   DIR [4] /Ukraine-Konferenz-in-Saudi-Arabien/!5949056
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andrij Jermak
       
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