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       # taz.de -- Nach Übergriff beim WM-Finale: Der Macho und die Frauen
       
       > Der übergriffige Kuss von Rubiales sorgt noch immer für Wirbel. Die
       > Reaktionen zeigen: Spaniens Gesellschaft ist weiter als viele ihrer
       > Vertreter.
       
   IMG Bild: Jenni Hermoso und die ungute Begegnung mit dem Verbandspräsidenten Luis Rubiales bei der Siegerehrung
       
       Madrid taz | Keine Feier ohne Macho. So auch jetzt, als die spanische
       Fußballnationalmannschaft der Frauen am vergangenen Sonntag im
       australischen Sidney den Titel holte. Der Präsident des Königlichen
       Spanischen Fußballverbandes, Luis Rubiales, „herzte“ – so eine deutsche
       Presseagentur – die Spielerinnen der siegreichen Elf bei der Übergabe des
       Pokals.
       
       Herzlich freilich sieht anders aus. [1][Rubiales nahm das Gesicht der
       Torschützenkönigin Jenni Hermoso zwischen die Hände] und drückte der
       offensiven Mittelfeldspielerin einen langen, intensiven Kuss auf. Und nicht
       nur das: Ein Video zeigt Rubiales während des Spieles zusammen mit der
       spanischen Königin auf der Tribüne. Bei besonders guten Spielzügen der
       Mannschaft griff er sich mit der einen Hand ans Gemächt, die andere riss er
       verzückt nach oben. Rubiales weiß, wie ein echter Mann feiert.
       
       „Hat mir nicht gefallen“, sagte die Betroffene Hermoso kurz nach dem
       erzwungenen Kuss. Erste Kritik wurde vor allem in den sozialen Netzwerken
       laut.
       
       Rubiales freilich wollte davon nichts wissen. Eine „Geste zwischen
       Freunden“ sei das gewesen, „Schwachköpfe“ und „unfähig zu feiern“
       diejenigen, die ihn kritisierten. Darunter der spanische Sportminister
       Miguel Iceta, die Gleichstellungsministerin Irene Montero und selbst
       Regierungschef Pedro Sánchez. Die spanische Sportpresse nahm Rubiales in
       Schutz. Auch beim Titelgewinn der Herren 2010 habe es einen Kuss gegeben,
       ohne Skandal. Der allerdings war zwischen dem Torhüter und einer
       Reporterin. Die beiden waren ein Paar und standen kurz vor der Hochzeit.
       
       ## Nichts zu lachen
       
       Nur kurz nach dem Kuss eröffnete Rubiales den Spielerinnen, dass der
       Verband sie zu einer Reise auf die Baleareninsel Ibiza einladen würde. Als
       Dank für die guten sportlichen Leistungen. „Dort feiern wir dann die
       Hochzeit von Jenni und Rubiales“, versuchte er sich an einem Scherz. Die
       Spielerinnen konnten nicht darüber lachen. Doch damit nicht genug. Der
       Verband veröffentlichte eine Erklärung von Jenni Hermoso, in der sie auch
       von einer Geste zweier Freunde redete. Der „Präsi ist ein Zehn-Punkte-Typ“,
       hieß es. Doch jetzt ist klar: Die Erklärungen waren gefälscht, Hermoso
       hatte sie nie getätigt.
       
       Es regnet auf nassen Boden, wie die Spanier sagen. Denn bereits einige
       Monate vor der WM in Australien und Neuseeland waren [2][Stimmen in der
       Frauennationalmannschaft gegen „machistisches Verhalten“] der
       Verantwortlichen des Verbands und des technischen Stabs laut geworden. Die
       Hälfte der Mannschaft legte das rote Trikot nieder. Die jetzt siegreiche
       Elf wurde in aller Eile zusammengestellt.
       
       Fußball ist in Spanien so populär wie in nur wenigen Ländern. Frauenfußball
       jedoch ist es nicht. Keiner der Privatsender wollte die WM aus Ozeanien
       übertragen. Schließlich schlossen sich einige öffentliche Sender zusammen
       und brachten zumindest einige Spiele in heimische Wohnzimmer und
       Eckkneipen. Während bei den Männern König Felipe VI. bei wichtigen Spielen
       auf der Tribüne sitzt, war es beim Endspiel nur die Königin Letizia, die
       bei den Spielerinnen alles andere als beliebt ist. Denn beim Pokalendspiel
       der Frauenmannschaften, dem Pokal der Königin, vergleichbar mit dem Pokal
       des Königs bei den Männern, ließ sich Letizia bisher nicht blicken.
       
       Mittlerweile hat die betroffene Spielerin die Spielergewerkschaft
       aufgefordert, nichts unversucht zu lassen, damit Rubiales sanktioniert
       wird. Es riecht nach Rücktritt im Verband. Am Freitag trifft sich die
       Generalversammlung der regionalen Vertreter zu einer Dringlichkeitssitzung.
       Rubiales dürfte kaum noch zu halten sein. Nun hat auch die
       FIFA-Disziplinarkommission ein Verfahren gegen ihn eingeleitet.
       
       Es ist traurig, dass dies ausgerechnet im Land des [3][„Nur Ja ist
       Ja“-Gesetzes] passiert, das sexuelle Handlungen unter Strafe stellt, die
       nicht in beiderseitigem Einvernehmen stattfinden. Die Reaktion auf den Kuss
       beweist: Spaniens Gesellschaft ist – nicht zuletzt dank einer starken
       Frauenbewegung – weiter als viele ihrer Vertreter.
       
       24 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Reiner Wandler
       
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