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       # taz.de -- Englisch in der Ukraine: No Ukrainian, please
       
       > Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski möchte, dass seine
       > Bevölkerung besser Englisch spricht. Kinofilme sollen aber weiterhin
       > übersetzt werden.
       
   IMG Bild: Auch in der Filmszene unterwegs: Wolodimir Selenski, zugeschaltet bei den Filmfestspielen in Cannes
       
       LUZK taz | Die ukrainische Filmübersetzerindustrie kann aufatmen. In Kinos
       und im Fernsehen werden englischsprachige Filme auch zukünftig auf
       Ukrainisch gezeigt. Eine Verpflichtung, wonach zum Beispiel Streifen aus
       den USA ohne entsprechende Synchronisation oder gar in Originalsprache
       laufen sollten, zog die Regierung von Präsident Wolodomir Selenski in der
       vergangenen Woche zurück. Zuvor hatte das ukrainische Parlament heftige
       Kritik an dem Vorhaben geäußert. Laut der Abgeordneten Jewgenija Krawtschuk
       habe es viele Fragen zum Schutz der ukrainischen Sprache gegeben.
       
       Die Initiative war Teil eines Gesetzentwurfes, den Selenski Ende Juni dem
       Parlament zur Prüfung vorlegen ließ. Laut diesem soll der Gebrauch der
       englischen Sprache in der Ukraine ausgeweitet werden. Die Logik von
       Selenski dahinter: Die Ukraine habe den [1][Status eines
       EU-Beitrittskandidaten,] daher müssten existierende Sprachbarrieren
       überwunden werden.
       
       Er stieß damit auf gehörigen Unmut in der Filmszene. Oksana Chwalewa,
       Direktorin des Lwiwer Kino-Netzwerkes „Planeta Kino“ sagte, dass diese
       Entscheidung nicht nur die ukrainische Synchronindustrie zerstören, sondern
       auch zu sinkenden Zuschauerzahlen in den Kinosälen führen würde.
       
       „Bei einem 3D-Film können Untertitel nicht gelesen werden. Die
       Unmöglichkeit, Filme auf Ukrainisch zu sehen, wird vor allem Familien von
       einem Kinobesuch abhalten. Ein vierjähriges Kind, das kein Englisch
       versteht, wird sich langweilen. Und älteres Publikum wird abgeschreckt,
       weil an sowjetischen Schulen nicht gut Englisch unterrichtet wurde“, sagt
       Chwalewa.
       
       ## Russische Sprache würde gestärkt werden
       
       Für sie bringt Englisch im Kino noch ein weiteres Problem mit sich: die
       Stärkung [2][der russischen Sprache]. Wenn in den Kinos keine
       Zeichentrickfilme mehr auf Ukrainisch liefen, würden Eltern im Internet
       nach Raubkopien suchen. Und davon seien viele auf Russisch.
       
       Dem ukrainischen Wissenschaftler, Übersetzer und Schriftsteller Maxim
       Stricha zufolge ist es eine Sache, von einer Person zu verlangen, bei der
       Arbeit auf Englisch zu kommunizieren. Etwas ganz anderes hingegen sei es,
       jemanden zu verpflichten, ein beliebtes Kulturprodukt in einer Fremdsprache
       zu konsumieren. „Im emotionalen Bereich gibt es Dinge, die man am besten in
       der Muttersprache wahrnimmt.“
       
       Auch mit den anderen Teilen des Sprachgesetzes möchte sich das ukrainische
       Parlament noch beschäftigen. Stimmt eine Mehrheit der Abgeordneten dafür,
       wären eine große Zahl von Spitzenbeamten, Chefs staatlicher Unternehmen,
       Armeeoffizieren, Staatsanwälten sowie alle Polizisten dazu verpflichtet,
       gutes Englisch zu sprechen.
       
       Für sie soll in dem Fall eine kostenlose Prüfung eingeführt und ab einem
       Kenntnisstand [3][auf dem Niveau B2] eine Gehaltserhöhung von zehn Prozent
       gezahlt werden. Der Staat würde die Kosten für anfallende Sprachkurse
       übernehmen.
       
       ## Englisch als Hauptfach
       
       In medizinischen Einrichtungen, auf Bahnhöfen und auf Flughäfen soll für
       Ausländer ebenfalls eine klare Kommunikation auf Englisch möglich sein. In
       Schulen würde Englisch zukünftig verpflichtend als erste oder zweite
       Fremdsprache gelten. Fürderhin müssten Informationen in Museen und Websites
       von Bildungseinrichtungen auf Englisch vorliegen. Man könnte also sagen:
       Nur im Kino nicht Neues.
       
       Aus dem Russischen: Barbara Oertel
       
       26 Jul 2023
       
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