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       # taz.de -- Nach dem Militärputsch in Niger: Appell des gestürzten Präsidenten
       
       > Nigers entmachteter Präsident Bazoum ruft die Weltgemeinschaft auf, den
       > Putsch nicht zu akzeptieren. Ecowas ringt vergeblich um eine
       > diplomatische Lösung.
       
   IMG Bild: Da war er noch nicht in der Hand von Putschisten: Nigers gewählter Präsident Bazoum im April 2022
       
       Washington/Niamey/Wunstorf dpa/afp | Gut eine Woche nach dem Staatsstreich
       in Niger hat der festgesetzte Präsident des westafrikanischen Landes,
       Mohamed Bazoum, einen dringenden Appell an die Weltgemeinschaft gerichtet,
       die „letzte Bastion des Respekts für Menschenrechte“ im Sahel zu retten.
       „Dieser versuchte Putsch ist eine Tragödie für Nigrer, doch sein Erfolg
       hätte verheerende Folgen weit über unsere Grenzen hinaus“, warnte Bazoum in
       einem am Donnerstag (Ortszeit) online veröffentlichten [1][Gastbeitrag für
       die Washington Post].
       
       Der demokratisch gewählte Bazoum war vergangene Woche in Niger von
       Offizieren der Präsidialgarde festgesetzt und für entmachtet erklärt
       worden. Der Kommandeur der Eliteeinheit, General [2][Abdourahamane
       Tchiani], ernannte sich im Anschluss zum neuen Machthaber. Kurz darauf
       setzten die Putschisten die Verfassung außer Kraft und lösten alle
       verfassungsmäßigen Institutionen auf. Nach Militärputschen in Mali und
       Burkina Faso seit 2020 war Niger das letzte der drei Nachbarländer in der
       Sahelzone, das von einer demokratisch gewählten Regierung geführt wurde.
       
       Er schreibe als Geisel, so Bazoum in der Washington Post. „Niger wird von
       einer Militärjunta angegriffen, die versucht, unsere Demokratie
       umzustürzen, und ich bin nur einer von Hunderten Bürgern, die willkürlich
       und illegal eingesperrt worden sind“, schrieb der Präsident. Der
       Staatsstreich gegen seine Regierung habe keinerlei Rechtfertigung. Sollte
       er gelingen, werde er Folgen für die gesamte Welt haben.
       
       Seine Regierung sei 2021 in demokratischen Wahlen an die Macht gekommen,
       schrieb Bazoum. Jeder Versuch, eine rechtmäßige Regierung zu stürzen, müsse
       gestoppt werden. Er schätze die klare Verurteilung „dieses zynischen
       Versuchs, den bemerkenswerten Fortschritt zu untergraben, den Niger als
       Demokratie gemacht habe.“ Die Vereinigten Staaten, die Afrikanische und die
       Europäische Union sowie die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas
       hätten sich alle laut und deutlich dazu geäußert.
       
       In dieser Notlage rufe er nun die US-Regierung und die gesamte
       Weltgemeinschaft dazu auf, seinem Land bei der Wiederherstellung der
       verfassungsmäßigen Ordnung zu helfen, schrieb Bazoum weiter. Nur durch die
       Verteidigung gemeinsamer Werte wie Demokratie und Respekt für die
       Rechtsstaatlichkeit könne es Fortschritte im Kampf gegen Armut und Terror
       geben. Sein Land befinde sich an einem Wendepunkt seiner Geschichte.
       
       ## Ecowas-Delegation nach Niger gereist
       
       Der Konflikt in Niger könnte weiter eskalieren. Die Ecowas hatte den
       Putschisten ein [3][Ultimatum] gestellt. Sollte Präsident Bazoum nicht bis
       Sonntag wieder eingesetzt werden, werde Ecowas Maßnahmen ergreifen, die
       Sanktionen und auch Gewalt umfassen könnten, hieß es.
       
       Um kurz vor Ablauf des Ultimatums am Sonntag noch eine einvernehmliche
       Lösung zu suchen, war am Donnerstag abend eine Ecowas-Delegation nach Niger
       gereist. Nigerias Staatschef Bola Tinubu rief zuvor dem Präsidialamt
       zufolge dazu auf, „alles Nötige zu tun, um eine endgültige und
       einvernehmliche Lösung der Situation in Niger zu gewährleisten“. Geleitet
       wurde die Delegation vom früheren nigerianischen Staatschef Abdulsalami
       Abubakar.
       
       Allerdings befand sie sich schon wenige Stunden später unverrichteter Dinge
       wieder auf dem Rückweg, wie der französischsprachige Dienst der
       Nachrichtenagentur afp am Freitagmorgen meldete. Sie sei von keinem
       Mitglied der Militärjunta empfangen worden und unverrichteter Dinge wieder
       abgereist.
       
       Die Ecowas-Staaten waren angesichts der Situation im Niger zuvor zu einem
       Treffen in der nigerianischen Hauptstadt Abuja zusammengekommen, das bis
       Freitag dauern sollte. Dabei sprachen die Militärchefs über die Möglichkeit
       einer militärischen Intervention, sollten diplomatische Verhandlungen
       scheitern. Sie betonten, ein militärisches Eingreifen werde weiter als
       „letzte Option“ in Betracht gezogen.
       
       Nigers Militärjunta verkündete unterdessen die Beendigung der Mandate
       nigrischer Botschafter in vier Ländern. „Die Funktionen der
       außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter der Republik Niger“ in
       Frankreich, Nigeria, Togo und den USA „sind beendet“, sagte einer der
       Putschisten am Donnerstag in einer Fernsehansprache. Die Junta erklärte
       zudem, sofort auf jede „Aggression“ durch westafrikanische Länder zu
       reagieren.
       
       „Jede Aggression oder versuchte Aggression gegen den Staat Niger wird eine
       sofortige und unangekündigte Antwort der nigrischen Verteidigungs- und
       Sicherheitskräfte auf eines der Mitglieder (…) nach sich ziehen“, hieß es.
       Davon ausgenommen seien „befreundete Länder“, betonte der Putschist mit
       Blick auf die Nachbarländer Burkina Faso und Mali.
       
       ## Bundeswehr fliegt 30 Personen aus
       
       Im niedersächsischen Wunstorf landete unterdessen in der Nacht zum Freitag
       eine Bundeswehrmaschine mit rund 30 aus Niger ausgereisten Personen an Bord
       – ein Großteil davon wohl Bundeswehrsoldaten.
       
       Das Transportflugzeug vom Typ A400M habe sich bereits vor dem Militärputsch
       in dem westafrikanischen Land am Flughafen der Hauptstadt Niamey befunden,
       teilte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos am Donnerstagabend mit.
       Der Flieger sei mit einer Genehmigung der nigrischen Behörden gestartet.
       
       Die Bundeswehr betreibt einen Lufttransportstützpunkt in Niamey, der das
       zentrale Drehkreuz für die Bundeswehr in Westafrika und wichtig für den
       laufenden [4][Abzug aus dem benachbarten Mali] ist. Dort waren zuletzt mehr
       als 100 deutsche Soldaten stationiert.
       
       Die Bundesregierung hatte nach dem Staatsstreich vergangene Woche auf
       eigene Evakuierungsflüge verzichtet. Rund 60 deutsche Staatsangehörige
       wurden mit französischen Maschinen außer Landes gebracht.
       
       4 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.washingtonpost.com/opinions/2023/08/03/mohamed-bazoum-coup-niger-democracy/
   DIR [2] /Nigers-neuer-Militaermachthaber-Tchiani/!5951718
   DIR [3] /Ultimatum-gegen-Nigers-Putschisten/!5948156
   DIR [4] /UN-Truppen-in-Mali/!5941656
       
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