# taz.de -- Krise der Kinderbetreuung: Deutschlands Kita-Versagen
> Etwa 57 Prozent der Eltern sind mit Schließungen in Kitas konfrontiert.
> Der Deutsche Kitaverband fordert mehr Flexibilität für Träger.
IMG Bild: Vielleicht sind humanoide Roboter wie „Nao“ eine Lösung gegen Personalmangel in Kitas
Berlin taz | „Manchmal möchte ich morgens um neun Uhr meine Tochter in der
Kita abgeben und bekomme dann gesagt, dass sie heute doch nicht betreut
werden kann“, sagt Isabelle Wolpert. Die 34-jährige Berlinerin erlebt
regelmäßig, was [1][die Zahlen der Bertelsmann Stiftung] im Alltag
bedeuten: Bundesweit fehlen 362.400 Kitaplätze und etwa 98.600
Erzieher_innen.
„Bei uns in der Kita gibt es außerdem einen hohen Krankenstand“, erzählt
Wolpert. Wenn die Betreuung wieder mal nicht stattfindet, rufen sie oder
ihr Partner ihre Arbeitgeber an und erklären, dass das Kind heute zuhause
betreut werden müsse.
Wolpert ist damit nicht allein. Eine aktuelle [2][Befragung des
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts] der
Hans-Böckler-Stiftung (WSI) zeigt, dass in diesem Frühjahr etwa 57 Prozent
der Eltern mit Kitaschließungen oder kürzerer Betreuung konfrontiert
gewesen sind. 67 Prozent der Betroffenen empfinden die Situation als
belastend, 30 Prozent als sehr belastend.
Dabei springen vor allem Mütter ein, wenn die Fremdbetreuung nicht
gesichert ist: 63 Prozent der Väter in heterosexuellen Beziehungen gaben
an, ihre Partnerin sei bei der Betreuung eingesprungen. Bei den Müttern in
heterosexuellen Beziehungen gaben das lediglich 33 Prozent über ihren
Partner an.
## Eltern fürchten um ihre Jobs
Die Erfahrung von Wolpert ist, dass „einem als Mutter eher zugestanden
wird, dass man das eigene Kind betreuen muss“. Sie selbst hätten noch
Glück, so Wolpert. „Wir haben die Oma in Berlin und können es uns leisten,
in Teilzeit zu arbeiten. Andere Eltern in der Kita sagen schon, dass sie
bald ihren Job verlieren, wenn die Situation so weitergeht.“
Dass die Lage durch das nun in Kraft getretene Kita-Qualitätsgesetz
verbessert wird, bezweifelt eine Sprecherin des Deutschen Kitaverbands. Auf
Anfrage sagt sie der taz, dass „die Maßnahmen aus dem Kita-Qualitätsgesetz
in die richtige Richtung gehen, aber nicht ausreichen“. Der Deutsche
Kitaverband fordere „neue praxisorientierte und durchlässige Wege in den
Beruf und mehr Flexibilität für die Kita-Träger bei der Stellenbesetzung
ohne die Qualität der frühkindlichen Bildung in den Kitas aus den Augen zu
verlieren“.
## Gleiche Chancen für alle
In dieser Woche erst wurde der letzte der 16 für das Inkrafttreten des
Kita-Qualitätsgesetzes notwendigen Bund-Länder-Verträge unterzeichnet. Das
Gesetz soll Kindertagesbetreuung und der Kindertagespflege verbessern, den
Fokus wählen die Länder selbst. Hamburg beispielsweise gibt laut Bund
sämtliche Bundesmittel für einen besseren Betreuungsschlüssel im
Krippenbereich aus.
„Alle Kinder im Land, egal wo sie wohnen, egal wo die Eltern herkommen, ob
sie aus einem wohlhabenden oder aus einem armen Elternhaus kommen, sollen
die gleichen Chancen auf eine qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung
haben“, sagte Familienministerin Lisa Paus (Grüne) am Freitagmorgen.
Der Bund stellt den Ländern [3][mit dem neuen Gesetz] vier Milliarden Euro
für die Jahre 2023 und 2024 zur Verfügung. Diese geben die neu zur
Verfügung gestellten Mittel vor allem für eine Verbesserung der
Personalsituation aus. Dabei sollen knapp eine Milliarde in einen besseren
Betreuungsschlüssel und eine weitere knappe Milliarde in die Sicherung und
Anwerbung von Fachkräften fließen.
Mit dem Inkrafttreten des Kita-Qualitätsgesetz endet auch das
[4][Bundesprogramm für die Sprachkitas], in denen zusätzliche Fachkräfte
die Sprachentwicklung der Kinder unterstützen. Daran hatte es zuletzt
heftige Kritik von unter anderem Bundesrat, Erzieher_innen selbst und der
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gegeben. Laut
Familienministerium würden aber „die wesentlichen Strukturen des Programms
in den meisten Ländern aufrechterhalten“.
4 Aug 2023
## LINKS
DIR [1] /Studie-zu-Kita-Plaetzen/!5889710
DIR [2] https://www.wsi.de/de/pressemitteilungen-15991-kinderbetreuung-51190.htm
DIR [3] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/familie/kinderbetreuung/kita-qualitaetsgesetz
DIR [4] /Sprachfoerderung-in-Kitas/!5864015
## AUTOREN
DIR Nicole Opitz
## TAGS
DIR Kita-Qualitätsgesetz
DIR Kitaplätze
DIR Kita
DIR Care-Arbeit
DIR Kinderbetreuung
DIR Verdi
DIR Kitas
DIR Kita
DIR Kitas
DIR Kitas
DIR Fachkräftemangel
DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
DIR Schwerpunkt Flucht
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Kindergipfel der Berliner CDU-Fraktion: Fangen spielen im Abgeordnetenhaus
Berlins CDU veranstaltet im Landesparlament einen Gipfel mit Kita-Kindern,
um sich deren Wünsche anzuhören. Unterdessen wird vor dem Haus protestiert.
DIR Streikende Erzieher:innen bei Verdi: „Kita-Kleber“ wollen mehr Lohn
Erzieher:innen bei Verdi haben in Berlin eine „Mahnwache gegen den
Kita-Notstand“ abgehalten. Der nächste Warnstreik steht bevor.
DIR Ungleichheit in der Kita: Gebt der Zukunft einen Platz
Kinder migrantischer Eltern bekommen viel seltener einen Kita-Platz als
solche aus deutschen Familien. Das ist nicht nur unfair, sondern auch
unklug.
DIR Krise in den Kitas: Die Kraftreserven sind aufgebraucht
Kita-Fachkräfte wenden sich mit einer kollektiven Gefährdungsanzeige an den
Senat. Sie fordern die Verbesserung ihrer Arbeitsverhältnisse.
DIR Bedrohte Kita in Prenzlauer Berg: Erziehung braucht Räume
Als private Einrichtungen genießen Kinderläden wie „Im Känguru“ weniger
Mietschutz. Will ein Vermieter so eine Kita loswerden, erhöht er einfach
die Miete.
DIR Debatte über Dienstpflicht: Pflicht schließt keine Lücken
Statt junge Leute für Pflege und Kinderbetreuung zwangszuverpflichten,
sollte man lieber stärkere Anreize für Freiwilligenarbeit bieten.
DIR Geflüchtete aus der Ukraine: Mit Kitaplatz arbeitet sich’s besser
Rund 20 Prozent der geflüchteten Ukrainer*innen haben einen Job.
Barrieren sind Aufenthaltstitel, Sprache und Kinderbetreuung.
DIR Expertin über geflüchtete Erzieher_innen: „Seit Jahren brennt es schon“
Familienministerin Paus will geflüchtete Erzieher_innen besser fördern.
Delal Atmaca von DaMigra fordert eine bessere Ansprache im Jobcenter.