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       # taz.de -- Er hatte was zu sagen
       
       > Vor einem Jahr starb Hans-Christian Ströbele, Anwalt, Politiker – und
       > Gründer der taz. Unser Autor hat kurz vor seinem Tod mit ihm über die
       > ersten wilden Jahre der Zeitung gesprochen. Herausgekommen ist ein
       > historisches Zeugnis
       
   IMG Bild: Hans- Christian Ströbele auf einem taz-Fest, April 1994
       
       Vergeistigt wirkte Hans-Christian Ströbele im Sommer vergangenen Jahres,
       nach zehn Jahren mit zwei unheilbaren Krankheiten. Engelsweiß die langen
       Haare, die Haut dünn wie Pergament, aber die Stimme fest und fröhlich.
       Hinter dem massiven Schreibtisch seines Arbeitszimmers mit Blick auf die
       Spree, unter einem vier Meter hohen Regal gefüllt mit Aktenordnern, rollte
       er auf seinem Stuhl hin und her und sprach über die Politik und sein Leben
       – wobei das für ihn eigentlich dasselbe war.
       
       Im März 2022 hatte ich damit begonnen, ihn mindestens einmal im Monat zu
       besuchen und zu befragen. Über sein politisches Erwachen 1967 in
       West-Berlin, sein Leben als Anwalt, die Konsequenzen aus dem russischen
       Überfall auf die Ukraine und natürlich auch über die Gründung der taz.
       
       Denn kennengelernt hatte ich ihn Anfang 1978, mehr als ein Jahr bevor wir
       die taz täglich produzierten, in der West-Berliner taz-Ini. Er hatte sich
       schon ein Jahr lang mit einem kleinen Kreis undogmatischer Linker
       getroffen, um den Traum der 68er von einer kritischen linken Tageszeitung
       zu verwirklichen, und nach dem euphorischen Tunix-Kongress im Januar 1978
       war ordentlich Schwung in das Projekt gekommen. Eine linksradikale, grüne
       Tageszeitung wäre auch ohne ihn gegründet worden, die Verwirklichung dieser
       Idee lag einfach in der Luft in den Jahren nach der Entstehung der
       Anti-Atom-Bewegung, der Neuen Frauenbewegung oder auch der
       Schwulenbewegung.
       
       Aber Christian, wie wir ihn nannten, war die wichtigste Person im
       taz-Gründerkreis, zu dem Initiativen in 30 Städten mit insgesamt mehreren
       hundert Menschen gehörten. Er war als furchtloser Anwalt der Kommunarden
       Dieter Kunzelmann und Fritz Teufel bekannt, als Verteidiger von Andreas
       Baader, Gudrun Ensslin und anderen Gründern der Rote Armee Fraktion.
       
       Bei der gemeinsamen Aufbauarbeit war er solidarisch, ohne Führungsanspruch,
       ein erfrischender Teamplayer und Pragmatiker, gleichzeitig prinzipientreu.
       Wenn wir Jüngeren uns in Kontroversen verrannten, holte er uns auf den
       Boden zurück oder wartete, bis wir uns abgeregt hatten.
       
       Am 23. Mai 2022 und noch mal am 20. Juni 2022 haben Christian und ich
       gemeinsam versucht, die Anfänge der taz zu rekonstruieren. Christian, der
       als Jurist immer für eine ordentliche Aktenführung gesorgt hatte, ging noch
       mal in seine Unterlagen, um bestimmte Vorgänge und Erinnerungen zu
       verifizieren.
       
       Auf dieser Grundlage ist das folgende Gespräch entstanden, das er danach
       noch zwei Mal korrigierte. Es ist ein historisches Zeugnis über die ersten
       wilden Jahre dieser Zeitung bis zur Gründung der taz-Genossenschaft 1991.
       
       Anfang Juli vergangenen Jahres wollten wir uns erneut treffen, um noch ein
       paar Einzelheiten der taz-Historie zu vertiefen, doch dazu kam es nicht
       mehr. Christian war im Badezimmer gestürzt und hatte sich schmerzhafte
       Brüche zugezogen, von denen sich sein geschundener Körper nicht mehr
       erholte. Am Morgen des 29. August 2022 starb er in seiner Wohnung in
       Berlin-Moabit.
       
       Auch, um an den beeindruckenden Politiker und Menschen Christian Ströbele
       zu erinnern, der für die taz so wichtig war und dem die taz so wichtig war,
       veröffentlichen wir dieses Gespräch.Michael Sontheimer
       
       26 Aug 2023
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Sontheimer
       
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