# taz.de -- Debatte über Vergesellschaftung: Ein Rahmen bringt nichts
> Im Abgeordnetenhaus wird über den Bericht der Expertenkommission
> diskutiert. Scharfe Kritik gibt es an den Senatsplänen für ein
> Rahmengesetz.
IMG Bild: Der Wille der Berliner WählerInnen wurde missachtet
Berlin taz | Innerhalb der nächsten zwei Wochen wollen sich verschiedene
Senatsverwaltungen zu einem Auftakttreffen zusammensetzen, um über ein
Vergesellschaftungsrahmengesetz zu sprechen. Das kündigte
Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) am Montag im
Abgeordnetenhaus an, in dem über den im Juni vorgestellten
[1][Abschlussbericht der Enteignungskommission] diskutiert wurde. Diese
hatte ein Jahr lang unter Leitung der ehemaligen Bundesjustizministerin
Herta Däubler-Gmelin die rechtlichen Rahmenbedingungen für
Vergesellschaftungen unter die Lupe genommen und war im Grundsatz zu dem
Ergebnis gekommen, dass diese möglich seien.
Bei dem Treffen soll unter Federführung der Senatsverwaltung für Finanzen
über den Inhalt eines Rahmengesetzes und einen Zeitplan gesprochen werden.
Das Ziel sei, so Gaebler nun im Stadtentwicklungsausschuss, im Spätsommer
2024 ein solches Gesetz vorzulegen, das nach dem Willen der
Regierungskoalition dann vom Bundesverfassungsgericht geprüft werden soll.
Inhaltlich gehe es darum, „objektive, qualitative Indikatoren und Kriterien
für Vergesellschaftungen festzulegen und Grundsätze für Entschädigungen zu
definieren“, nicht nur für den Bereich Wohnen, sondern auch für Wasser und
Energie. Weil dies nicht ganz abstrakt ginge, solle das Rahmengesetz auch
„Elemente für die Umsetzung“ von Vergesellschaftungen beinhalten.
Gegenwind für die Pläne kam von Florian Rödl, Rechtswissenschaftler der
Freien Universität und Kommissionsmitglied. „Mir leuchtet das Vorhaben
einfach nicht ein“, sagte Rödl. Die Fragen der Verhältnismäßigkeit und der
Entschädigung einer Vergesellschaftung sei „stark vom konkreten Gegenstand
und Vorhaben abhängig“, es bringe nichts, allgemeine Grundsätze in ein
Gesetz zu schreiben, das zudem nicht bindend für ein folgendes
Umsetzungsgesetz sei. Die bloße Beschreibung des Rahmens würde zu „nichts
sagenden“ Antworten des Verfassungsgerichts führen.
Überhaupt: Es sei nicht möglich, dass die Koalition ihr Gesetz selbst dem
Gericht vorlege. Da von einem Rahmengesetz niemand konkret betroffen sei,
gebe es keine natürlichen Kläger. Klagebefugt seien nur die
Oppositionsfraktionen im Abgeordnetenhaus oder eine Bundestagsfraktion,
etwa jene der CDU.
## DW Enteignen unzufrieden
Auch die Sprecherin der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen, Isabella
Rogner, kritisierte die Senatspläne als „weitere Verzögerung im Prozess“,
forderte aber zugleich eine Einbindung: „Wir freuen uns über eine Einladung
zum Auftakttreffen.“ Rogner nannte den Umgang mit dem Volksentscheid zwei
Jahre nach dem erfolgreichen Votum „demokratieschädigend“.
Angesichts der nochmals zugespitzten Krise des Wohnungsmarktes –
Rekordmietsteigerungen, Totalflaute beim Neubau, Scheitern des
Wohnungsbündnisses – bleiben „keine Instrumente mehr übrig, um die
Wohnungskrise zu beantworten“ – ergo: „Wir müssen jetzt vergesellschaften.“
Dass das möglich ist, deklinierten Däubler-Gmelin und Rödl den Abgeordneten
im Ausschuss. Die ehemalige Vorsitzende verwies auf die wichtige Bedeutung
des Grundgesetz-Artikels 15, auf dessen Grundlage vergesellschaftet werden
kann, und darauf, dass die Berliner Landesverfassung dem nicht
entgegenstehe. Um Fehlinterpretationen des Berichts und seiner Sondervoten
vorzubeugen, sagte Däubler-Gmelin: „Die wenigen Fälle der Abweichung „sind
nicht so zu verstehen, dass man ein Gesetz nicht machen könnte“.
Zur weiterhin umstritten Frage der Entschädigungshöhe sagte Rödl, die
Kommission habe versucht, sich heranzutasten, „eine Punktlandung“ sei aber
aus dem Grundgesetzartikel nicht abzuleiten. Im Umkehrschluss bedeute dies
„einen großen politischen Entscheidungsspielraum“ bei der Festsetzung der
Höhe. Klar sei, dass die Entschädigung unter dem Marktwert liegen müsste:
„Es geht nicht darum, so zu entschädigen, dass sich die Unternehmen
dasselbe woanders neu kaufen können“, sagte Rödl.
Er verteidigte zudem das Kriterium, die Bestände von Unternehmen mit mehr
als 3.000 Wohnungen in der Stadt zu vergesellschaften. Es gehe um
„Großunternehmen“, die „kapitalmarktorientiert“ sind. Das Ziel, die Mieten
im Bestand zu „entdynamisieren“, sei durch Neubau nicht zu erreichen.
28 Aug 2023
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