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       # taz.de -- Klimawandel und Wetter: Das verrückte Wetter
       
       > Überall ist es heiß, brennt oder steht alles unter Wasser – nur in
       > Deutschland merkt man die Klimakrise nicht. Oder?
       
   IMG Bild: Eine Unwetterfront zieht am Abend des 21. August über den Leipziger Westen
       
       1. Mir war jetzt wochenlang kalt. Vielleicht wird das in Deutschland doch
       nicht so schlimm mit dem Klimawandel?
       
       Stimmt, es gab gerade hierzulande eine kühl-feuchte Phase. Aber: Wetter ist
       chaotisch, daran ändert auch die Klimakrise nichts (ganz im Gegenteil).
       Die Treibhausgase, mit denen der Mensch die Atmosphäre belastet, verändern
       das Wetter aber grundsätzlich – das ist das Klima. Ausreißer nach oben oder
       unten gibt es dennoch weiter. Insgesamt hat sich auch Deutschland schon
       enorm aufgeheizt. Schaut man auf die lineare Entwicklung der
       Durchschnittstemperaturen, kommt man auf eine Steigerung von bereits 1,7
       Grad. So geht zum Beispiel der Deutsche Wetterdienst vor. Es gibt
       allerdings Klimaforscher:innen, die damit unzufrieden sind. Sie sagen: Die
       Temperaturkurve lässt sich nicht gut linear beschreiben, denn schon seit
       Mitte der Achtzigerjahre liegen die Werte fast durchweg über der linearen
       Trendlinie, anstatt sich zufällig darum herum zu verteilen. Nimmt man den
       Temperaturdurchschnitt des vergangenen Jahrzehnts, liegt dieser sogar um
       2,2 Grad über dem Niveau zum Ende des 19. Jahrhunderts. Das macht sich auch
       an der Anzahl heißer Tage mit Temperaturen über 30 Grad bemerkbar: Sie ist
       trotz Schwankungen von Jahr zu Jahr deutlich gestiegen. Und übrigens: Auch
       wenn es sich durch das bescheidene Wetter in letzter Zeit vielleicht anders
       anfühlen mag – der Juli 2023, der im globalen Schnitt der wärmste Monat
       seit Beginn der Wetteraufzeichnungen war, ist auch in Deutschland insgesamt
       überdurchschnittlich warm ausgefallen. Einen Grund zur Entwarnung gibt es
       also leider nicht.
       
       2. Woher wissen wir denn jetzt, wie viel Klimawandel im Wetter steckt?
       
       Leicht ist das nicht. Weil das Klima das durchschnittliche Wetter über
       einen langen Zeitraum ist, lässt sich der Klimawandel durch ein einzelnes
       Wetterphänomen weder belegen noch widerlegen. Aber wir kennen ja viele
       physikalische Grundlagen. Zum Beispiel ist klar, dass wärmere Luft mehr
       Feuchtigkeit aufnehmen kann. Das ist sozusagen der Treibstoff für Gewitter
       und auch Hurrikans – das Wasser muss schließlich auch wieder irgendwo hin.
       Obwohl es schon immer auch mal Starkregen gegeben hat, liegt es also auf
       der Hand, dass heftige Niederschläge [1][wie jüngst in Slowenien] zumindest
       potenziell mit dem Klimawandel zu tun haben können.
       
       3. Geht das nicht genauer?
       
       Doch, mittlerweile oft schon. Klimaforscher:innen haben sogenannte
       Attributionsstudien entwickelt. Die haben genau das Ziel, den Anteil des
       Klimawandels in einem spezifischen Wetterereignis aufzuspüren. Das geht
       vereinfacht gesagt so: Mit Klimamodellen ermitteln die
       Wissenschaftler:innen, wie wahrscheinlich es war, dass das fragliche
       Wetterereignis auftritt. Dann wird die Variable der Erderhitzung angepasst.
       In einer computersimulierten Welt ohne die menschlichen
       Treibhausgasemissionen wird die Wahrscheinlichkeit noch einmal getestet.
       Liegt sie nun niedriger, kann man die Differenz auf die Klimakrise
       zurückführen. Zu dem Starkregen, der in Deutschland im Juli 2021 zur
       Ahrtal-Katastrophe geführt hat, gibt es zum Beispiel so eine Studie von der
       Forschungsinitiative World Weather Attribution. Demnach war der krasse
       Niederschlag durch die Klimakrise [2][bis zu neunmal wahrscheinlicher]. Um
       so eine Studie durchzuführen, muss man möglichst alle noch so kleinen
       Details zu dem Wetterereignis kennen und braucht außerdem eine enorme
       Rechenleistung. Deshalb ist es noch gar nicht so lange möglich, solche
       Studien durchzuführen. Für manche Regionen, etwa in Afrika, sind teilweise
       auch jetzt noch zu wenig Messdaten verfügbar. Die Studien funktionieren
       zudem umso besser, je einfacher ein Wetterereignis gestrickt ist. Hurrikane
       zum Beispiel sind sehr schwer zu modellieren. Eine Hitzewelle hingegen
       tritt üblicherweise großflächig auf und hat nur eine relevante Größe,
       nämlich die Temperatur.
       
       4. Es gab ja weltweit gerade viele Hitzewellen. Wie war das da? 
       
       In den europäischen Mittelmeerregionen, den USA und China war es im Juli
       gefährlich heiß – und ist es teils immer noch. Diese Woche wurde etwa in
       der Region um das spanische Valencia ein neuer Temperaturrekord gemessen:
       47,8 Grad. Von einem „höllischen Donnerstag“ war in einer Lokalzeitung
       [3][die Rede]. Die Hitze im Juli war jedenfalls kein Zufall, hat World
       Weather Attribution ermittelt, der Klimawandel hatte einen deutlichen
       Anteil. In China hat er die Hitze demnach 50-mal wahrscheinlicher gemacht.
       In Südeuropa und Nordamerika wären die extremen Temperaturen ohne die
       menschlichen Treibhausgasemissionen sogar „praktisch unmöglich“ gewesen.
       Mittlerweile sind sie je nach Region alle 5 bis 15 Jahre zu erwarten – also
       eigentlich keine Seltenheit mehr. Und weil der Ausstoß von Treibhausgasen
       im globalen Schnitt weiter durch die Decke geht, wird sich das noch weiter
       verschärfen.
       
       5. Aber sollte es nicht dieses Jahr allein schon durch den El Niño
       besonders warm sein?
       
       Ja, alle paar Jahre verändern sich Meeresströmungen im Pazifik, was sich
       weltweit auf das Klima auswirkt – unter anderem dadurch, dass es im Schnitt
       wärmer ist. Das ist gemeint, wenn vom El Niño die Rede ist. Die
       US-Wetterbehörde NOAA hatte im Juni vermeldet, das Wetterphänomen habe
       begonnen. El Niño tritt auf natürliche Weise auf, hat also erst mal nichts
       mit dem Klimawandel zu tun. Er legt sich aber noch auf den
       menschengemachten Erhitzungstrend obendrauf. In den vergangenen Jahren
       hingegen war das meteorologische Gegenstück La Niña aktiv. Es hat also
       tendenziell abkühlend gewirkt. Dennoch war das vergangene Jahr eines der
       wärmsten, die je gemessen wurden. Laut der Weltwetterorganisation WMO
       dürfte 2022 das fünft- oder sechstwärmste gewesen sein. Weil die
       Unterschiede zwischen einzelnen Jahren oft so gering sind, kann es
       schwierig sein, eine genaue Rangordnung festzulegen. Insgesamt ist es auf
       der Erde schon etwa 1,2 Grad wärmer als zu Beginn der Industrialisierung.
       
       11 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ueberschwemmungen-in-Slowenien/!5949195
   DIR [2] /Studie-zu-Hitze-auf-der-Nordhalbkugel/!5950755
   DIR [3] https://diariodealicante.net/jueves-infernal/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Schwarz
       
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