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       # taz.de -- Kinotipp der Woche: Was sie zusammenhält
       
       > Beim 18. filmPOLSKA-Festival treffen junge polnische Positionen auf
       > historische Streifen der Filmgeschichte. Und Familienmitglieder
       > aufeinander.
       
   IMG Bild: Am 9. September im Zeughauskino bei filmPOLSKA: Anna Zameckas „Komunia“ (2016)
       
       In der Welt von Ola und ihrem Bruder Nikodem sind die Besuche in der Kirche
       und der Kommunionsunterricht von Nikodem Anker der Stabilität. Die beiden
       wohnen mit ihrem alkoholkranken Vater in einer kleinen Wohnung, in der
       regelmäßig der Sozialarbeiter vorbeischaut und den Vater ermahnt. Mit ihren
       gerade einmal 14 Jahren ist Ola diejenige, die die Familie zusammenhält,
       ihren Vater in der Spur zu halten versucht und mit ihrem autistischen
       Bruder lernt.
       
       Die Momente sind rar, in denen sie ohne weitere Verpflichtungen das Lebens
       einer Jugendlichen führen kann, tanzen, in die Sonne blinzeln. Die
       polnische Regisseurin Anna Zamecka begleitet Ola, Nikodem und ihren Vater
       in ihrem Dokumentarfilm „Komunia“ („Kommunion“) durch einen beschwerlichen
       Alltag.
       
       „Komunia“ ist Teil der diesjährigen Retrospektive von [1][FilmPOLSKA], dem
       Festival des polnischen Kulturinstitut in Berlin. In diesem Jahr widmet
       sich die Retrospektive unter dem Titel „Unsere Geschichte/n“ dem Kino
       junger polnischer Regisseurinnen, daneben gibt es in der Reihe „Im Archiv“
       weitere historische Ergänzungen zu den Gegenwartsprogrammen des
       Wettbewerbs, des Panoramas und der Kurzfilmprogramme.
       
       Eröffnet wird das Festival am Mittwochabend mit dem Roadmovie „Tata“. Als
       seine ukrainische Haushälterin stirbt, ist schnell klar, dass sie nicht in
       Polen beigesetzt werden darf. Also muss der Lastwagenfahrer Michał die
       Leiche der Haushälterin zusammen mit seiner Tochter Miśka und Lenka, der
       Enkelin der Haushälterin, über die polnisch-ukrainische Grenze bringen.
       
       ## Tonspur der Spannung
       
       In Jagoda Szelc’ „Wieża. Jasny dzień“ („Tower. A Bright Day“) eskaliert ein
       Familientreffen. Mula lebt mit ihrem Mann und ihrer Mutter in Südpolen auf
       dem Land. Zur Erstkommunion ihrer Tochter Nina reist die Familie an. Ihr
       Bruder, Andrzej, kommt mit seiner Partnerin und den beiden Kindern. Doch
       hinten im Auto sitzt noch eine weitere Erwachsene, Kaja, Mulas Schwester.
       
       Es ist das erste Treffen seitdem Kaja vor sechs Jahren verschwunden ist,
       kurz nachdem sie Nina zur Welt gebracht hat, die von ihrer Schwester als
       ihre Tochter aufgezogen wird. Szelc’ Film überformt die Begegnung der
       beiden Schwestern und die Spannungen, die durch Kajas Auftauchen sichtbar
       werden als Psychodrama und unterlegt die Bilder auf der Tonspur mit
       spannungsreichem Wummern.
       
       Im Rahmen der Sektion „Archiv“ läuft in diesem Jahr unter anderem Wanda
       Jakubowskas „Ostatni Etap“ („Die letzte Etappe“), in dem sie nur wenige
       Monate nach Kriegsende die Geschichte von Frauen im Widerstand im
       Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau erzählt – an Originalschauplätzen
       und mit vielen ehemaligen Gefangenen.
       
       Auch die diesjährige Ausgabe von FilmPOLSKA öffnet das Füllhorn des
       polnischen Kino für ein Berliner Kinopublikum. Doch wenn die 18. Ausgabe
       Mitte September endet, wird sie das Ende einer Ära sein. [2][Festivalleiter
       Kornel Miglus], der sich wie wenige andere um die Vermittlung des
       polnischen Kinos nach Deutschland verdient gemacht hat, hört mit dieser
       Ausgabe auf. Steht zu hoffen, dass das Festival sich auch in Zukunft
       ähnlich neugierig und weltoffen zeigen wird.
       
       5 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://instytutpolski.pl/berlin/2023/07/31/18-filmpolska/
   DIR [2] /Kulturzug-nach-Warschau/!5897221
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Tietke
       
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