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       # taz.de -- Klage gegen Schultheater-Stück: „Danke dafür, AfD!“
       
       > Die AfD zog gegen ein Theaterstück einer Osnabrücker Gesamtschule vors
       > Verwaltungsgericht Hannover. Das Stück ist aber von der Kunstfreiheit
       > gedeckt.
       
   IMG Bild: Strafarbeit an der Tafel: Das droht den Osnabrücker SchülerInnen nicht
       
       Hannover taz | Hätten die Lehrer einschreiten müssen, als ihre Schüler an
       der Osnabrücker Gesamtschule Schinkel ein Stück mit dem Titel [1][„Danke
       dafür, AfD!“] schrieben, probten und aufführten? Das ist die Kernfrage im
       Prozess, den die AfD Niedersachsen vor dem Verwaltungsgericht Hannover
       gegen das niedersächsische Kultusministerium angestrengt hat.
       
       Das Stück kam 2019 zur Aufführung, schulintern. Drei Termine gab es, zu
       denen rund 70 Leute kamen. Ein vierter Termin wurde abgesagt. Das von den
       Schülern selbst verfasste Stück basiert auf Tweets von AfD-Funktionären,
       aus denen die Teilnehmer des Kurses „Darstellendes Spiel“ im 11. Jahrgang
       kleine Szenen entwickelten – mit den Mitteln des dokumentarischen Theaters
       wurden interaktiv verschiedene Orte des Schulgebäudes bespielt, durch das
       sich die Zuschauer bewegen mussten.
       
       Die AfD sieht sich von verschiedenen Szenen verunglimpft. Das Theaterstück
       unterstelle ihr unter anderem, für ein „arisches“ Familien- und völkisches
       Weltbild einzutreten, pauschale Ausländerfeindlichkeit zu propagieren, für
       einen Schießbefehl gegen Geflüchtete einzutreten, Gewalt zu befürworten,
       Antisemitismus zu relativieren und eine „Machtergreifung“ anzustreben.
       
       Das entspreche so nicht den Positionen der Partei, erläuterte ihr Anwalt
       vor Gericht. Andauernd würden außerdem Bezüge zum NS-System hergestellt und
       derbe persönliche Beleidigungen ausgesprochen.
       
       ## Hart und polemisch gegen die AfD
       
       Über das eine oder andere Detail gibt es dabei Streit: Die AfD bezieht sich
       auf eine im Lokalteil der Neuen Osnabrücker Zeitung erschienene Besprechung
       des Stücks, in der davon die Rede ist, die Zuschauer seien in einen dunklen
       Keller geführt worden, wo man anscheinend nur noch auf das Zischen der
       Gaseinleitung über die Duschköpfe habe warten sollen.
       
       Die Lehrer bestreiten, dass diese Gaskammer-Assoziation beabsichtigt war,
       sie ist möglicherweise eher im Kopf des Rezensenten entstanden. An einer
       anderen Stelle steht im Skript die Zeile „Fick’ dich, Gauland“, die soll
       aber noch in den Proben gestrichen und in der Aufführung daher nicht
       gesprochen worden sein.
       
       Unbestreitbar geht das Stück mit der AfD hart und polemisch ins Gericht.
       Die Frage ist aber: Dürfen Schüler das? Die AfD macht geltend, hier habe
       die Schule ihre Neutralitätspflicht verletzt, die Lehrer hätten mäßigend
       einwirken müssen. „Wenn die Schüler beschlossen hätten, einen Porno
       aufzuführen, hätte man das doch auch nicht zugelassen“, argumentiert der
       AfD-Anwalt. Dem gegenüber steht die Kunstfreiheit der Schüler und
       Schülerinnen und das erklärte pädagogische und didaktische Ziel, sie sich
       selbst eine Meinung bilden und diese mit künstlerischen Mitteln ausdrücken
       zu lassen.
       
       Eine Indoktrination seitens der Lehrer vermochte das Gericht jedenfalls
       nicht zu erkennen – die Schüler hatten nämlich zuvor alle Stückvorschläge
       der Lehrkräfte abgelehnt. Und auch die detaillierte Darstellung der
       Entstehung des Stückes legte nahe, das es eben tatsächlich auf dem Mist der
       Schülerinnen und Schüler gewachsen war. Die Förderung dieser Art von
       Eigeninitiative findet sich auch ausdrücklich im Kerncurriculum
       Darstellendes Spiel wieder, das das Gericht ebenfalls heranzog.
       
       ## Schule erntete Shitstorm
       
       Das war in den Kreisen der AfD-Anhänger, die nach dem Bekanntwerden des
       Stückes die Schule mit einem ausgiebigen Shitstorm überzogen hatten,
       natürlich noch ganz anders gesehen worden.
       
       Wenn sich der stellvertretende AfD-Landesvorsitzende nun also in einer
       Verfahrenspause hinstellt und sagt: „Unabhängig vom Ergebnis haben wir
       hiermit ein Zeichen gesetzt und gezeigt, dass uns politische Neutralität an
       Schulen wichtig ist. Immerhin hat es seither auch keine solche
       Theaterstücke mehr gegeben“ – dann muss man überlegen, ob das nicht
       vielleicht eher mit dem Einsatz der Troll-Armeen zusammenhängt. Die Schule
       wurde mit Drohungen und Beleidigungen überschüttet, auch vor der
       Veröffentlichung von Foto, Namen und Anschrift des Schulleiters schreckte
       man nicht zurück.
       
       Das Gericht wies die Klage der AfD jedenfalls ab. Eine politische
       Einflussnahme durch die Lehrkräfte sei nicht erkennbar und eine
       [2][Einschränkung der Kunstfreiheit] käme allenfalls dann infrage, wenn die
       AfD schwerwiegende Verletzungen der Persönlichkeitsrechte geltend gemacht
       hätte – damit hatte sie ja aber gar nicht argumentiert.
       
       Schade, dass die betreffenden Schülerinnen und Schüler die Schule längst
       verlassen haben, sonst hätten sie jetzt im Chor [3][„Das ist alles von der
       Kunstfreiheit gedeckt“ von Danger Dan] anstimmen können.
       
       7 Sep 2023
       
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       ## AUTOREN
       
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