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       # taz.de -- Grüne im niedersächsischen Verden: Einschusslöcher am Grünen-Büro
       
       > In Verden klaffen drei Einschusslöcher am Parteibüro der Grünen.
       > Politisch motiviert war die Tat wohl nicht, sagt die Polizei. Dennoch
       > gibt es Sorgen.
       
   IMG Bild: Drei solcher Löcher fand ein Mitarbeiter am Freitag im Fenster des Parteibüros der Grünen Verden
       
       Bremen taz | Bei einem Angriff auf die Parteizentrale der Grünen im
       niedersächsischen Verden hält die Polizei [1][eine politisch motivierte
       Tat] für „eher unwahrscheinlich“. So steht es in einer Mitteilung von
       Montag. Am vergangenen Freitag hatte ein Mitarbeiter drei Einschusslöcher
       in den Schaufenstern des Büros entdeckt und die Polizei gerufen.
       
       Die Löcher könnten von einer Luftdruckwaffe stammen, das habe die
       Spurensicherung vor Ort ergeben. Der Grund für die Einschätzung der
       Polizei: In den vergangen Wochen, schreibt eine Sprecherin weiter, hätten
       sich mehrere ähnliche Vorfälle ereignet – „mutmaßlich ebenfalls mit
       Luftdruckwaffen“. Es seien zwar keine anderen Parteiräumlichkeiten
       betroffen. Aber: Es bekenne sich auch niemand zu dem Vorfall.
       
       Befragungen der Anwohner*innen hätten nichts ergeben, das auf eine
       politische Tat hinweisen könnte, sagt Kerstin Gliesche, Mitglied im
       Kreisvorstand der Grünen Verden. Auch habe es sonst keine Drohungen
       gegeben, auch kein Bekennerschreiben. „Wir hoffen, dass das auch so
       bleibt.“ Im Büro selbst sei nichts beschädigt. Die Löcher, so Gliesche,
       seien Freitag entdeckt worden – die mögliche Tatzeit erstrecke sich aber
       fast bis Anfang August. Denn: „Das Büro ist nicht regelmäßig besetzt.“
       
       Obwohl ein politischer Hintergrund des Vorfalls eher nicht besteht, lässt
       die Tat die Grünen vor Ort nicht kalt. „Die Frau, die da starten wird, hat
       sich schon Gedanken gemacht, wie sie damit umgeht“, sagt Gliesche. Es sei
       „kein Grund, die Stelle nicht anzutreten – aber man macht sich Gedanken um
       die eigene Sicherheit“.
       
       ## Weitere Vorfälle in Niedersachsen
       
       Das schwäche die politische Arbeit. „Es ist ja das Gegenteil von dem, was
       wir uns wünschen. Wir wollen Leute motivieren, sich öffentlich zu
       engagieren.“ Trotzdem: „Wir sind unheimlich froh, dass es keine politisch
       motivierte Straftat ist.“ Davon habe es in letzter Zeit genug gegeben.
       
       Gliesche spielt auf zwei Vorfälle an: Anfang vergangener Woche wurde auf
       den Sitz der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten in Celle ein Anschlag
       verübt. Mehrere Fensterscheiben wurden zerstört und eine Informationstafel
       von der Wand gerissen, teilte die Stiftung mit, die einen Zusammenhang mit
       dem [2][am Wochenende abgehaltenen Parteitag der AfD] in Celle sah. Die
       Stiftung und die Gedenkstätte Bergen-Belsen hatten gemeinsam mit anderen zu
       einer Demo dagegen aufgerufen.
       
       Und am 12. August wurde der grüne Landtagsabgeordnete Christian Schroeder
       in Gifhorn angegriffen. Bei einem Konzert habe eine unbekannte Person erst
       „lautstark seine recht pauschale Ablehnung der Politik der Grünen“ geäußert
       und Schroeder dann „durch massiven Körpereinsatz zu Boden“ geworfen,
       berichtete die Landtagsfraktion der Partei. Nur andere Besucher*innen
       hätten Schlimmeres verhindert, sodass Schroeder lediglich Prellungen
       davontrug. „In den vergangenen Jahren häufen sich überall in Deutschland
       verbale und körperliche Übergriffe auf Amts- und Mandatsträger*innen“,
       sagte die Fraktionsvorsitzende Anne Kura danach.
       
       Im Raum Verden scheint das trotz des Vorfalls und der Unsicherheit danach
       noch nicht ein allzu großes Problem: „Bisher ist der überwiegende Tenor,
       dass die Lokalpolitik hier nicht so sehr von konkreten Bedrohungen
       beeinflusst wird“, sagt Gliesche. Im Verdener Büro kämen Bürger*innen
       zum Diskutieren vorbei, mehr aber auch nicht. „Aber wenn man in den
       sozialen Medien mitliest, muss man schon sagen: Da verändert sich der Ton.“
       
       ## Grenzen der freien Meinungsäußerung
       
       So sieht es auch die Landesvorsitzende der Grünen Niedersachsen, Greta
       Garlichs. „Meinungsäußerungen sind okay, aber es spitzt sich derzeit zu,
       vor Ort und in den Medien.“ Niedersachsens grüner [3][Umweltminister
       Christian Meyer] hat im Juni sogar eine Morddrohung erhalten. „Wenn Wölfe
       entnommen werden, werden auch Sie entnommen“, hieß es laut seiner Aussage
       in dem Schreiben.
       
       Noch ein Beispiel, wenn auch ein weitaus harmloseres, das noch leicht als
       Meinungsäußerung durchgeht: Garlichs habe am Montag ein Foto bekommen von
       einem Schild auf dem Acker eines Landwirts, der bei den Freien Bauern –
       einer Interessenorganisation der bäuerlichen Familienbetriebe – engagiert
       sei: „Brechen wir die grüne Welle, bevor sie uns bricht“, stehe darauf.
       
       Erhöhte Unsicherheit, beschmierte Geschäftsstellen, Steinschläge – all das
       werde in Niedersachsen mehr, sagt Garlichs weiter. „Es ist wichtig, dass
       Menschen sich bei politischen Engagement sicher fühlen. Aber wenn sich die
       politische Stimmung merkbar verändert, führt das zu Diskussionen und einem
       Gefühl der Unsicherheit.“ Das Problem sei aber nicht neu und auch kein rein
       grünes.
       
       21 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Untersuchungsausschuss-zum-Luebcke-Mord/!5945190
   DIR [2] /Landesparteitag-von-Niedersachsens-AfD/!5950172
   DIR [3] /Illegale-Abschuesse-in-Niedersachsen/!5944915
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alina Götz
       
       ## TAGS
       
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