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       # taz.de -- Widerstand gegen geschlossenes Heim: „Kapitulation des Hilfesystems“
       
       > In Hamburg protestieren Ex-Heimkinder mit Kunst gegen Heimneubau am
       > Klotzenmoorstieg. Die Politik soll nachdenken, sagt Mitinitiator Dennis
       > Engelmann.
       
   IMG Bild: Auf dieser Wiese am Klotzenmoorstieg ist das neue Kinderheim geplant
       
       taz: Herr Engelmann, warum gehen in Hamburg ehemalige Heimkinder auf die
       Straße? 
       
       Dennis Engelmann: Weil Hamburg [1][ein geschlossenes Heim] für neun- bis
       13-jährige Kinder plant. Für ehemalige Heimkinder, die das selbst erlebt
       haben, wie zum Beispiel die Betroffenen der Haasenburg, ist das schlimm.
       Sie möchten mit ihren Erfahrungen an die Öffentlichkeit und davor warnen.
       
       Was genau passiert am Samstag? 
       
       Wir treffen uns am U-Bahnhof Lattenkamp, von wo aus es eine Demo zum
       Bauplatz geben wird. Wir stellen dort eine Tafel mit Beiträgen auf, wo
       Betroffene ihre Geschichte erzählen. Unsere Vorbereitungsgruppe, zu der
       auch das „Careleaver* Kollektiv Leipzig“ und das Straßenkinderprojekt
       „Momos“ zählen, hat viele Menschen eingeladen. Wer am Ende auftaucht, ist
       auch für uns eine Überraschung.
       
       Der Flyer erwähnt eine Kunstaktion. 
       
       Die Idee ist, dass dort auch Bilder gemalt oder Texte geschrieben werden,
       um dieser ganzen Geschichte einen anderen Ausdruck zu verleihen.
       
       Bleibt Ihre Tafel dort? 
       
       Nein, wir müssen die wieder mitnehmen. Aber wir sind froh, dass wir sie
       aufstellen dürfen.
       
       Offiziell genehmigt? 
       
       Ja. Wir haben dort auch ein Mikrofon, sodass wir die Menschen vor Ort
       erreichen. Wir wollen sie sensibilisieren, weil sie sich vielleicht gar
       nichts dabei denken, was da geplant wird.
       
       Was wissen Sie selbst schon über das Projekt? 
       
       Es soll dort ein Heim für Kinder von neun bis 13 Jahren geben, das anfangs
       auch Geschlossenheit vorsieht. Das finde ich erschreckend. Ein
       geschlossenes Heim für diese Altersstufe ist Kapitulation des Hilfesystems.
       
       Weil diese Kinder zu jung sind? 
       
       Definitiv. Wenn der Staat mit neun- bis 13-Jährigen so überfordert ist,
       dass die einzige Möglichkeit ist, dass man sie wegsperrt, ist es für mich
       unfassbar! Das sind teils noch Grundschüler, die als Schwerverbrecher
       weggesperrt und stigmatisiert werden. So geht man nicht an die Ursachen
       ran. Hinter jedem auffälligen Verhalten steckt ja ein Bedürfnis, das nicht
       befriedigt ist. Kein Kind kommt böse auf die Welt.
       
       Das neue Heim soll [2][nur teils geschlossen] sein. 
       
       Überhaupt darauf zurückzugreifen, ist falsch. Das gibt definitiv ein
       Machtgefälle und eine Stigmatisierung. Und wer weiß, vielleicht fängt man
       nur klein an und weitet das später aus?
       
       Was ist die [3][Alternative]? 
       
       Mehr intensive einzelpädagogische Angebote. Die kosten natürlich mehr und
       benötigen auch mehr Personal. Aber solche Maßnahmen gibt es.
       
       Hat Ihre Gruppe schon mit Politikern gesprochen? 
       
       Noch nicht konkret. Wir möchten mit dieser Kunstaktion ein politisches
       Statement setzen, damit sich die Politik das noch mal überlegt. Das Heim
       soll ja 2026 fertig sein. Davor wird in Hamburg noch mal gewählt.
       
       Sie selbst waren als Kind bei Pflegeeltern. Welche Verbindung haben Sie zum
       Thema und den Betroffenen? 
       
       Ich bin über unseren Verein mit den Ehemaligen der Haasenburg-Heime im
       Kontakt. Mich macht deren Geschichte sehr betroffen: So sollte Kinder und
       Jugendhilfe nicht laufen! Ich selbst habe auch in offenen Wohngruppen
       gelebt und dort gute Erfahrungen gemacht – weil wertschätzend mit uns
       umgegangen wurde. Sodass ich sage: Das Problem sind geschlossene Heime.
       
       8 Sep 2023
       
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