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       # taz.de -- Drogen- und Alkoholverbot in Bremen: Saufen nur im Laufen
       
       > Rund um den Hauptbahnhof dürfen keine Drogen und kein Alkohol konsumiert
       > werden, beschließt die Bürgerschaft. Nur wer zügig geht, darf Alkohol
       > mitführen.
       
   IMG Bild: Der Bremer Hauptbahnhof ist einer von vielen Hotspots der Crack-Szene
       
       Bremen taz | An Haltestellen rund um den Bremer Hauptbahnhof ist ab Oktober
       der Konsum von Alkohol und Drogen verboten. Ein entsprechendes Gesetz hat
       am Donnerstag in einem Eilverfahren die Bremische Bürgerschaft in erster
       und zweiter Lesung verabschiedet – mit den Stimmen der Regierungsfraktionen
       Grüne, Linke und SPD sowie des rechtspopulistischen Bündnisses Deutschland.
       Erst am Dienstag hatte der Senat den Gesetzentwurf beschlossen.
       
       Das Gesetz macht eindeutig klar, dass seine Auswirkungen ausgesprochen
       beschränkt sein werden: Es geht lediglich darum, das subjektive
       Sicherheitsgefühl von Nutzer:innen und Fahrer:innen des
       öffentlichen Nahverkehrs zu verbessern. Denn diese sind seit einigen Jahren
       am Bremer Hauptbahnhof [1][zunehmend mit schwer drogen- und alkoholkranken
       Menschen konfrontiert], die sie anpöbeln oder auch attackieren, wie es in
       der Gesetzesbegründung heißt. Letzteres gelte insbesondere auch für
       Reinigungspersonal, das regelmäßig Polizeischutz anfordern müsse.
       
       Als ursächlich gilt die wachsende Anzahl von Menschen, die Crack-abhängig
       sind. Kein Bremer Problem. In Bremen sei die Droge allerdings etwas später
       angekommen als in einigen anderen deutschen Städten wie beispielsweise
       Berlin, sagt Eileen Bumann, die bei der [2][Inneren Mission den Bereich der
       Wohnungslosenhilfe] leitet. „Unsere Streetworker stellen fest, dass es
       immer mehr Betroffene gibt, die sie vorher auch noch nicht kannten.“
       
       Crack ist rauchbares Kokain, macht aber wesentlich schneller und stärker
       abhängig. Zudem wird es schneller im Körper abgebaut, die Abhängigen
       brauchen viel häufiger Nachschub, was auch die Begleiterscheinungen
       verstärkt wie Betteln, Beschaffungskriminalität und Straßenprostitution.
       
       ## Konsum als Ordnungswidrigkeit
       
       Aufgrund des hohen Suchtdrucks ziehen sich die Süchtigen häufig nicht
       zurück, sondern konsumieren an Ort und Stelle, etwa an
       Straßenbahnhaltestellen, die überdacht sind und an denen es Bänke gibt.
       
       Die Konsumbedingungen von Crack erschweren laut der Begründung im Gesetz
       die Strafverfolgung: So ist nur der Besitz, [3][nicht aber der Konsum
       illegaler Drogen verboten]. „Die Drogen und Instrumente werden dabei in
       Gruppen in der Regel hin und her gereicht, so dass der Konsum zwar
       beobachtet, die Frage des Besitzes aber in der Regel nicht beweissicher
       festgestellt werden kann“, heißt es im Gesetz. Und: „Wenn man die Droge in
       verbrauchsgerechter Menge von einem Dritten zum sofortigen Verbrauch erhält
       und dann auch sofort zu sich nimmt, ist es rechtlich schwierig, einen
       strafbaren Besitz anzunehmen.“
       
       Der Konsum an den Haltestellen soll in Zukunft als Ordnungswidrigkeit
       verfolgt werden können, auch Platzverweise sind möglich. Nicht belangt
       werden sollen „Personen, die insbesondere mit alkoholischen Getränken
       zielstrebig den Bereich durchqueren, ohne zu konsumieren, Kontakt zu
       Dritten halten und keine Zwischenstopps einlegen“.
       
       Die Opposition aus CDU und FDP stimmte im Landtag gegen das Gesetz. Es sei
       unmöglich, dessen Einhaltung zu kontrollieren, sagte der FDP-Politiker
       Marcel Schröder, etwa zwischen denen zu unterscheiden, die sich an den
       Haltestellen betrinken, und denen, die dort bereits im Vollrausch ankommen.
       Zudem sei „aus den Augen, aus dem Sinn keine Lösung für Suchtprobleme“. Die
       Süchtigen würden lediglich verdrängt, die Probleme in den Stadtteilen
       würden sich noch verschärfen.
       
       Die CDU hatte am Dienstag in der Stadtbürgerschaft einen ähnlichen
       Gesetzesvorschlag vorgelegt – stimmte am Donnerstag dennoch gegen den der
       Regierungskoalition, weil er ihr nicht exakt genug war, beispielsweise was
       die Beschilderung angehe. Die Fraktionsvize Wiebke Winter warb dafür, das
       Thema zur Beratung in die Fachausschüsse zu überweisen und es nicht eilig
       durchzupeitschen. Dabei beschwert sich die CDU in ihrem Antrag darüber,
       dass die Koalition nicht schon früher gesetzgeberisch gehandelt habe. Zudem
       müsse es mehr Ausstiegshilfen für Süchtige geben, nicht nur akzeptierende
       Arbeit wie Drogenkonsumräume.
       
       Darin stimmte ihr die Linken-Fraktionschefin Sofia Leonidakis zu – auch die
       Einschätzung, dass sich das Problem in die Stadtteile verlagern werde,
       teilte sie, wie auch alle anderen Redner:innen, darunter SPD-Innensenator
       Ulrich Mäurer. „Wegen dieses Gesetzes wird es keinen Suchtkranken weniger
       geben“, sagte sie. Der Druck auf die Süchtigen werde sogar steigen, daher
       seien weitere Maßnahmen geplant. Dazu zählte sie auch die Substitution mit
       Diamorphin. Für Crack gibt es aber bisher kein wirksames Ersatz-Medikament
       – auch darauf verweist die Gesetzesbegründung.
       
       8 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Drogenpolitik-in-Bremen/!5910941
   DIR [2] https://www.inneremission-bremen.de/das-leisten-wir/wohnungslosenhilfe/wohnen/
   DIR [3] https://www.gesetze-im-internet.de/btmg_1981/__29.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eiken Bruhn
       
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