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       # taz.de -- 18 Monate Krieg in der Ukraine: 315 Quadratkilometer in 80 Tagen
       
       > Wo steht die Gegenoffensive der Ukraine? Und wie groß ist der
       > Materialverbrauch? Ein Überblick über die wichtigsten Frontabschnitte.
       
   IMG Bild: Klingt süß, ist aber tödlich: ein Mini-Mehrfachraketen-System an der Front nahe Bachmut, 20. 8. 2023
       
       Berlin taz | Die laufende Gegenoffensive der Ukraine widerspricht allen
       bewährten Regeln der Kriegskunst. Ohne Lufthoheit, ohne vorherige
       Zerstörung der gegnerischen Artillerie aus der Luft und ohne überlegene
       Truppenstärke rennen ukrainische Einheiten seit Anfang Juni gegen gut
       befestigte russische Verteidigungsstellungen an, in die Tiefe gestaffelt
       und geschützt von [1][riesigen Minenfeldern].
       
       Solange die russischen Linien halten, sind unter diesen Umständen große
       Geländegewinne nicht möglich. Die Ukraine setzt darauf, dass sie die
       russischen Linien langsam, aber sicher schwächt und dann in die Tiefe
       vorstoßen kann. An einigen Stellen wurden die vordersten
       Verteidigungslinien bereits überwunden. Die zweiten und dritten sind
       vielerorts ausgedünnt, weil Russland schon viel Material und Truppen nach
       vorne geworfen hat.
       
       Die Kämpfe sind sehr intensiv und es gibt keine verlässlichen Angaben über
       menschliche Verluste. Doch es gibt Daten zum Materialverbrauch, weil die
       westlichen Alliierten der Ukraine genau beobachten, wie erfolgreich die
       Ukraine das von ihnen gelieferte Kriegsgerät einsetzt.
       
       [2][Laut dem französischen Analysten @escortert], der die vorhandenen Daten
       täglich auswertet, liegt beim Einsatz von Artillerie das Verhältnis
       Russland–Ukraine bei über 7 zu 1 – Russland schießt mehr als siebenmal so
       viel mit schwerem Gerät wie die Ukraine, obwohl es die Ukraine ist, die
       sich in der Offensive befindet und daher stärker feuern müsste.
       
       ## Zahlenmäßig ist die Ukraine erfolgreicher
       
       Bei Verlusten von Artillerie liegt das Verhältnis hingegen bei 1 zu 3 –
       Russland verliert dreimal so viele Geschütze wie die Ukraine, obwohl die
       russischen Truppen siebenmal mehr schießen, als sie selbst beschossen
       werden. Dies zeugt von einer deutlich höheren Trefferquote der ukrainischen
       Seite. Materialverluste insgesamt sind auf russischer Seite etwa ein
       Drittel höher als auf ukrainischer.
       
       Sowohl in Ausrüstung als auch in Ausbildung, Organisation und
       Kommandostruktur und nicht zuletzt in der Moral ist die Ukraine Russland
       überlegen. Russlands Übergewicht besteht allein in der Masse. Es ist ein
       Krieg von Qualität gegen Quantität. Das ukrainische Kalkül ist: Qualität
       schlägt Quantität – zumal ihre eigene Qualität durch verstärkte westliche
       Unterstützung steigt, während die russische Quantität durch ständige
       Verluste sinkt.
       
       In 80 Tagen hat die Ukraine rund 315 Quadratkilometer befreit.
       
       ## Ein Überblick
       
       Cherson: Ukrainische Einheiten haben an mehreren Stellen den Dnipro-Fluss
       überquert und halten kleinere Brückenköpfe. Russische Militärblogger
       bezeichneten die Lage jüngst als „total Scheiße“, zumal russische Einheiten
       von dort zur Verstärkung anderer Frontabschnitte abgezogen wurden.
       
       Orichiw: Im westlichen Bereich der Südfront laufen ukrainische Angriffe
       seit dem 7. Juni. Zuletzt wurde vor wenigen Tagen der Ort Robotyne befreit,
       10 Kilometer südlich der ursprünglichen Front. 20 Kilometer weiter liegt
       der Ort Tokmak, durch den die einzige durchgehende Ost-West-Eisenbahnlinie
       im russisch besetzten Süden der Ukraine verläuft.
       
       Sollte die Ukraine Tokmak befreien und die Kertsch-Brücke zwischen Russland
       und der besetzen Krim durch Beschuss dauerhaft unbrauchbar machen, wären
       die russischen Einheiten auf der Krim und südlich von Cherson vom Nachschub
       abgeschnitten.
       
       Bisher befreites Gebiet: rund 80 Quadratkilometer 
       
       Welika Nowosilka: Im östlichen Bereich der Südfront laufen ukrainische
       Angriffe seit dem 4. Juni. Zuletzt wurde vor wenigen Tagen der Ort
       Uroschajne befreit, 9 Kilometer südlich der ursprünglichen Front. Nur
       wenige Kilometer trennen die ukrainischen Truppen noch vom Ort
       Staromlyniwka. Dahinter werden die russischen Verteidigungslinien dünner.
       
       Von dort aus könnte die Ukraine entweder nach Südosten Richtung Mariupol
       vorstoßen, eine vergangenes Jahr fast komplett von Russland zerstörte
       Großstadt mit immenser symbolischer Bedeutung für die Ukraine, oder nach
       Süden Richtung des wichtigen Hafens Berdjansk.
       
       Bisher befreites Gebiet: rund 190 Quadratkilometer 
       
       Awdijiwka: Seit 2014 liegt die westliche Vorstadt von Donezk an der
       Kriegsfront. Im Frühjahr dieses Jahres versuchte Russland, sie zu
       umzingeln. Im Sommer hat die Ukraine dies gestoppt.
       
       Bachmut: Die Industriestadt im Donbass war der heißeste Brennpunkt des
       Krieges in der ersten Hälfte 2023 bis zur Einnahme durch Russland Ende Mai.
       Seit Juni hat die Ukraine nördlich und südlich der Stadt wichtige Anhöhen
       zurückerobert.
       
       Bisher befreites Gebiet: rund 45 Quadratkilometer 
       
       Kupjansk: Nahe der Grenze im Gebiet Charkiw hat Russland im August
       Entlastungsangriffe gestartet.
       
       Bisher erobertes Gebiet: rund 65 Quadratkilometer
       
       24 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Interview-mit-Militaerexperten-zur-Ukraine/!5950485
   DIR [2] https://twitter.com/escortert?s=20
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
       ## TAGS
       
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