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       # taz.de -- Zukunft des Flughafens Tempelhof: „Eine Generationenaufgabe“
       
       > Warum dauert die Sanierung des ehemaligen Flughafengebäudes so lange? Ein
       > Gespräch mit der Ex-Geschäftsführerin der Tempelhof Projekt GmbH.
       
   IMG Bild: Gebaut als Prestigeprojekt der Nazis durchlebte der Flughafen verschiedenste Nutzungen
       
       taz: Frau Heim-Wenzler, bis vor Kurzem waren Sie als Geschäftsführerin der
       Tempelhof Projekt GmbH unter anderem für die Sanierung und den Betrieb des
       Flughafengebäudes verantwortlich. Seit fast 15 Jahren ist der Flughafen
       geschlossen. Doch noch immer steht ein großer Teil der 200.000 qm
       Nutzfläche leer. Warum dauert die Sanierung so lange?
       
       Jutta Heim-Wenzler: Ich habe relativ früh gesagt, dass die Sanierung ein
       Generationenprojekt sein wird. Das Gebäude hat die Größe eines
       Stadtquartiers – es ist quasi eine Stadt in der Stadt. Es ist das größte
       denkmalgeschützte Gebäude Europas. Leider wurde es seit Jahrzehnten mehr
       oder weniger auf Verschleiß genutzt, weil man vorhatte, den Flughafen zu
       schließen. Die Folgen haben wir bis heute.
       
       Trotzdem hat man den Eindruck, dass bislang kaum etwas passiert ist. 
       
       Die grundlegende Voraussetzung für die Sanierung war die Entwicklung eines
       Konzeptes, das die Frage beantwortet, was das Land Berlin mit dem Gebäude
       vorhat. Mit [1][der Vision 2030+], die wir 2020 erarbeitet haben und die
       vom Senat bestätigt wurde, haben wir nun ein robustes Nutzungskonzept.
       
       Eine Mischung aus Kunst, Kultur, Büroflächen und Eventspace, die dort
       entstehen soll. 
       
       Das ist aber erst ein Anfang. Als der Flughafen geschlossen wurde, wusste
       niemand, wie es um den Bauzustand bestellt ist. Die Bauzustandserfassung
       ist die Voraussetzung für die Instandsetzung und muss sehr gründlich
       gemacht werden. Danach braucht es eine Planung, ein Genehmigungsverfahren
       und ein Haushaltsverfahren, das die Finanzierung sichert. Das sind alles
       Themen, die einen langen Zeitvorlauf brauchen, bevor tatsächlich sichtbare
       Sanierungsmaßnahmen begonnen werden können.
       
       Gerade wurde mit der Eröffnung des Towers am Südende die Sanierung eines
       ersten, wenn auch nur kleinen Teils fertiggestellt. Welche
       Herausforderungen gab es dabei? 
       
       Das Gebäude ist eigentlich robust geplant und gebaut. In den ersten
       Kriegsjahren wurde die Baustelle noch weitergeführt, wurde gegen Kriegsende
       jedoch gestoppt. Bei [2][der Sanierung des THF-Towers] haben wir gesehen,
       dass die Planungen somit mit den Ausführungen nicht mehr übereinstimmen.
       Die verwendeten Materialqualitäten haben sich im Kriegsverlauf ebenfalls
       sehr verändert. Von außen macht das Gebäude einen massiven Eindruck, mit
       den Steinverkleidungen, aber dahinter findet sich ein leichtes Stahlgerüst.
       Das war in der Entstehungszeit eine ganz moderne Baumethode mit relativ
       kurzer Bauzeit. Wahrscheinlich zum Ende des Krieges, als vieles nicht mehr
       so koordiniert lief, wurden zum Teil wieder starre Ausmauerungen
       ausgeführt. Das heißt, da kommt ein biegsames System mit einem starren
       zusammen, was zu Problemen in der Statik führt. Verkürzt gesagt, man weiß
       nie, was einen hinter einer Wand erwartet.
       
       Oft wird ja der Denkmalschutz als große Bremse bei der Sanierung
       aufgeführt. Wie gehen Sie mit den Auflagen um? 
       
       Tempelhof ist einer der Orte in Berlin, der die europäische Geschichte
       erlebbar macht und das an jeder Ecke des Gebäudes. Es handelt sich um ein
       ganz besonderes Baudenkmal mit sehr vielen zu bewahrenden Zeitebenen. Wir
       haben hier die Planungszeit, die Erbauungszeit, die alliierte Zeit, die
       Luftbrücke, den Zivilflughafen und nicht zuletzt auch die Unterbringung von
       Geflüchteten. Diese Zeitschichten sind für kommende Generationen erhaltens-
       und schützenswert. Genau das macht es so interessant, aber auch teilweise
       schwierig. Mit der Denkmalpflege haben wir einen regelmäßigen und
       konstruktiven Austausch. Es passiert hier nichts ohne deren Einvernehmen
       und ohne Abstimmung.
       
       Ein derartiger Aufwand kostet viel Geld. 2021 haben Sie Kosten von zwei
       Milliarden Euro in den Raum gestellt. Wie sieht es jetzt angesichts der
       angespannten Haushaltslage mit der Finanzierung aus? 
       
       Zu unseren Aufgaben zählt auch, die vermieteten Flächen – das sind etwa
       zwei Drittel des Gebäudes – trotz des schwierigen Zustands weiterhin
       betriebssicher und funktionsfähig zu halten. Dafür beantragen wir
       Haushaltsmittel, zur Aufrechterhaltung des Standorts und für die
       Sanierungen oder den Ausbau der Flächen. Leider sind die Mittel für die
       nächsten Jahre stark gekürzt worden. Insofern bleibt es bei einem langsamen
       Vorankommen. Je länger es dauert, umso teurer wird es. Problematisch ist,
       dass wir einen Zustand, der völlig unzufriedenstellend ist,
       aufrechterhalten müssen. Das kostet viel Geld und bringt für die
       Entwicklung zugunsten des Standortes und der Stadt Berlin nichts.
       
       In Berlin gibt es riesigen Bedarf an Ateliers, Kunst- und Kulturflächen.
       Gleichzeitig sollte aus ökologischer Sicht Neubau vermieden werden. Ist es
       da nicht fahrlässig, die Sanierung länger als nötig hinauszuzögern? 
       
       Das ist absolut richtig. Im Koalitionsvertrag steht, Bestandsnutzung geht
       vor Neubau. Das ist in der jetzigen Situation, in der wir das Klima
       schützen müssen, die richtige Entscheidung. Vor einem Neubau muss man immer
       prüfen, ob es nicht eine nutzbare Bestandsfläche gibt. Der Flughafen
       Tempelhof hat noch viele unsanierte Flächen, die noch nicht in die Nutzung
       gebracht worden sind.
       
       Es gibt viele engagierte Initiativen, die Ideen für die Nutzung haben, sich
       aber nicht gehört fühlen. Warum bezieht man solche Akteure nicht stärker
       ein? 
       
       Das ist ein schwieriges Thema. An Ideen mangelt es nicht. Es mangelt an der
       Umsetzung. Hier müssen Grundsatzthemen angegangen werden. Es müssen Fragen
       beantwortet werden wie: Wie ist der Zustand? Welche Nutzungen brauche ich?
       Kann die denkmalgeschützte Substanz das leisten? Wie aufwendig ist die
       Sanierung? Wie beeinflusst das die Versorgungsinfrastruktur des Gebäudes?
       Wie finanziere ich das? Wie kriege ich eine Genehmigung? Das sind sehr
       umfangreiche und fachspezifische Aufgaben, die die Zivilgesellschaft nicht
       allein übernehmen kann.
       
       Aber wo liegt das Problem, Hangars für Zwischennutzungen freizugeben?
       [3][Verschiedene Initiativen, wie „Transformation Haus und Feld“ hatten
       schon Interesse angemeldet.]
       
       Die Flächen, die baurechtlich nutzbar sind, nutzen und vermieten wir, auch
       wenn es Funktionseinschränkungen gibt. Eine Zwischennutzung, egal welcher
       Fläche, braucht eine Baugenehmigung. Die erfordert Brandschutz und
       Tragsicherheit. Wenn ich diese zwei Grundlagen nicht erfüllen kann, steigen
       die Kosten immens, da somit jede Zwischennutzung eine vorherige,
       vollständige Sanierung erfordert. Die Nutzung unsanierter Flächen ist
       ausschließlich mit Brandwachen erlaubt, und diesen enormen personellen
       Aufwand kann keiner finanzieren. Sind die Veranstaltungen im Herbst oder
       Winter, kommen die Kosten für die Beheizung der riesigen Hangars hinzu. Mit
       dem Land Berlin war bereits abgestimmt, die Hangars 2 und 3 für Initiativen
       freizugeben und die Kosten zu übernehmen. Zeitgleich ergab sich jedoch der
       dringende Bedarf für die Unterbringung von Geflüchteten.
       
       Gibt es Beispiele für gelungene Zwischennutzungen? 
       
       Das kleine Bistro Orville’s am Platz der Luftbrücke. Wir haben lange
       versucht, für das alte Offizierskasino eine Nutzung zu finden, die
       Lebendigkeit reinbringt, wo alle, die am Standort arbeiten, einen Kaffee
       trinken oder Mittag essen können. Jedoch kann das Bistro nicht durchgehend
       öffnen, da die Kundenströme noch nicht ausreichend sind. Der belebtere
       Stadtteil ist auf der anderen Seite des Platzes. Dessen geplante
       Umgestaltung und die der Straßenführung sowie die Neugestaltung der Flächen
       vor dem Haupteingang des Flughafengebäudes werden die notwendige Belebung
       durch mehr Passanten fördern.
       
       Was bräuchte es noch, um den Ort mehr zu beleben? 
       
       Was uns noch fehlt, ist eine Nutzung für das Herzstück in der Mitte des
       Gebäudes. Es müsste eine Nutzung sein, die die Berlinerinnen und Berliner
       gerne aufsuchen, eine Verbindung von der Stadt, vom Hauptzugang durch die
       Haupthalle aufs Feld und zurück. Eine Nutzung, die die Möglichkeit bietet,
       anderen Menschen zu begegnen – wie zum Beispiel die Zentrale
       Landesbibliothek. Sie würde dafür sorgen, dass die Politik ganz anders
       dahinterstehen könnte und auch die Finanzierung leichter zu sichern wäre.
       Bis dahin wird die Entwicklung des Standortes nicht leicht sein.
       
       7 Sep 2023
       
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