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       # taz.de -- Debatte nach Kabelbränden bei der Bahn: Die Bahn besser schützen – nur wie?
       
       > Nach den Brandanschlägen auf Kabel der Bahn in Hamburg verspricht Faeser
       > einen besseren Schutz des Schienennetzes.
       
   IMG Bild: Die Kabelbrände in Hamburg sorgten für Zugausfälle – und teils verwaiste Bahnsteige
       
       Berlin taz | Am Sonntag rollte der Bahnverkehr zwischen Hamburg und Berlin
       wieder. Der Fern- und Regionalverkehr laufe wieder nach Plan, die
       Reparaturarbeiten seien abgeschlossen, erklärte eine Bahnsprecherin. Aber
       noch am Freitag hatten [1][wohl vorsätzlich gelegte Kabelbrände] die
       Strecke enorm beeinträchtigt. Und damit entflammte erneut die Debatte,
       [2][wie sicher die deutschen Bahnstrecken sind].
       
       Bundesverkehrsminister [3][Volker Wissing (FDP)] nannte „die Brandanschläge
       in Hamburg eine Form von Terrorismus“. Er erwarte ein „konsequentes
       Durchgreifen des Rechtsstaats“. Bundesinnenministerin [4][Nancy Faeser
       (SPD)] kündigte an, die Bahninfrastruktur „noch besser schützen“ zu wollen.
       Dabei setze man vor allem auf Videoüberwachung: Bis nächstes Jahr werde die
       Zahl der Kameras an Bahnanlagen von 9.000 auf 11.000 erhöht.
       
       Schnell tauchte auch ein [5][Bekennerschreiben auf dem linken Onlineportal
       Indymedia] auf. Man habe an drei Stellen „Verkehrsadern der
       kapitalistischen Infrastruktur sabotiert“, heißt es darin. Die Brände
       hätten sich gegen den Güterverkehr gerichtet, denn in Hamburg würden
       jährlich Millionen von Tonnen an Waren umgeschlagen, die „den Reichtum der
       Ausbeuter_innen des globalen Nordens zuungunsten des sogenannten globalen
       Südens mehren“. Man wollte damit „eine reale Delle in diese Maschinerie
       setzen“. Allerdings trafen die Brände durchaus auch den Personenverkehr:
       Nach Bahnangaben fielen 27 Züge komplett und 65 Züge teilweise aus. 70 Züge
       mussten umgeleitet werden und verspäteten sich.
       
       Laut der ermittelnden Polizei Hamburg wird das Bekennerschreiben in die
       Ermittlungen einbezogen. Man gehe von vorsätzlichen Brandlegungen und einem
       politischen Motiv aus. Neue Erkenntnisse kommunizierte die Behörde am
       Sonntag auf Nachfrage nicht. Die Polizei rief Zeug*innen auf, sich zu
       melden, die in der Nacht zu Freitag Verdächtiges an den Hamburger
       Bahnanlagen gesehen hätten.
       
       ## Zerstörte Kabel schon im Oktober 2022
       
       Die Debatte über die Sicherheit des deutschen Schienennetzes keimt damit
       wieder auf. Schon im Oktober 2022 war diese entbrannt, nachdem Unbekannte
       [6][Kabel in Herne und Berlin-Karow durchtrennt hatten] und damit den
       Bahnverkehr im Norden lahmgelegt hatten. Auch da versprach Faeser einen
       besseren Schutz der Bahninfrastruktur.
       
       Eine Bahnsprecherin sagte am Sonntag der taz aber auch: Bei knapp 34.000
       Kilometern Streckennetz sei „ein lückenloser Schutz der Infrastruktur
       nahezu unmöglich“. Seit dem vergangenen Jahr setze man aber zusätzliche
       Sicherheitskräfte ein, um die Anlagen besser zu schützen. Neben den 4.300
       eigenen Sicherheitsleuten, die „Hand in Hand“ mit den 5.500 Beamten der
       Bundespolizei arbeiteten, würden weitere mobile Streifen eingesetzt,
       insbesondere rund um die Stellwerke. In Wattenscheid, Bochum-Ehrenfeld und
       Essen haben man zudem drei neue Video-Überwachungstürme im Einsatz, so die
       Sprecherin. Oder im Regionalbereich West ein neues Wärmebildkamera-System,
       das auf dem Dach eines Dienstfahrzeugs auch Strecken in bis zu fünf
       Kilometern Entfernung überwachen könne.
       
       ## Ampel-Politiker fordern mehr als Videoüberwachung
       
       Ampelpolitiker sprangen Faeser am Sonntag teilweise bei – forderten aber
       weitergehende Maßnahmen. „Die Anschläge führen nochmal vor Augen, wie
       drängend die Fragen beim Schutz der Kritischen Infrastruktur sind“, sagte
       Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz der taz. „Hier müssen wir endlich
       aus dem Quark kommen.“ Videoüberwachung für Bahnstrecken könne dabei nur
       ein Baustein sein. Vielmehr brauche es zudem ausreichend
       Ersatzinfrastruktur für den Ernstfall und klare Zuständigkeiten, wer wie
       auf solche Vorfälle reagiert.
       
       Von Notz appellierte auch, den von Faeser vorgelegten [7][Entwurf zum
       Dachgesetz zur Kritischen Infrastruktur] entsprechend nachzubessern.
       „Diese dringlichen Fragen werden genau dort verhandelt.“
       
       Ähnlich äußerte sich der FDP-Innenexperte Manuel Höferlin gegenüber der
       taz. Es sei richtig, dass die Kritische Infrastruktur der Bahn besser
       geschützt werden müsse. „Es ist aber naiv zu glauben, dass eine
       Videoüberwachung das Problem lösen könne.“ Nicht jeder Meter Kabel des
       Schienennetzes lasse sich schützen. Vielmehr müssten „eine starke Resilienz
       sowie Back-up-Optionen für diese Infrastrukturen aufgebaut werden“, fordert
       Höferlin. „Es braucht mehr Rückfallebenen, so dass einzelne Störungen nicht
       direkt zum Totalausfall führen.“
       
       Laut Faeser wird nun erst mal weiter „mit Hochdruck“ zu den Kabelbränden
       ermittelt. Den Fall der zerstörten Bahnkabel im Oktober 2022 hatte sogar
       die Bundesanwaltschaft zeitweise übernommen. Hinweise auf ein politisches
       Motiv erhärteten sich aber nicht: Inzwischen gehen die Ermittler von
       Kabeldieben aus.
       
       10 Sep 2023
       
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