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       # taz.de -- Finanzströme in der Szene: Rechtsextreme weiter liquide
       
       > Innenministerin Faeser wollte rechtsextreme Finanzströme „austrocknen“.
       > Laut dem Thinktank Cemas generiert die Szene aber online weiter Gelder.
       
   IMG Bild: Ich bin der Martin, ne … ich brauche euer Geld!
       
       Berlin taz | Die Ansage von [1][Nancy Faeser] war klar: Man wolle
       rechtsextreme Netzwerke zerschlagen und die Finanzaktivitäten der Szene
       „aufklären und austrocknen“, erklärte die Bundesinnenministerin im März
       2022 in ihrem [2][Aktionsplan gegen Rechtsextremismus]. Das Bundesamt für
       Verfassungsschutz werde dafür seine Analysen rechtsextremer
       Finanzaktivitäten „deutlich ausweiten“. Ein neuer Bericht des Thinktanks
       Cemas, der rechtsextreme Onlineaktivitäten beobachtet, zeigt nun
       allerdings: Die Szene schafft es weiterhin auf vielfältigen Wegen, Gelder
       zu akquirieren.
       
       Klassisch finanzieren sich Rechtsextreme durch Konzerte, Mode,
       Versandhandel oder Kampfsportveranstaltungen. Cemas durchsuchte nun 419
       deutschsprachige Telegramkanäle. Der Anbieter hat sich unter
       Rechtsextremen inzwischen [3][als ein zentrales Kommunikationsportal]
       etabliert. Untersucht wurden 1.297.000 Telegram-Nachrichten von September
       2016 bis Mai 2023.
       
       Klassische Bankkonten bleiben laut dieser Analyse das beliebteste Mittel
       für rechtsextreme Geldflüsse. Insgesamt stieß Cemas auf 109 IBAN, mit denen
       Spendensammlungen via Telegram beworben wurden. Am häufigsten machten davon
       die rechtsextremen Identitären Gebrauch, deren IBAN in 322 Telegramkanälen
       auftauchte und mehr als 992.000 Aufrufe erzielte. Es gibt indes auch
       Gegenwehr: So wurden allein dem Identitären-Vordenker Martin Sellner laut
       eigener Auskunft seit 2017 fast 60 Konten gekündigt.
       
       ## Appell zu stärkerer Zusammenarbeit
       
       Zudem machte Cemas 40 PayPal-Konten und 20 „MoneyPools“ aus, die von
       Rechtsextremen genutzt wurden. So sammelte etwa der Corona-Verharmloser
       Bodo Schiffmann über einen MoneyPool mehr als 700.000 Euro vorgeblich für
       die Flutopfer im Ahrtal. Auch Kryptowährungen nutzt die Szene, hier zumeist
       Bitcoin. 95 Wallets von 28 rechtsextremen Akteur*innen machte Cemas aus.
       Allein der rechtsextreme Attila Hildmann soll damit 74.267 Euro eingenommen
       haben. Der Einsatz von Kryptowährungen in der Szene sei aber inzwischen
       stark rückläufig.
       
       Zudem habe die Szene über Crowdfunding-Kampagnen 45.332 Euro akquirieren
       können. Dazu kämen Livestreams, bei denen etwa der Identitäre Sellner
       innerhalb von 10 Monaten 2020 und 2021 rund 11.400 US-Dollar (etwa 10.600
       Euro) eingenommen haben soll. Zwar komme es wieder zu Sperrungen durch
       Anbieter – doch es gebe eine Reihe alternativer Ausweichplattformen.
       
       Cemas appellierte an Politik, Sicherheitsbehörden und Finanzinstitute,
       enger zusammenzuarbeiten, um rechtsextreme Finanzwege einzuschränken. Auch
       müssten die Sicherheitsbehörden ihre Experten in modernen Finanzwegen
       schulen und Finanzdienstleister rechtsextreme Spendenkampagnen schneller
       stoppen. Würden Geldströme frühzeitig trockengelegt, könnten rechtsextreme
       Karrieren erheblich eingeschränkt oder gar verhindert werden, so Cemas.
       
       ## Anklage gegen rechtsextremen Kneipenwirt
       
       Das Bundesinnenministerium erklärte, die Erkenntnisse von Cemas deckten
       sich „in etwa“ mit denen, die dem Ministerium vorlägen. So seien zuletzt
       nach rechtsextremen Spendenaufrufen über Bitcoin-Adressen Zahlungseingänge
       in insgesamt sechsstelliger Höhe beobachtet worden. Um den Aktionsplan
       gegen Rechtsextremismus in diesem Punkt umzusetzen, habe das Bundesamt für
       Verfassungsschutz für die Finanzermittlungen seine Ressourcen zuletzt
       „erheblich ausgebaut“, versicherte ein Sprecher der taz. Rechtsextreme
       Unternehmungsstrukturen und Finanznetzwerke würden „systematisch“
       analysiert. Die Unterbindung der Geschäfte sei letztlich aber eine
       „behördenübergreifende Aufgabe“.
       
       In Thüringen führte das zuletzt immerhin zu einer Anklage: Jahrelang konnte
       dort der rechtsextreme Kneipenwirt und Konzertorganisator [4][Tommy Frenck]
       frei schalten und walten. Nun bestätigte die Staatsanwaltschaft Mühlhausen,
       dass sie bereits Ende 2022 Anklage gegen den Mittdreißiger erhoben hat. Der
       Vorwurf: Steuerhinterziehung in Höhe von gut 140.000 Euro.
       
       12 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Nancy-Faesers-Zukunft/!5909139
   DIR [2] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2022/aktionsplan-rechtsextremismus.pdf?__blob=publicationFile&v=3
   DIR [3] /Kooperation-gegen-Rechtsextremismus/!5929294
   DIR [4] /Tommy-Frenck-bei-Buergermeisterwahl/!5860503
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
       
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