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       # taz.de -- Hamburg will Reederei MSC beteiligen: Bieterschlacht um den Hafen
       
       > Der Hamburger Senat will den Hafen mit der weltgrößten Reederei MSC
       > betreiben. Nicht nur der Logistikunternehmer Kühne ist nun sauer.
       
   IMG Bild: Ein Bild, dass bald noch häufiger in Hamburg zu sehen sein soll: MSC-Containerschiff im Hafen
       
       Hamburg taz | Der Hamburger Senat will in Zukunft gemeinsam mit der
       weltweit größten Reederei Mediterranean Shipping Company (MSC) [1][den
       Hafen betreiben.] Das gab er am Mittwochmorgen in einer kurzfristig
       einberufenen Pressekonferenz bekannt. „Die strategische Partnerschaft der
       Stadt Hamburg mit einer der weltweit führenden Reedereien ist ein
       Meilenstein in der weiteren Entwicklung unseres Hafens“, sagte
       Bürgermeister Peter Tschentscher im Beisein seines Finanzsenators Andreas
       Dressel, Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (alle SPD) und
       MSC-Geschäftsführer Soren Toft.
       
       So soll MSC künftig 49,9 Prozent an der Betreibergesellschaft Hamburger
       Hafen und Logistik AG (HHLA) halten, die Stadt will 50,1 Prozent halten.
       Der Senat erhofft sich dadurch einen Befreiungsschlag für den kriselnden
       Hafen. Allerdings sorgt der Entschluss auch für Irritation, Empörung – und
       eine Kampfansage des Logistik-Milliardärs Klaus-Michael Kühne.
       
       Drei der vier Hamburger Containerterminals betreibt die HHLA. Im
       vergangenen Jahr wurden darüber 6,4 der insgesamt 8,3 Millionen
       Standardcontainer in Deutschlands wichtigstem Hafen umgeschlagen. Die HHLA
       war bis 2007 komplett in Besitz der Stadt, ehe der damalige Senat unter Ole
       von Beust (CDU) beschloss, rund 30 Prozent der Aktien in den Streubesitz zu
       verkaufen. Den Einstieg einer Reederei aber schloss der Senat bislang immer
       aus.
       
       Nur an einzelnen Terminals kam es in der Vergangenheit zur Beteiligung von
       Reedereien: Der Hamburger Logistikkonzern Hapag-Lloyd ist am Terminal
       Altenwerder beteiligt; nach langwierigen Querelen und Debatten [2][stieg im
       Juni die chinesische Reederei Cosco mit einer Minderheitsbeteiligung am
       Terminal Tollerort ein.]
       
       ## Stadt kann Investitionen nicht alleine stemmen
       
       Tschentscher begründet die Beteiligung von MSC damit, dass die Stadt
       Investitionen, die die stagnierende Entwicklung beenden sollen, nicht
       allein stemmen könne. Es brauche dafür „partnerschaftlichen Begleitung“. In
       den vergangenen Jahren war der Umschlag rückläufig, während vor allem
       [3][die konkurrierenden Häfen in den Niederlanden zulegten.]
       
       Im Gegenzug garantiert MSC, seinen Umschlag in Hamburg bis 2031 auf
       mindestens eine Million Standardcontainer pro Jahr zu erhöhen. MSC verfügt
       über mehrere Hundert Containerschiffe. Jährlich transportiert die Reederei
       eigenen Angaben zufolge rund 23 Millionen Standardcontainer über die
       Ozeane. Zudem will der Konzern seine Deutschlandzentrale nach Hamburg
       verlegen und dort Arbeitsplätze schaffen.
       
       Dass es zum Zusammenschluss kommt, ist allerdings nicht sicher, schließlich
       muss MSC noch in den Besitz der 49,9 Prozent der Aktien kommen. Neben den
       etwa 19 Prozent, den die Stadt an MSC verkaufen will, braucht es dann noch
       die Aktien, die sich im Streubesitz befinden.
       
       Dafür macht MSC ein nach Aussage von Wirtschaftssenatorin Leonhard ein
       „sehr, sehr gutes Angebot“ von 16,75 Euro je Aktie. Bevor am Morgen die
       Zusammenarbeit bekannt gegeben wurde, lag der Wert noch bei rund 11,50
       Euro. Seit der ersten Ausgabe der Aktien 2007 ist der Wert um mehr als 70
       Prozent gefallen. Ob die Anleger:innen also auf das Angebot eingehen,
       ist offen.
       
       Hinzu kommt, dass bereits kurz nach der Bekanntgabe der Aktienwert einen
       Sprung sogar über das MSC-Angebot gemacht hat. Das dürfte auch an
       Klaus-Michael Kühne liegen: Der in der Schweiz wohnende Logistikunternehmer
       mit enger Verbindung nach Hamburg zeigte sich über das Vorgehen des Senats
       empört und will den Plan gegebenenfalls durch ein Gegenangebot zu Fall
       bringen, wie er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte.
       
       „Ersten Zugriff auf eine Minderheitsbeteiligung an der HHLA hätte man
       natürlich einem echten Hamburger Unternehmen wie Hapag-Lloyd einräumen
       müssen“, sagte Kühne. „Ich kann Hapag-Lloyd nur dringend raten, selbst und
       sofort ein Übernahmeangebot für 49,9 Prozent der HHLA-Aktien abzugeben.“
       Sollte das nicht geschehen, würde er kurzfristig über ein Gegenangebot
       seiner privaten Unternehmensholding entscheiden. Bis Redaktionsschluss
       blieb offen, ob Kühne tatsächlich ein Gegenangebot wagt.
       
       Hapag-Lloyd-Chef Rolf Habben Jansen zeigte sich am Mittwoch zurückhaltend,
       auch hinsichtlich der Frage, ob nicht der Einstieg einer Reederei von der
       Konkurrenz kritisch gesehen wird: „Wir gehen davon aus, dass dies unsere
       Zusammenarbeit mit der HHLA nicht beeinträchtigen wird“, sagte er der
       Deutschen Presse-Agentur (dpa).
       
       ## Die Linke kritisiert die Privatisierung
       
       Weitere Reaktionen aus der Hamburger Wirtschaft und der Opposition auf die
       anvisierte Zusammenarbeit mit MSC sind dagegen weniger zurückhaltend,
       liegen dafür aber umso weiter auseinander: Die Linksfraktion kritisiert die
       Privatisierung, spricht vom „Ausverkauf des Hafens“. Verwunderlich sei die
       Entscheidung des Senats, da er zuvor noch das von Kühne bereits vergangene
       Woche bekundete Interesse an einer HHLA-Beteiligung abgelehnt hatte.
       
       Dass nun ein anderer privater Akteur im Hafen mitentscheiden darf, sei
       fatal. „Die Folge dieser Übernahme ist der dominierende Einfluss einer
       Reederei auf alle Terminals der HHLA und damit auf einen bedeutenden Teil
       der Hafenentwicklung“, sagte der hafenpolitische Sprecher Norbert
       Hackbusch.
       
       Dagegen hält die CDU den Schritt für überfällig „nach Jahren rot-grüner
       Misswirtschaft und Passivität im Hamburger Hafen“, wie der
       wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion, Götz Wiese, sagte. Die
       FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein sieht gleichzeitig
       Chancen und Risiken im MSC-Einstieg: „Die marode Hafeninfrastruktur könnte
       davon profitieren; jedoch könnten sich andere Reedereien von Hamburg
       abwenden, womit die Tonnage im Hafen weiter sinken würde.“
       
       Ähnlich gegensätzlich sind die Positionen der Handelskammer und der
       Gewerkschaft Ver.di. „Die angestrebte strategische Partnerschaft kann ein
       entscheidender Befreiungsschlag für den Hamburger Hafen werden“, sagt
       Handelskammer-Geschäftsführer Malte Heyne und erwartet nun vor allem aus
       seiner Sicht dringend nötige Investitionen in die Hafenlogistik. Heyne
       zufolge könnte die jetzt getroffene Entscheidung den Auftakt für weitere
       private Beteiligungen bilden.
       
       Demgegenüber sieht Ver.di durch den Verkauf der Anteile die Zukunft der
       Beschäftigten gefährdet. „Wir fordern die Stadt auf, transparent
       aufzuzeigen, wohin die Reise gehen soll“, sagt der bei Ver.di für den Hafen
       zuständige Fachbereichsleiter André Kretschmar. Notwendig sei nun ein
       eindeutiges Bekenntnis zur Tariftreue, zum Erhalt der Arbeitsplätze und der
       betrieblichen Mitbestimmung.
       
       13 Sep 2023
       
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