# taz.de -- Rechtsradikale bedrohen Aktivist*innen: Nazis gegen Fridays
> Klimaktivist:innen erhalten zunehmend Morddrohungen von Neonazis.
> Früher wurden sie von den Rechten als „Zecken“, heute als „Grüne“
> beschimpft.
IMG Bild: Im Visier von Neonazis: Klimaaktivist Tino Pfaff im Juni 2020
Berlin taz | Viel wurde sie heraufbeschworen, die [1][Gefahr einer
Radikalisierung der Klimabewegung]. Doch Fridays for Future gehen noch
immer brav angemeldet auf die Straßen, Ende Gelände belässt es bei
gewaltfreien Aktionen und die Letzte Generation mag radikal
aufopferungsvoll oder nervig sein, aber nicht gefährlich – und schon gar
keine „Klima-RAF“. Daran ändern politisch motivierte [2][Ermittlungen wegen
Bildung einer kriminellen Vereinigung] nichts.
Vielmehr deuten Expert:innen genau jene Ermittlungen der bayerischen und
brandenburgischen Staatsanwaltschaften als Ausdruck einer radikalisierten
gesellschaftlichen Stimmung gegen die Klimaaktivist:innen. Der Wind,
der ihnen entgegenschlägt, ist rauer geworden, im Netz und auf den Straßen.
Wie radikal und gefährlich das werden kann, machte zuletzt Tino Pfaff,
Weimarer Mitgründer von Extinction Rebellion, auf Social Media öffentlich.
Ende August erhielt er Morddrohungen auf sein Handy: „Bei dir beharren wir
darauf, dich zu quälen und im Anschluss zu töten“, steht da etwa. Der taz
sagt Pfaff: „Der Täter nimmt dabei Bezug zu meinem Klimaaktivismus und
fordert, dass ich damit aufhöre“.
Auch Anrufe mit Stimmenverzerrer habe es gegeben. Eine NPD-Nähe habe der
Verfasser der Drohungen selbst hergestellt, seine Umtriebe in Netzwerken,
die der antisemitischen Verschwörungsideologie einer New World Order
anhängen, konnten nachvollzogen werden. Pfaff gilt bei den Behörden
inzwischen als gefährdete Person.
## Anti-Grün-Sein ist zu einer Ideologie geworden
Für Pfaff ist der Hass nicht neu, aber dieser habe zuletzt eine „ganz
andere Qualität“ erreicht. Auch im Netz gebe es deutlich mehr
Stimmungsmache: „Ich kann keinen Tweet mehr absetzen, ohne dass sich da in
kürzester Zeit Hasskommentare darunter sammeln.“ Dies habe seit der
Übernahme des Netzwerks durch Elon Musk massiv zugenommen.
Im realen Leben merkt Pfaff noch eine andere Veränderung: „Wurde ich früher
auf der Straße als ‚Zecke‘ beschimpft, heißt es heute einfach: ‚Du
Grüner‘.“ Für viele sei das inzwischen ein Schimpfwort für alles Linke und
Progressive. Die Debatte über das Heizungsgesetz habe gezeigt, „dass dieses
Anti-Grün-Sein schon eine eigene Ideologie geworden ist“.
Erstmals schien diese Entwicklung vor drei Jahren auf, mit dem enormen
Zulauf für die Facebook-Gruppe „Fridays for Hubraum“ und massenhaften
Vergewaltigungs- und Mordfantasien gegen FFF-Gründerin Greta Thunberg.
Weitere Gruppen sind dazugekommen, darunter Hetzseiten, die von dem
Automobilclub Mobil betrieben werden, wie der Künstler [3][Arne Vogelgesang
in seinem Vortrag „Wie die Rechten die Klimabewegung angreifen“] berichtet.
## Hass auf Letzte Generation
Zur Zielscheibe geworden ist insbesondere die Letzte Generation, nicht nur
bei rechten Hatern im Netz, sondern auch bei Politiker:innen und
etablierten Medien. Erinnert sei an die Debatte darüber, ob man
„Klimakleber“ selbst von der Straße befördern darf. Oder wie es
Bild-Kolumnist Joachim Steinhöfel im hauseigenen TV sagte: „Wenn jemand
vorgibt, die Welt retten zu wollen, sollte er nicht so dünnhäutig sein,
dass es ihm groß etwas ausmacht, wenn etwas Haut auf der Straße kleben
bleibt.“
Die Folge: Deutschlandweit fast 150 Ermittlungsverfahren gegen
Autofahrer:innen wegen Angriffen. „Die Stimmung ist massiv gekippt“,
sagt auch [4][Jakob Springfeld, Mitgründer von FFF Zwickau]. Inzwischen
„finden auch vermeintlich unpolitische Leute alles schlecht, was nach
Klimaschutz klingt.“
Dabei war es für ihn schon zum Start der Gruppe 2019 nicht leicht: „Man ist
16, hat kein Bock, dass das Klima zerstört wird, und ist dann plötzlich mit
Nazis konfrontiert.“ Fotos von ihm wurden veröffentlicht, Nazi-Aufkleber an
den Briefkasten seiner Eltern geklebt. Zu einer FFF-Aktion gab es gar eine
Gegendemo mit laufendem Dieselgenerator und Bratwurstgrillen.
Geprägt werde die Antistimmung durch die AfD, die die Klimakrise leugne und
den Protest als unbegründet zurückweise, so Springfeld. Doch Begriffe wie
„Klimahysterie“ kämen auch aus CDU oder FDP. Seine Erfahrungen mit dem
Druck von Rechtsaußen hat er in dem Buch „Unter Nazis. Jung, ostdeutsch,
gegen rechts“ verarbeitet. Gelernt habe er: „Wir werden kein Thema, auch
nicht Klimaschutz durchsetzen können, wenn Faschisten an der Macht sind.“
15 Sep 2023
## LINKS
DIR [1] /Ex-RAFler-ueber-Letzte-Generation/!5891843
DIR [2] /Strafverteidiger-ueber-Letzte-Generation/!5936702
DIR [3] https://www.youtube.com/watch?v=Y7dHqisLG5o
DIR [4] /Aktivist-ueber-Antifaschismus/!5930910
## AUTOREN
DIR Erik Peter
## TAGS
DIR Schwerpunkt Fridays For Future
DIR Schwerpunkt Klimaproteste
DIR Schwerpunkt Neonazis
DIR Weimar
DIR Schwerpunkt Klimawandel
DIR Twitter / X
DIR Schwerpunkt Klimaproteste
DIR IG
DIR Schwerpunkt Fridays For Future
DIR Schwerpunkt Fridays For Future
DIR Kolumne Die eine Frage
DIR Schwerpunkt AfD
DIR Kolumne Der rechte Rand
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Kurznachrichtendienst Bluesky: Das große Hallo am blauen Himmel
Viele Twitter-Nutzer:innen wechseln zur neuen Plattform Bluesky. Dort
geht es bisher deutlich gesitteter zu. Trotzdem braucht es kritische
Distanz.
DIR Letzte Generation-Blockadeorte geleakt: Erfüllungsgehilfe der Polizei
Bild und B.Z. haben geheime Blockadeorte der Letzten Generationen
veröffentlicht. Womöglich half das der Polizei, Blockaden zu verhindern.
DIR Razzia gegen Neonazis: Faeser verbietet „Hammerskins“
Die Bundesinnenministerin hat den rechtsextremen Verein „Hammerskins
Deutschland“ verboten. Die Razzia sei über ein Jahr lang vorbereitet
worden.
DIR Fridays protestieren fürs Klima: Weniger, aber sehr lebendig
Thunberg streikt in Stockholm, Neubauer in Berlin und Grönemeier singt in
Hamburg: Der globale Klimastreik war bunt, aber in diesem Jahr etwas
kleiner.
DIR Aktivist*innen im Aufmerksamkeitstief: Der liebe Teil der Klimabewegung
Zweimal im Jahr Klimastreik und ab und zu eine Talkshow, war's das? Fridays
for Future müssen sich auch mit sich selbst beschäftigen. Oder nicht?
DIR Nach der Debatte ums Heizungsgesetz: Was wird aus der Klimapolitik?
Wirtschaftsminister Habeck hat das Ruder herumgerissen, die Leute hören ihm
wieder zu. Versagt haben die angeblich so Klima-Engagierten.
DIR Rechtsextremismus in Brandenburg: „Ein Rückschritt in die Neunziger“
Mit ihrem Schweigen zu rechten Vorfällen gefährdet die Landesregierung den
Strukturwandel, sagt der Rechtsextremismusforscher Gideon Botsch.
DIR „Querdenken“-Bewegung: Wenn Nazis linke Parolen rufen
Coronaleugner:innen skandieren auf ihren Demos Fridays for
Future-Parolen. Die Aneignung linker Symbole ist Strategie.