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       # taz.de -- Exile Media Forum in Hamburg: Journalismus aus dem Untergrund
       
       > In Hamburg wurde über Lage von Exiljournalist*innen debatiert – auch
       > darüber, wie es ist, wenn man plötzlich als Terrorismus-Förderer
       > eingestuft wird.
       
   IMG Bild: Das Studio des iranischen Exilmediums Radio Zamaneh in Amsterdam
       
       Farzad Seifikaran ist leitender Redakteur beim im [1][Amsterdam] ansässigen
       iranischen Exilmedium Radio Zamaneh – und zumindest nach Auffassung des
       iranischen Außenministeriums fördert er in dieser Position den Terrorismus.
       Im Dezember letzten Jahres verkündete [2][die Behörde in Teheran], dass
       sich Radio Zamaneh unter anderem der „Aufstachelung“ zum Terrorismus
       schuldig gemacht habe. Spätestens seitdem ist Seifikaran in Gefahr.
       
       Beim Exile Media Forum [3][in Hamburg] erzählte er am Montag, vor einigen
       Monaten hätten ihn drei niederländische Polizisten zu Hause aufgesucht und
       ihn nicht nur über die Gefahrenlage informiert, sondern auch mit einer
       Mini-Apparatur ausgestattet. Wenn er die Polizei damit benachrichtige, so
       die Beamten, sei diese in fünf Minuten bei ihm. Seifikaran sieht diese
       Sicherheitsmaßnahme mittlerweile mit Galgenhumor: „Wenn die iranische
       Regierung mich töten will, braucht sie dafür wahrscheinlich eine Minute.“
       
       Die bedrohliche Sicherheitslage für Exiljournalist*innen war eines der
       Themen des von der Körber-Stiftung organisierten Forums, das im Rahmen der
       1. Hamburger Woche der Pressefreiheit stattfand. Die afghanische
       Journalistin Zarah Joya, 2022 vom Time Magazine als eine der „Frauen des
       Jahres“ ausgezeichnet, berichtete auf demselben Panel, dass die Taliban
       sogar ihre Eltern ins Visier genommen hätten – weshalb diese Afghanistan
       verlassen mussten. Joya ist Gründerin der mittlerweile in London ansässigen
       Plattform Rukhshana Media. Hier berichten afghanische Frauen über für
       Afghaninnen relevante Themen.
       
       ## Exilmedien in Deutschland
       
       Afghanische Journalist*innen waren stark vertreten unter den Gästen des
       Exile Media Forums, das als Informations- und Vernetzungsveranstaltung für
       Exiljournalist*innen aus aller Welt diente – und es den Teilnehmenden
       ermöglichte, Kontakte zu Organisationen zu intensivieren, die
       Journalist*innen im Exil bei Visafragen, organisatorischen Problemen
       und mit Fördergeldern unterstützen. Darunter der im April 2022 gegründete
       European Fund for Journalism in Exile (JX Fund), initiiert von Reporter
       ohne Grenzen, Schöpflin Stiftung und Rudolf Augstein Stiftung.
       
       Einen Überblick über die Landschaft von Exilmedien in Deutschland zu geben,
       sei schwierig, sagte Penelope Winterhager, die Geschäftsführerin des JX
       Fund, bei der Veranstaltung. In der Regel seien Exilmedien in mindestens
       zwei, drei Ländern vertreten. Von den weltweit derzeit 86 russischen
       Exilmedien hätten zum Beispiel ein Drittel eine Verbindung zu Deutschland.
       
       Das könne aber Verschiedenes bedeuten: dass ein Medium hier ein offizielles
       Büro oder auch bloß einen Mitarbeiter habe. Bei afghanischen Exilmedien sei
       die Situation ähnlich. Lotfullah Najafizada, CEO von Amu TV mit Hauptsitz
       in den USA, sagte, seine Multimedia-Plattform habe Mitarbeitende „in mehr
       als 20 Ländern“.
       
       ## Kaum Jobs für ausländische Journalist*innen
       
       Eine der Panel-Moderator*innen, die österreichische Publizistin Solmaz
       Khorsand, warf die Frage auf, welchen Einfluss Exilmedien in ihren
       Herkunftsländern haben. In Afghanistan gebe es nicht nur keine freien
       Medien mehr, sondern nicht einmal die Möglichkeit, über soziale Netzwerke
       Kritik zu üben, sagte Zarah Joya von Rukhshana Media dazu.
       
       Daher sei Exiljournalismus für die Menschen vor Ort besonders wichtig. Von
       Moderatorin Khorsand angesprochen auf die Frauen, die derzeit von
       Afghanistan aus im „Untergrund“ für Rukhshana Media arbeiten, sagte Joya:
       „Sie werden niemals aufgeben, so schwierig die Bedingungen auch sein
       werden.“
       
       „Untergrund“ meint in diesem Fall wesentlich gefährlichere Bedingungen, als
       man mit dem Begriff gemeinhin verbindet: Frauen dürfen in Afghanistan das
       Haus nicht mehr ohne Erlaubnis männlicher Familienmitglieder verlassen. Die
       Sittenpolizei der Taliban habe Frauen „bis hin zur Selbstisolierung
       traumatisiert“, heißt es in einem aktuellen Artikel bei Rukhshana Media.
       
       Als Vertreterin ukrainischer Journalist*innen, die nach Beginn des
       russischen Angriffskriegs nach Deutschland geflüchtet waren, war Valeriia
       Semeniuk eingeladen. Sie hatte 2022 gleich nach ihrer Ankunft in Berlin
       begonnen, für den Tagesspiegel zu schreiben. Die Zeitung gehöre aber zu den
       Ausnahmen von der Regel, meinte sie. Insgesamt gebe es für geflüchtete
       Kolleg*innen aus der Ukraine zu wenig Publikationsmöglichkeiten. Einige,
       klagt Semeniuk, hätten sich mangels Perspektiven bereits Jobs jenseits des
       Journalismus gesucht.
       
       14 Sep 2023
       
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