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       # taz.de -- Nach EU-Korruptionsskandal „Katargate“: Die Ernte von „Katargate“
       
       > Eine Mehrheit im Europaparlament stimmt für mehr Transparenzregeln für
       > EU-Abgeordnete. Das konservative Lager weiterhin dagegen.
       
   IMG Bild: EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola beim Plenum am Mittwoch
       
       Brüssel taz | Das Europaparlament hat sich gegen massiven Widerstand aus
       dem konservativen Lager schärfere Transparenzregeln gegeben. Eine deutliche
       Mehrheit der Abgeordneten sprach sich bei der Plenartagung in Straßburg am
       Mittwochabend dafür aus, dass alle Mandatsträger eine Erklärung über ihr
       Vermögen abgeben müssen, und zwar zu Beginn und am Ende des Mandats.
       
       Außerdem soll es künftig strengere Regeln für die Annahme von Geschenken
       und für die Übernahme von Reisekosten durch Dritte – zum Beispiel durch
       fremde Regierungen – geben. Deutlich mehr Treffen mit Lobbyisten müssen
       veröffentlicht werden. Die sogenannten „Freundeskreise“ mit Drittländern
       werden strenger reguliert.
       
       Das Parlament zieht damit Konsequenzen aus dem „[1][Katargate]“, einem bis
       heute nicht vollständig aufgeklärten Korruptionsskandal, in den die
       ehemalige Vizepräsidentin Eva Kaili verwickelt war – mutmaßliche
       Einflussnahme und Schmiergelder aus Katar und Marokko, die Ende 2022
       bekannt wurden.
       
       ## Die konservative EVP bremst wieder
       
       Parlamentspräsidentin Roberta Metsola hatte kurz nach Bekanntwerden des
       Skandals ein 14-Punkte-Programm für Reformen vorgelegt. Die Umsetzung wurde
       jedoch vor allem durch die konservative Europäische Volkspartei (EVP)
       verzögert. Die EVP, der auch CDU und CSU angehören, stand auch jetzt wieder
       auf der Bremse.
       
       Die neuen Transparenzregeln, die unter Federführung der SPD-Abgeordneten
       Gabi Bischoff ausgearbeitet wurden, könnten die Freiheit des Mandats
       einschränken, hieß es in der CDU. Dass sich die Abgeordneten für Treffen
       außerhalb des Parlaments rechtfertigen müssten, sei unerträglich. Zudem
       gehe die Reform am „Katargate“ vorbei.
       
       Tatsächlich sind viele Aktivitäten, die während der Ermittlungen durch die
       belgische Justiz ans Tageslicht kamen, schon heute illegal. Die
       Entgegennahme von Schmiergeldern war nie erlaubt. Doch manches, wie
       luxuriöse Reisen nach Katar oder vertrauliche Gespräche in Freundeskreisen,
       bewegte sich in einer rechtlichen Grauzone.
       
       Das will das Parlament nun ändern. „In Zukunft werden wir auf den Cent
       genau sehen, wie viel Abgeordnete nebenbei verdienen und ob sie weiterhin
       in der Lage sind, ihr Mandat im öffentlichen Interesse auszuführen“, sagte
       Bischoff. „Das Europaparlament wird durch die Reformen spürbar
       transparenter“, lobt der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund.
       
       ## Nicht alle Forderungen wurden durchgesetzt
       
       Allerdings konnten sich die Reformer, zu denen neben Sozialdemokraten und
       Grünen auch die Liberalen zählen, nicht mit allen Forderungen durchsetzen.
       [2][So fehlt immer noch eine unabhängige Kontrolle zur Einhaltung der
       Lobbyregeln]. Dies sei „am schmerzhaftesten“, so Freund. Er werde jedoch
       weiter um Reformen kämpfen.
       
       Lobbycontrol begrüßte die neuen Verhaltensregeln, die am 1. November in
       Kraft treten. Zwar reichten diese nicht aus, doch seien es zumindest „ein
       paar wichtige Verbesserungen“. Der liberale Abgeordnete Gilles Boyer sprach
       von einem „ersten Baustein“. In Sachen Transparenz bleibe allerdings „noch
       viel zu tun“.
       
       Dies gilt auch für die EU-Kommission und andere europäische Institutionen.
       Sie verfügen zwar über eigene Regeln, die Transparenz herstellen und
       Korruption verhindern sollen. Diese sind jedoch nicht einheitlich und ihre
       Einhaltung wird kaum überwacht.
       
       So konnte der frühere EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) nach seinem
       Abschied von Brüssel mehrere gut dotierte Jobs annehmen, obwohl dies
       eigentlich ausgeschlossen war. [3][Eine bereits im Juni angekündigte
       übergreifende Ethikbehörde], die diese und andere Lücken schließen soll,
       lässt immer noch auf sich warten.
       
       14 Sep 2023
       
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