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       # taz.de -- Pro Klimastreik: Die Fridays machen es richtig
       
       > Die FFF-Erfolge zeigen: Für mehr Klimapolitik braucht es Druck und
       > Kreativität. Die Brechstangen-Methode der Letzten Generation spaltet nur.
       
   IMG Bild: Schülerinnen bei einer Fridays-for-Future-Demonstration in Berlin 2022
       
       Die Fridays sind nötiger als je zuvor. Keine Frage: Für eine einigermaßen
       glimpfliche Beschränkung der globalen Klimakrise braucht es eine
       Revolution. Besser: Viele Revolutionen. Für fossilfreie Gebäude, für einen
       Netto-null-Verkehr, für 100 Prozent Ökostrom, für eine saubere Industrie
       und für eine naturnahe Landwirtschaft. Der deutsche Anteil an der
       notwendigen weltweiten Halbierung der Emissionen muss groß sein und
       wachsen.
       
       Wie schafft man diese Revolution? Nach dem letzten halben Jahr ist klar:
       Sicher nicht mit der Brechstange. Sondern mit Druck, zivilem Ungehorsam,
       Kreativität und Kooperation. Und das heißt: Die [1][Strategie der Letzten
       Generation], Veränderung durch friedliche, aber maximale Konfrontation zu
       erreichen, geht in Deutschland nicht auf. [2][Die Fridays mit ihrem
       kooperativen Stil bringen die Klimapolitik viel eher voran.]
       
       Die Forderungen der [3][Letzten Generation] klingen gut: Ein kompletter
       fossiler Ausstieg bis 2030 wäre vielleicht technisch machbar und unter
       großen Schmerzen sogar eventuell finanzierbar. Aber politisch? Kaum
       durchsetzbar. So sehr manche davon träumen: Diese Art von Klimarevolution
       findet in Deutschland nicht statt. Klimapolitik mit der Brechstange ist im
       Land der politischen Ängstlichkeit und des Zwangs zum Konsens nicht
       mehrheitsfähig.
       
       Siehe das „Gebäudeenergiegesetz“. Es hatte Mängel in Struktur und
       Kommunikation, die seine Diffamierung als „Heiz-Hammer“ erleichterten. Nun
       hat es Klimaminister Robert Habeck seinen Ruf als grüner Überflieger und
       auch noch Patrick Graichen gekostet, seinen besten Mann für die
       Energiewende.
       
       ## Unterstützung für Klimabewegung halbiert
       
       Gleichzeitig scheiterte das Berliner Klima-Volksbegehren im März mit seiner
       radikalen Forderung nach netto null 2030 daran, dass nicht genügend
       Menschen zur Abstimmung gingen. Indes hat sich die Unterstützung für die
       deutsche Klimabewegung laut einer repräsentativen Umfrage zwischen 2021 und
       2023 von 68 auf 34 Prozent halbiert. Grund dafür sind vor allem die
       Blockadeaktionen der „Letzten Generation“. Dabei findet immer noch eine
       Mehrheit Klimaschutz wichtig.
       
       Der Vertrauensschwund in die Klimabewegung ist ein Alarmzeichen. Denn der
       Erfolg der Fridays bestand genau darin: Bewusstsein und Bereitschaft für
       Veränderungen in der Klimakrise zu schaffen – bis weit in viele Bereiche
       der Gesellschaft hinein. Das hat Wahlen beeinflusst, erfolgreiche Klagen
       angestoßen, Deutschland ein gutes Klimaschutzgesetz beschert und den Green
       Deal auf EU-Ebene unterstützt.
       
       Statt diesem übergreifenden Ansatz richtet sich die Strategie der Letzten
       Generation auf maximalen Druck, mediale Aufmerksamkeit und großen Ärger.
       Aus dieser Situation von Genervtheit und Aggression heraus, so das Kalkül,
       soll die Regierung einschneidende Maßnahmen treffen. Diese Strategie ist
       falsch. Einerseits ist für die Änderung von Gesetzen das Parlament
       zuständig. Außerdem lässt sich keine Regierung gern erpressen. Vor allem
       aber verkennt sie, aus welchen Gründen heraus tiefgreifender Wandel möglich
       ist – auch und vor allem der radikale und disruptive Wandel, der für eine
       Bewältigung der Klimakrise nötig ist.
       
       Menschen ändern sich nur ungern, wenn sie dazu gezwungen werden. Und die
       Notwendigkeit von disruptivem Wandel ist zwar da, trifft jedoch 2023 auf
       eine erschöpfte Gesellschaft. Viele Menschen haben die Nase voll von
       grundstürzenden Veränderungen ihrer Lebenswelt: Corona, Krieg und Inflation
       verunsichern die Leute schon genug. Wer (inhaltlich zu Recht) fordert,
       alles Fossile sofort über Bord zu werfen, verkennt die gesellschaftlichen
       Realitäten.
       
       ## Fordern und gleichzeitig die Leute mitnehmen
       
       Die Klimabewegung steckt im Dilemma: zu Recht radikales und sofortiges
       Umsteuern zu fordern und gleichzeitig die Leute mitzunehmen. Aber gerade
       weil die Situation so brenzlig und Handeln so dringend ist, darf keine Zeit
       mit vermeidbarer Konfrontation verloren werden.
       
       Die Klimabewegung muss eine kluge Strategie finden, ihre Lieblingsfeinde
       einzubinden: AutofahrerInnen, die FDPCDUCSU, die Industrie, die Landwirte –
       keiner von ihnen konnte es sich auf dem Höhepunkt der Fridays leisten, die
       Forderungen der eigenen Kinder am Frühstückstisch zu ignorieren.
       
       Wie gehen Soziales und Klimaschutz zusammen? Welche Chancen für ein
       angenehmeres und gesünderes Leben stecken in autoarmen Schwammstädten?
       Warum geben wir Milliardensubventionen an Klimakiller, wenn der Staat bei
       der Kindergrundsicherung spart? Fragen, bei denen die Fridays mit ihren
       Vernetzungen in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft ein wichtiges Wort
       mitreden können – und das auch sollten.
       
       Die Brechstange wird gebraucht. Aber man darf sie nicht gegen die Menschen
       einsetzen. Sondern muss sie nehmen, um die fossilen Strukturen
       aufzuknacken.
       
       14 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Pötter
       
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