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       # taz.de -- Studie über Wachstum und Emissionen: Geld macht nicht grün
       
       > Die Wirtschaft soll wachsen und gleichzeitig nachhaltig werden.
       > Wissenschaftler haben bei 36 Industriestaaten untersucht, ob das bisher
       > gelingt.
       
   IMG Bild: Industriekletterer im Windpark bei Albertshof
       
       Mit der Dampfmaschine begann es einst. Arbeit wurde so produktiv, dass ein
       Wirtschaftswachstum entstand. Und mit diesem Wachstum entwickelte sich der
       Kapitalismus. Der fossile Energieverbrauch stieg stetig und damit auch das
       Wachstum.
       
       Dummerweise spielte der menschengemachte Treibhauseffekt bei dieser
       Entwicklung lange Zeit keine Rolle, weshalb wir heute ein Klimaproblem
       haben. Kapitalismus erzeugt nicht nur einmalig Wachstum, das System muss
       stetig wachsen, um stabil zu bleiben.
       
       Deshalb wurde [1][das „grüne Wachstum“ ausgerufen]: War bislang für mehr
       Wachstum mehr Verbrauch fossiler Energie entscheidend, soll jetzt eine
       Entkoppelung stattfinden. Also ein Wachstum mit grüner Energie und
       steigender Energieeffizienz.
       
       In Deutschland ist [2][nach Regierungsangaben] das Bruttoinlandsprodukt
       seit 1990 um 43 Prozent gestiegen, der Primärenergieverbrauch im selben
       Zeitraum um 11 Prozent gesunken. Die Entwicklung ist bewusst hervorgerufen;
       auf diese Weise möchte Deutschland kapitalistisches Wirtschaften
       ermöglichen und gleichzeitig die Erderhitzung stoppen.
       
       ## Die Studie
       
       [3][Ob das tatsächlich gelingen kann], hat eine Studie untersucht, die
       gerade im Fachjournal The Lancet Planetary Health veröffentlicht wurde.
       Darin verglichen die Autoren Jefrim Vogel von der University of Leeds und
       Jason Hickel von der Universität Barcelona die im Pariser Klimaabkommen
       vereinbarten Reduktionsziele von 36 Industriestaaten mit ihren
       tatsächlichen Emissionen.
       
       Das Ergebnis: Kein Land mit hohem Einkommen hat das erreicht, was man zu
       Recht als grünes Wachstum bezeichnen könnte. Nur elf der untersuchten
       Staaten schafften im Untersuchungszeitraum 2013 bis 2019 überhaupt eine
       Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und den Treibhausgasemissionen:
       Australien, Belgien, Kanada, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Luxemburg,
       die Niederlande, Schweden, das Vereinigte Königreich und Österreich.
       
       Und dennoch: Deutschland attestieren die Autoren den dreißigfachen
       Handlungsbedarf bei der Entkoppelung, wenn die Bundesrepublik bis Mitte des
       Jahrhunderts tatsächlich klimaneutral werden will. „Nichts an dem
       wirtschaftlichen Wachstum dieser Länder ist grün“, so Hauptautor Vogel.
       
       Denn die Diskrepanzen zwischen den Klimazielen und den derzeitigen Trends
       sind enorm: Im Schnitt würde es laut Studie noch rund 220 Jahre dauern, bis
       die Emissionen dieser Staaten um jene 95 Prozent reduziert werden, die im
       Pariser Klimaabkommen bis 2050 beschlossen sind. Auf dem Weg dahin würden
       die untersuchten Staaten 27-mal so viel emittieren, wie im Pariser Abkommen
       vereinbart. Durchschnittlich wäre [4][eine Entkopplung notwendig], die
       zehnmal so hoch ist wie jetzt – erst dann könnte sie als grün bezeichnet
       werden.
       
       ## Was bringt’s?
       
       Eine wichtige Anregung für die Klimadebatte. Denn wenn die Autoren Recht
       behalten, können wir die Klimawende mit einem „Weiter so – bloß in Grün“
       nicht schaffen.
       
       17 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Wohlstand-fuer-die-ganze-Welt/!5919308
   DIR [2] https://www.energiewechsel.de/KAENEF/Redaktion/DE/Bilder/Infografiken/energieverbrauch.html
   DIR [3] https://www.thelancet.com/journals/lanplh/article/PIIS2542-5196(23)00174-2/fulltext
   DIR [4] /Erderwaermung-und-Degrowth/!5917286
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nick Reimer
       
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