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       # taz.de -- Mental Health Coaches: Psychologische Aufklärung jetzt!
       
       > Das Familienministerium hat ein Modellprogramm gestartet, mit dem es die
       > mentale Gesundheit von Schüler*innen stärken will. Na endlich.
       
   IMG Bild: Modellprogramm soll die mentale Gesundheit von Schüler:innen stärken
       
       Es war Corona und wir hatten eine Doppelstunde Bio, auf die sich niemand
       richtig vorbereitet hatte. Alle duckten sich weg, um nicht drangenommen zu
       werden. Irgendwann gab unsere Lehrerin auf und fragte uns stattdessen, wie
       es uns geht. Erst waren wir überrascht von ihrer Frage, dann fingen einige
       von uns an, über ihre Gefühle zu sprechen. Und was soll ich sagen: Das hat
       gut getan!
       
       Okay, das war sicher nicht der einzige Moment in meiner Schulzeit, in dem
       sich mal eine Lehrer*in für unsere Psyche interessiert hätte, aber es war
       einer von wenigen. Und wenn sich mal jemand von den Lehrkräften dafür
       interessierte, dann kamen sie eher einzeln auf uns zu, als uns als Klasse
       zu adressieren, und auch nur dann, wenn sie besonders engagiert waren und
       auch die nötigen [1][Kapazitäten] dafür hatten.
       
       Dabei hat man doch spätestens ab der Pubertät jede Menge Probleme. Es ist
       ja auch ganz schön herausfordernd, gleichzeitig nach der eigenen Identität
       zu suchen, seinen Platz in der Gruppe zu finden, sich zum ersten Mal zu
       verlieben, Klassenarbeiten zu schreiben und sich dann auch noch Sorgen
       darüber zu machen, wie es nach dem Abschluss weitergeht. Und im Fall meines
       Jahrgangs kam zu allem Überfluss die Pandemie hinzu.
       
       ## Mental Health Coaches an Schulen
       
       Kein Wunder also, dass Kinder und Jugendliche seit dem coronabedingten
       Homeschooling und den damit verbundenen [2][Isolationserfahrungen] viel
       häufiger an Depressionen, Angst- und Essstörungen erkrankt sind als noch
       vor ein paar Jahren, wie das Bundesfamilienministerium erst kürzlich wieder
       bestätigt hat.
       
       Gleichzeitig werden viele mit ihren psychischen Problemen alleingelassen.
       Zumindest die, die aus Familien kommen, die ihnen aufgrund von finanzieller
       Not, mangelnder Kenntnis des Gesundheitssystems oder Sprachproblemen bei
       der Suche nach professioneller Unterstützung nicht wirklich helfen können.
       Und manchmal ist es ja auch das Elternhaus selbst, das der Grund dafür ist,
       dass es jemandem schlecht geht.
       
       Deshalb ist es längst überfällig, dass das Familienministerium nun ein
       [3][Modellprogramm] gestartet hat, mit dem es die mentale Gesundheit von
       Schüler*innen stärken will. Erreicht werden soll dies, indem Fachkräfte
       aus der Sozialpädagogik, Sozialarbeit und Psychologie an etwa 100
       Schulen in Deutschland entsendet werden, wo sie der Schülerschaft als
       sogenannte Mental Health Coaches zur Seite stehen. Die Bundesregierung
       fördert das Programm mit 10 Millionen Euro. Umgesetzt wird es von den
       Jugendmigrationsdiensten.
       
       ## Wenn es für Prävention schon zu spät ist
       
       Schwerpunkt sollen diverse Gruppenangebote sein, in denen die
       Schüler*innen mehr über Themen wie Resilienz, Selbstfürsorge,
       Depressionen oder Angststörungen erfahren.
       
       Und was, wenn es für Prävention schon zu spät ist?
       
       Dann sollen die Coaches dabei helfen, an die passende Therapie zu kommen,
       berichtet eine Sprecherin der Jugendmigrationsdienste. Ziel sei auch,
       schon bestehende Hilfsangebote in der Region besser zu vernetzen. Zunächst
       sei das Projekt für dieses Schuljahr angesetzt, eine Verlängerung sei aber
       möglich.
       
       Das klingt erst mal super! Doch natürlich ist ein Programm mit 100 Schulen
       bei mehr als 32.200 Schulen mit rund 8,68 Millionen Schüler*innen in
       Deutschland viel zu wenig.
       
       Warum wird psychologische Aufklärung immer noch so klein gedacht? Und warum
       ist sie nicht längst ein fester Bestandteil des Lehrplans so wie Drogen-
       und Suchtprävention auch?
       
       Ich finde, wir sollten nicht erst damit anfangen, wenn es zu spät ist.
       
       17 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Schulanfang-in-Berlin/!5956009
   DIR [2] /Corona-und-psychische-Gesundheit/!5911066
   DIR [3] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/presse/pressemitteilungen/sagen-was-ist-tun-was-hilft-lisa-paus-startet-bundesprogramm-mental-health-coaches-230652
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Salome Neumann
       
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