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       # taz.de -- Vorwürfe gegen Russell Brand: Unter der Hand schon lange bekannt
       
       > Medien machen schwere Vorwürfe gegen den Comedian Russell Brand publik,
       > darunter Vergewaltigung. Er selbst sieht eine Verschwörung.
       
   IMG Bild: Russell Brand in London. Seine Tour wurde mittlerweile abgesagt
       
       Am vergangenen Samstag veröffentlichten [1][die britischen Zeitungen]
       Times, Sunday Times und Despatches die Dokumentationssendung von Channel 4,
       Ergebnisse einer mehrjährigen Recherche: Dem berühmten Komiker und
       Moderator Russell Brand wird vorgeworfen, zwischen 2006 und 2013 mindestens
       vier [2][Frauen sexuell genötigt], ausgenutzt oder vergewaltigt zu haben.
       Brand bestreitet die Vorwürfe.
       
       So soll er 2005 im Alter von 30 Jahren eine dreimonatige ausbeuterische
       Beziehung mit einer damals erst 16 Jahre alten Schülerin geführt haben.
       Angeblich habe Brand sie sogar vom offiziellen Chauffeurdienst der [3][BBC]
       von der Schule abholen lassen und sie darin instruiert, was sie gegenüber
       anderen, inklusive ihrer eigenen Eltern, über die Beziehung sagen soll. Sie
       erinnere sich laut den Recherchen an Oralsex, bei dem sie Brand stark in
       den Magen schlagen musste, damit er aufhört, sonst wäre sie laut eigener
       Aussage erstickt.
       
       Eine ehemalige Freundin Brands, Jordan Martin, beschuldigte Brand schon in
       einem 2014 veröffentlichten Buch der sexuellen Belästigung im Jahr 2007.
       Sie erklärte im Zuge der aktuellen Vorwürfe erneut, dass sie hinter ihren
       Aussagen stehe. Zwei weitere Frauen werfen Brand versuchte Vergewaltigung,
       eine von ihnen Vergewaltigung vor.
       
       ## Mitarbeiter rekrutierten Frauen
       
       Russell Brand, auf dem Höhepunkt seiner Karriere bekannt für sein
       hochgeföhntes Hairstyling, sein offenes Hemd, Halsketten, Jesusbart und
       Kajalstrich, etablierte sich mit schrägen Blödeleien zunächst auf MTV.
       Immer wieder fiel er durch sexualisierte Aussagen gegenüber Frauen auf. So
       auch in einer Sendung für Channel 4 über die britische Realityshow „Big
       Brother“, die er moderierte.
       
       In seiner Zeit als Channel-4-Moderator soll laut der Recherche seine
       Sexsucht begonnen haben. Brand soll damals Mitarbeiter um die Kontaktdaten
       von jungen Frauen aus dem Publikum gebeten oder ihnen mitteilen lassen
       haben, in welchem Hotelzimmer er anzutreffen sei. „Wie Zuhälter für
       Russells Bedürfnisse“, bezeichnete es eine ehemalige Mitarbeiterin. Der
       Comedian Daniel Sloss gab an, dass Frauen im Comedygeschäft einander vor
       Russell Brand gewarnt hätten.
       
       Als Brand im weiteren Verlauf seiner Karierre mehr und mehr als
       Radiomoderator für die BBC arbeitete, äußerte er immer wieder live, dass er
       gerne eine BBC-Nachrichtensprecherin „unter dem Tisch vernaschen“ wolle. Es
       gab deswegen zwar Beschwerden, für Brand hatten sie allerdings keine
       Konsequenzen. Mit Gewinnerinnen von Wettbewerben für Hörer:innen seiner
       Sendungen – „absichtlich immer Frauen“, wie es in der Recherche heißt –
       soll er in den Toiletten des BBC-Gebäudes Sex gehabt haben – seine
       Vorgesetzte Lesley Douglas soll davon gewusst haben. Das schrieb Brand
       sogar selbst in seiner Biografie.
       
       ## Mit Russell Brand ließ sich Geld verdienen
       
       Heute ist klar: Die BBC trägt Verantwortung dafür, Brands Verhalten zu lang
       geduldet zu haben. Erst 2008 fühlte sich Brand gezwungen, seinen Job bei
       der BBC nach einer Suspendierung aufzugeben. Er hatte gemeinsam mit seinem
       Co-Moderator während einer Radioshow eine Nachricht auf dem
       Anrufbeantworter eines Schauspielers hinterlassen. Sie verkündeten darauf,
       dass Brand Sex mit dessen Enkelin gehabt habe. Seiner Karriere schadete das
       nicht. Brand startete kurz darauf in Hollywood durch. Dort trafen zwei
       weitere mutmaßliche Betroffene auf ihn.
       
       Über Brands Sexsucht witzelte nicht nur er selbst. Auch in Medien wie The
       Sun wurde sie, positiv konnotiert, ausgeschlachtet. Er garantierte
       Reichweite, mit ihm war also Geld zu verdienen. Zunehmend benutze er seine
       Stimme aber auch politisch: Er war Gastredakteur des linken Wochenmagazins
       New Statesman und Kolumnist des linksliberalen Guardian.
       
       2005 ließ sich der Labour-Führer Ed Milliband von Brand interviewen, um so
       seine Chancen bei den bevorstehenden Nationalwahlen zu boostern. Auch
       Jeremy Corbyn profitierte vom Zuspruch des Comedians.
       
       ## Verbreitung von Verschwörungstheorien
       
       Brand bestreitet, je eine Frau genötigt oder vergewaltigt zu haben. Beim
       Sex hätte es stets gegenseitige Einwilligung gegeben, verkündete er in
       einer Videobotschaft an seine Fans. Auf Youtube, Ramble, Tiktok und
       Instagram hat er in seiner neusten Inkarnation als Gesundheitsguru
       Millionen von Followern. Immer wieder erwähnt er dort auch
       Verschwörungstheorien etwa zu den Attacken in New York am 11.9. 2001, zum
       Ukrainekrieg oder zu Covidimpfstoffen.
       
       Die Anschuldigungen gegen ihn verstehe er als vereintes Vorhaben der
       etablierten Medien, seinen Kanal und die Stimme seiner Zuschauer:innen
       zu kontrollieren, behauptet er in einem Videostatement. Solidarität mit ihm
       bekommt er auf X, ehemals Twitter, nun unter anderem von Elon Musk und
       Influencer Andrew Tate, der in Rumänien derzeit wegen Vergewaltigung und
       Menschenhandels angeklagt ist.
       
       Am Montag kam es nach Aufrufen der Metropolitan Police auch zu einer
       polizeilichen Anzeige gegen einen vorerst ungenannten Mann bezüglich eines
       Vorfalls im Jahr 2003 in der Londoner Innenstadt. Die Times gab an, sie sei
       im Besitz von Informationen zu mindesten zehn weiteren möglichen
       Betroffenen. Weitere Frauen hätten sich seit den Veröffentlichungen
       gemeldet.
       
       Brands laufende Tournee wurde inzwischen abgesagt, die BBC machte zudem
       einige der Sendungen mit ihm unzugänglich. Youtube sorgte dafür, dass Brand
       keine Werbeeinahmen mehr mit seinen Videos generieren kann.
       
       Laut dem Generaldirektor der BBC Tim Davie werde man jeglicher Beschwerde
       zu Brand nachgehen. Die Geschäftsführerin von Channel 4, Alex Mahon, hält
       außerdem die Aufdeckung weiterer Fälle wie desjenigen Russel Brands für
       möglich. Die Vorsitzende des für Medien zuständigen britischen
       parlamentarischen Ausschusses Caroline Dinenage gab an, dass Brands
       Verhalten ein offenes Geheimnis gewesen sei. Das Problem sei, dass das
       Führungspersonal der Sender, die Brand beauftragten, trotz all der
       Beschwerden und Gerüchte nicht eingegriffen habe.
       
       Mittlerweile ermittelt gegen Russell Brand dieselbe Scotland-Yard-Einheit,
       die zur Untersuchung der Fälle rund um den Moderator und hundertfachen
       Sexualstraftäter Jimmy Savile gegründet wurde.
       
       21 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
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