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       # taz.de -- Tatort „Erbarmen. Zu spät.“: Männer, die gucken und rauchen
       
       > Ein Krimi über rechte Umtrieben in der hessischen Polizei birgt
       > Potenzial. Doch letztlich plätschert der Tatort mit bemühten Dialogen vor
       > sich hin.
       
   IMG Bild: Filmisch ein Wagnis, der Film spielt an nur einem Abend und in einem sehr reduzierten Setting
       
       Experimentell-düster wird es diesen Sonntag [1][in der hessischen Einöde].
       Alles beginnt mit dem leicht neben der Spur wirkenden Polizisten Simon Laby
       (Sebastian Klein), der gegen Abend aus seinem Streifenwagen heraus eine
       Geschwindigkeitsmessung vornehmen soll.
       
       Nicht ganz bei der Sache, lässt er einige zu schnelle Autos an sich
       vorbeifahren. In der Dämmerung nimmt er dann Kurs auf eine Tankstelle, um
       ein paar private Besorgungen zu machen, während er mit seiner schwangeren
       Frau telefoniert. Auf dem Weg zu seinem Wagen wird er auf ein paar kiffende
       Jugendliche aufmerksam, belässt es jedoch bei einer Verwarnung.
       
       Sein weiterer Weg führt ihn nun, wo es bereits dunkel ist, auf ein Feld. Er
       stellt seine Uhr auf 6 Uhr, damit er rechtzeitig zu seinem Frühdienst am
       nächsten Tag wach ist. Und dann durchschneiden helle Scheinwerfer die
       Dunkelheit und es kommt ein zweites Auto. Es sieht so aus, als ob Laby aus
       einem krummen Ding aussteigen will – Doch die beiden Männer im anderen Auto
       sind darüber nicht wirklich amused. Dass dieses Treffen nicht gut ausgehen
       wird, ist schnell klar.
       
       Doch nur wenig später bekommt einer der beiden Männer, nämlich Anton
       Schilling (Niels Bormann) ein alkoholgeschwängertes schlechtes Gewissen und
       geht zur Polizei, um den Mord an Simon Laby zu melden. Und so kommt es,
       dass Kommissar Paul Brix (Wolfram Koch) und seine Kollegen noch am selben
       Abend mit dem Verdächtigen Schilling auf dem Feld ihre Runden drehen, um
       den Ort des Mordes zu finden.
       
       ## Mit stark reduziertem Setting
       
       Währenddessen stellt sich heraus, dass das Opfer Laby nicht nur ein
       vorbildlicher Polizist war, sondern in seinem Ferienhaus auch recht viel
       Dosenfutter sowie Waffen und Munition hortete und sich ein eigenes
       Polizeiauto zu Recht lackierte. Und damit nicht genug – es scheint bei der
       hessischen Polizei eine rechte Prepper- und Verschwörergruppe zu geben, die
       unter anderem Drohbriefe von Polizeicomputern verschickten und einschlägige
       Chatgruppen betrieben. [2][Der NSU 2.0 lässt grüßen!]
       
       Filmisch ist dieser „Tatort“ ein Wagnis, denn er spielt an nur einem Abend
       und in einem sehr reduzierten Setting: Nämlich fast ausschließlich auf Feld
       und im Wald, mit nur wenig Beleuchtung und akustisch passend untermalt mit
       Synthie-Klängen der Band „Dallas Acid“. Ab und zu wird eine Person mit
       Licht gehighlightet, was an die übliche Darstellung von UFO-Entführungen
       erinnert. Die Bilder sind gut umgesetzt und erzeugen eine düstere
       Atmosphäre, aber wirklich mitzunehmen vermag die ganze Story leider nicht.
       
       Viel Potenzial wäre in dieser Geschichte [3][zu rechten Umtrieben in der
       hessischen Polizei] gewesen; doch es wird nicht ausgeschöpft. Weder kommen
       die Hintergründe der rechten Polizisten zutage, noch verstehen es die teils
       bemühten Dialoge zu fesseln. Und auch das Spiel mit der finsteren Nacht
       wird auf die Dauer ermüdend. Man schaut Männern zu, die in die Dunkelheit
       starren. Männer, die rauchen, Männern, die in gepflegten
       Youngtimer-Fahrzeugen sitzen, und Männern, die gedankenverloren aufs Feld
       gucken. Letzten Endes plätschert der Film so lange dahin, wie der
       Dienststellen-Leiter Bachmann (Werner Wölbern) aufs Feld pinkelt.
       
       10 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Almuth Müller
       
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