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       # taz.de -- Nach Massaker im Kongo: Regierung weist Schuld von sich
       
       > Videos zeigen, wie Soldaten des Präsidenten Zivilisten töten. Doch die
       > Regierung spielt den Vorfall runter und zeigt auf das Nachbarland Ruanda.
       
   IMG Bild: Das kongolesische Militär – hier am 5. September in Goma – sieht die Schuld bei anderen
       
       Kampala taz | „Wenn ein amerikanischer Soldat seine Waffe nimmt und in
       einer Kaserne oder in einer Schule ein Dutzend Menschen erschießt, heißt es
       auch nicht, dass er einen Befehl erhalten hat, so etwas anzurichten“,
       argumentierte Kongos Regierungssprecher Patrick Muyaya auf einer
       Pressekonferenz am Mittwoch. Man merkt ihm an: Die Regierung befindet sich
       in absoluter Erklärungsnot.
       
       Vergangene Woche hatten frisch in Israel ausgebildete Spezialeinheiten der
       kongolesischen Armee in der ostkongolesischen Millionenstadt Goma [1][in
       eine Menschenmenge geschossen]. Dabei wurden [2][über 40 Zivilisten
       getötet], über 50 verletzt und rund 160 festgenommen. Unter den Toten sind
       auch Frauen und ein 4-jähriges Kleinkind, das eine Kugel in den Bauch traf.
       
       Die Beweislast ist erdrückend: Zahlreiche Videos, die in den sozialen
       Medien kursieren, zeigen, wie die Soldaten der Präsidentengarde Dutzende
       [3][Leichen wie Vieh auf einen Lastwagen wuchten], wie Soldaten auf
       Verletzte schießen, die bereits am Boden liegen, wie Soldaten letztlich die
       [4][Habseligkeiten der Ermordeten stehlen], indem sie deren Ziegen, Hühner
       und Haushaltsgegenstände plündern. Auf den ersten Blick also alles klare
       Kriegsverbrechen, ausgeführt von den am besten trainierten Einheiten, die
       Präsident Felix Tschisekedi direkt unterstehen.
       
       Doch die Regierung weist alle Verantwortung von sich. Neben dem
       Regierungssprecher Muyaya steht bei der Pressekonferenz in Kongos
       Hauptstadt Kinshasa am Mittwoch Innenminister Peter Kazadi. Er hat in den
       vergangenen Tagen die Ermittlungen vor Ort geleitet und war gerade aus der
       ostkongolesischen Provinzhauptstadt Goma zurückgekehrt.
       
       ## „Kein Interesse, etwas zu vertuschen“
       
       Kazadi erklärt den „Einzelfall“, wie er es nennt, zum „Ausrutscher, der
       überall passiert – auch in den USA“, so Kazadi. Man müsse „die
       Verantwortung woanders suchen, als an jenen Orten, an denen die Tat
       stattfand“, kommt er zum Schluss. „Es ist schwer, die Verantwortung auf
       Seiten der Regierung zu sehen.“
       
       Damit macht er Anspielungen auf eine potenzielle Rolle Ruandas – mit dem
       sich Kongos Regierung im Krieg fühlt. Laut UN-Ermittlungen unterstützt
       Ruanda die kongolesischen Tutsi-Rebellen der [5][M23 (Bewegung des 23.
       März)], die im vergangenen Jahr weite Teile der Provinz Nord-Kivu erobert
       haben und mehrfach gedroht hatten, auch die Handelsstadt Goma einzunehmen.
       
       Laut Innenminister Kazadi hatte Kongos Militärgeheimdienst und
       Grenzbehörden am Abend vor dem Massaker Informationen erhalten, dass
       Ruandas Spezialeinheiten entlang der Grenze zu Kongo aufmarschiert seien.
       Die Grenze verläuft unmittelbar durch die Millionenstadt Goma. „Dieser
       Aufmarsch hat unsere Truppen in höhere Alarmbereitschaft versetzt“,
       erklärte er.
       
       Wer exakt nun den Befehl zum Schießen gegeben hat, so der Innenminister,
       werde ein Kriegsgericht entscheiden. „Ich versichere ihnen, dass wir kein
       Interesse daran haben, etwas zu vertuschen“, fügte er hinzu.
       
       ## Der Militärgouverneur meldet sich krank
       
       Bereits wenige Tage nach dem Massaker am 30. August wurden mutmaßliche
       Verantwortliche innerhalb der Armee in Goma vor das Kriegsgericht gestellt.
       Darunter Oberst Mike Kalamba Mikombe, Kommandant der Präsidentengarde in
       Goma sowie General Donat Bawil, der die Landstreitkräfte in der Provinz
       kommandiert.
       
       Mikombe, der den Einsatz geleitet hatte, hat vor dem Militärgericht
       ausgesagt, er habe vor dem Eingriff mit seinem Vorgesetzten in Kinshasa
       sowie dem Militärgouverneur der Provinz telefoniert, um den Einsatz
       abzusegnen.
       
       General Constant Ndima, Militärgouverneur von Nord-Kivu, der auch die
       zivile Verwaltung unter sich hat, weil die Provinz unter Kriegsrecht steht,
       bestätigte Mikombes Anruf. Sie hätten in diesem Gespräch auch den
       Truppenaufmarsch an der Grenze besprochen, erklärte dieser. Ndima wurde
       nach Kinshasa beordert und meldete sich dort nun offiziell „krank“.
       
       Entlassen wurde er allerdings nicht. Er bleibt Gouverneur, vorerst leitet
       aber sein Vize General Nduru Chaligonza die Provinz. Dieser besichtigte
       direkt am ersten Tag seiner Amtsübernahme am Donnerstag die Schützengräben
       nördlich von Goma, entlang der Grenze zu Ruanda. Mit ausgestrecktem Finger
       zeigt er über die Hügel in Richtung Nachbarland und spricht seinen Truppen
       Moral zu.
       
       8 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schlindwein
       
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