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       # taz.de -- Neuer Schweizer „Tatort“: Wenn Drohnen die Handlung rahmen
       
       > Die „Tatort“-Folge „Blinder Fleck“ aus Zürich verlangt Aufmerksamkeit.
       > Wer sie aufbringt, wird mit einem vielschichtigen Plot belohnt.
       
   IMG Bild: Kommissarin Tessa Ott (Carol Schuler) und ihre Kollegin Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher, re.)
       
       Was fällt [1][einem bei Zürich ein]? Ja, klar, der Zürichsee und das
       Alpenpanorama in weiter Ferne, die Limmat, Zwingli und seine Kirche,
       vielleicht noch das moderne Zürich jenseits der pittoresken Altstadt … aber
       Drohnen? Die nämlich dominieren den neuen [2][Schweizer „Tatort“] und der
       ist – um es vorweg zu nehmen – richtig gut, weil, so könnte man sagen, die
       Handlung mittels Drohnen vorangetrieben wird. Das wirkt einerseits
       dynamisch, andererseits wie eine Klammer, denn die „Tatort“-Folge „Blinder
       Fleck“ verlangt Aufmerksamkeit, ohne hat man den Erzählfaden schnell
       verloren. Aber der Reihe nach.
       
       „Das sieht nach Hinrichtung aus“, sagt Kommissarin Isabelle Grandjean (Anna
       Pieri Zuercher) am Tatort mitten im idyllischen Zürcher Oberland: In einem
       Auto liegt eine erschossene Frau, vor dem Fahrzeug zwei tote Männer. Alle
       mit Kopfschuss getötet. Im Auto hat ein aufgeregter Kanarienvogel das
       Massaker überlebt. Und – was Grandjean aber erst später entdeckt – ein
       sechsjähriges Mädchen: Ella hat sich unter dem Rock der getöteten Mutter
       versteckt. Die Kleine klammert sich den Film über an ihre Retterin – das
       ist herzzerreißend –, auch als längst die Kinderpsychologin involviert ist.
       Kollegin Tessa Ott (Carol Schuler) ermittelt derweil.
       
       Ott lernt einen Forstarbeiter kennen, der in seiner Freizeit Greifvögel
       mittels Drohne beobachtet – der Rotmilan hat es Luka angetan. Seine
       Drohnenaufnahmen des Waldes, in dem die Hinrichtung stattfand, spielen
       alsbald eine wichtige Rolle.
       
       Die Verbindung der drei Mordopfer ist schnell ermittelt. Ellas Eltern waren
       gemeinsam mit dem Investor Joel Müller Inhaber eines Start-ups namens
       „Protected View“. Die Firma hat mit „Blind Spot“ (siehe eingedeutschter
       Filmtitel) ein Programm entwickelt, das computergesteuerte
       Gesichtserkennung erschweren kann – und da kommen die Drohnen ins Spiel.
       KI-basierte Gesichtserkennung ist ja längst im Einsatz, im privaten wie im
       militärischen Bereich, mit allen Auswüchsen. Müller wollte das Start-up an
       das US-Unternehmen „Security Rumpf“ verkaufen – das wiederum passte Ellas
       Eltern überhaupt nicht. Denn die Firma „Security Rumpf“ verdient ihr Geld
       mit drohnengesteuerten Überwachungssystemen – und es wäre nicht das erste
       Mal, dass eine Firma eine andere schluckt, nur um deren Erfindung aus dem
       Verkehr zu ziehen.
       
       ## Paramilitärische Gruppen
       
       Der Plot ist unglaublich kompliziert und dicht, das hätte bei so manchem
       Streamingdienst für eine Miniserie gereicht. Denn die Geschichte führt
       außerdem in die Vergangenheit, das ist eine zweite Spur: Die beiden
       ermordeten Männer – der Start-up-Gründer und dessen Bankberater – waren
       Mitglieder eine paramilitärischen Gruppe von Kroaten, die im Bosnienkrieg
       Kriegsverbrechen verübten. Sehr schwere Krimikost.
       
       In der mit Wucht grandios erzählten Tragödie geht es um
       Vergangenheitsbewältigung, um Schuld und Sühne und Vergeltung. Niemand
       zeigt sein wahres Gesicht, alle spielen ein doppeltes Spiel, und aus Opfern
       werden Täter. Und die Drohnen sind allgegenwärtig – denen gehört „die
       Zukunft, daran ist nichts mehr zu ändern“, heißt es in einer Szene. Die
       Drohnen rahmen die Handlung und forcieren sie bis zum dramatischen Schluss.
       Ein, so könnte man sagen, multiperspektivisch erzählter Film. Wie
       innovativ. Wie spannend. Wie gut.
       
       24 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hergeth
       
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