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       # taz.de -- Die Republikaner in den USA: Süchtig nach Trump
       
       > Nicht trotz, sondern wegen seiner Gerichtsverfahren führt Trump die
       > Beliebtheitsskala seiner Partei an. Sexismus und Rassismus stört seine
       > Fans nicht.
       
   IMG Bild: Er will die USA „great again“ machen. Schon wieder
       
       Nach vier strafrechtlichen Anklagen, zahllosen Zivilprozessen und
       jahrelangen Wahllügen scheinen die meisten republikanischen Wähler
       Ex-US-Präsident Donald Trump immer noch nicht aufgeben zu können. Einer
       [1][aktuellen Umfrage] zufolge liegt Trump bei den republikanischen
       Vorwahlen mit 56 Prozent weit an der Spitze, gefolgt von Ron DeSantis, dem
       Gouverneur von Florida, mit nur 14 Prozent.
       
       Eine etwas verwirrende Situation, wenn man bedenkt, wie viel Ballast der
       ehemalige US-Präsident mit sich herumschleppt, ganz zu schweigen von seiner
       Wahlniederlage 2020. Trumps rechtliche Situation hat sich seither nur noch
       zugespitzt. Gegen ihn wird sowohl auf Bundes- als auch auf Staatsebene
       ermittelt, nachdem er versucht hat, die letzte Wahl zu kippen. Er wurde
       wegen sexualisierter Gewalt gegen die [2][Schriftstellerin E. Jean Carroll]
       verurteilt.
       
       Außerdem könnten ihm viele Jahre Haft drohen wegen weiterer Straftaten,
       wobei gar nicht ausgeschlossen ist, dass er auch vom Gefängnis aus noch für
       das höchste Amt kandidiert. Trotz alledem scheint Trumps Einfluss auf die
       Republikanische Partei ungebrochen, was die Frage aufwirft: warum? Eine
       erste Erklärung ergibt sich aus Trumps Konkurrenz bei den republikanischen
       Vorwahlen – oder vielmehr aus dem Mangel einer solchen.
       
       Noch Anfang des Jahres herrschte große [3][Aufregung um DeSantis], der als
       eine Art Trump ohne das juristische Gepäck galt. DeSantis ist vor allem für
       seinen Erfolg in Florida bekannt, wo er die Gouverneurswahlen 2022 mit
       einem Erdrutschsieg, einem Vorsprung von 20 Prozentpunkten, vor seinem
       demokratischen Gegner für sich entschied. Infolgedessen wurde ihm weithin
       zugeschrieben, dass er dazu beigetragen hat, einen einstmals violetten
       Staat in tiefes Rot zu färben.
       
       ## DeSantis ist kein echter Gegner
       
       Mit diesem Ergebnis trieb er die Vorstellung voran, dass er wählbarer sei
       als Trump und eher in der Lage, Wechselwähler zu gewinnen. Nach seinem Sieg
       wurde DeSantis in der Grand Old Party (GOP) auch für seine Entscheidung
       gefeiert, die Wirtschaft Floridas während der Pandemie offenzuhalten,
       obwohl der Staat eine [4][überdurchschnittlich hohe Zahl an Todesopfern] zu
       beklagen hatte.
       
       Zudem wurde er für die Flut rassistischer und LGBTQ-feindlicher
       Gesetzentwürfe gepriesen, die die Legislative seines Bundesstaats
       verabschiedet hatte, darunter Gesetze, die es Lehrern [5][verbieten, in
       Schulen über sexuelle Orientierung zu sprechen], und die
       Diversityinitiativen an Hochschulen angreifen. Damit enden im Grunde die
       guten Nachrichten für DeSantis.
       
       Trotz der großen Hoffnungen, die einige Republikaner auf ihn setzten, und
       der stärkeren Unterstützung im vergangenen Winter ist sein Rückhalt in den
       letzten Monaten stark gesunken. Das beste Umfrageergebnis erreichte er im
       Januar 2023 mit 37 Prozent gegenüber 44 Prozent für Trump. Seither sind
       DeSantis’ unbeholfene Wahlkampfauftritte, seine umstrittenen politischen
       Entscheidungen zu Themen wie Abtreibung und seine verwirrende Fehde mit
       Disney nur einige seiner Fehltritte, die die Unterstützung seiner
       Parteifreunde um 20 Prozent sinken ließ.
       
       DeSantis’ schwächelnde Kandidatur ermöglichte es Trump, einige Wähler
       wieder für sich zu gewinnen. Die größte Sorge einiger republikanischer
       Wähler ist vermutlich, dass er nicht in der Lage sein wird, genügend
       Menschen in der Mitte anzusprechen, um Biden zu schlagen. DeSantis hat sich
       jedoch bisher als derartiger Flop erwiesen, dass einige Republikaner bereit
       zu sein scheinen, es mit Trump zu riskieren, statt auf den weniger
       charismatischen Nachahmer zu setzen.
       
       ## Auftrieb durch die Anklagen
       
       Das ist der wichtigste Grund für Trumps anhaltende Popularität: Es gibt
       einfach keine Alternative, die bei den Wählern wirklich Anklang fände. Zur
       gleichen Zeit, als DeSantis und andere zu kämpfen hatten, hat Trump durch
       die [6][Serie von Anklagen] nur weiteren Auftrieb erhalten. Man hätte im
       Grunde davon ausgehen müssen, dass ein Präsidentschaftskandidat durch eine
       Strafverfolgung wahrscheinlich disqualifiziert, zumindest aber einigen
       Schaden davontragen würde.
       
       Bei Trump war das nicht der Fall. Stattdessen hat er aus jeder Anklage, die
       gegen ihn erhoben wurde, Kapital schlagen können, indem er behauptete, er
       sei das Opfer politischer Angriffe. Diese Behauptung hat, obschon sie nicht
       den Tatsachen entspricht, funktioniert. Wie die [7][New York Times
       herausfand], verzeichnete Trump nach mehreren Anklagen – etwa der in New
       York wegen gefälschter Geschäftsunterlagen und der auf Bundesebene in
       Florida wegen seines falschen Umgangs mit geheimen Dokumenten – tatsächlich
       einen Anstieg der Spendeneinnahmen.
       
       Es ist zwar umstritten, inwieweit diese Anklagen ihm in den Umfragen
       geholfen haben, aber d[8][ie Daten] deuten darauf hin, dass die erste
       Anklageschrift in New York [9][sein Ansehen unter den republikanischen
       Wählern] um fast acht Prozentpunkte verbessert hat. Die Dynamik ist, dass
       republikanische Anhänger ihre Unterstützung für Trump wieder aufnehmen,
       weil sie glauben, dass er zu Unrecht vom Justizministerium und anderen
       staatlichen Institutionen verfolgt wird.
       
       Sie empfinden die Anklagen als ungerecht und politisch motiviert, deshalb
       sehen sie sich in der Pflicht, Trump in Schutz zu nehmen. Er hat es zudem
       geschafft, die Ermittlungen gegen ihn so zu personalisieren, dass seine
       Anhänger die Angriffe gegen Trump als direkte Angriffe gegen sich selbst
       empfinden. Mit dem Rückenwind der Anklageschrift und DeSantis in der
       Abwärtsspirale befindet sich der frühere Präsident in einer komfortablen
       Situation.
       
       Ein weiterer Faktor – vermutlich der nächstliegende –, der zu seinem Erfolg
       beiträgt, ist die Tatsache, dass viele republikanische Wähler ihn aus
       diversen Gründen schlicht immer favorisieren. Das [10][Republican
       Accountability Project], eine republikanische Anti-Trump-Gruppe, ist
       wöchentlich im Gespräch mit zweimaligen Trump-Wählern, um herauszufinden,
       wie sie über die Wahl 2024 denken.
       
       ## Trump punktet mit Provokation
       
       Laut Gunner Ramer, dem politischen Direktor der Gruppe, begründen diese
       Wähler ihre Unterstützung für Trump vor allem mit seiner Persönlichkeit und
       seiner Bereitschaft, die Dinge beim Namen zu nennen. Wichtig sei für sie
       außerdem seine von ihnen als erfolgreich empfundene Wirtschaftspolitik.
       Trumps konfrontative Haltung gegenüber den Liberalen und seine Offenheit,
       geradeheraus und oft beleidigend über Themen wie Migration zu sprechen,
       empfinden viele als sehr positiv.
       
       „Was Donald Trump besser als jeder andere republikanische Kandidat vermag,
       ist das Schüren von Kulturkriegen“, sagt Ramer. Eine Studie, die 2023 in
       der Zeitschrift [11][American Politics Research] veröffentlicht wurde,
       ergab, dass Menschen, die Trump unterstützten, eher der Meinung waren, dass
       Minderheiten „zu anspruchsvoll mit ihrer Forderung nach gleichen Rechten“
       seien, und dass sie eher eine negative Einstellung zu Ausländern und
       Einwanderern hatten.
       
       Unter seinen Anhängern sind Trumps offene Äußerungen zu Rassismus und
       Sexismus keine Schwäche, sondern eine Stärke, denn sie zeigten, dass er
       bereit sei, seine Positionen direkter und offener zu vertreten als andere
       Politiker. Die Republikaner weisen auch auf wirtschaftliche Probleme hin,
       mit denen ihre Anhänger zu kämpfen hätten, etwa mit den Preisen für
       Treibstoffe und Lebensmittel und den Rückgängen bei ihren Rentenanlagen.
       Ihr Gefühl sei, dass die Wirtschaft unter Trump stärker gewesen sei und er
       als Präsident einen guten Job gemacht habe.
       
       Noch bleibt zwar Zeit, dass sich die Dinge ändern, noch könnten andere
       Kandidaten versuchen, sich vor Beginn der Vorwahlen für die
       Präsidentschaftskandidatur zu profilieren, doch Trump ist insgesamt in
       einer extrem guten Startposition für die parteiinternen Wahlkämpfe. Ein
       wichtiger Vorbehalt ist allerdings, dass Trump auf nationaler Ebene besser
       abschneidet als in den Bundesstaaten, etwa Iowa und New Hampshire, die für
       die Vorwahlen von Bedeutung sind.
       
       Während er landesweit unter den Republikanern fast 60 Prozent Zustimmung
       erreicht, liegt er in [12][Iowa bei 46 Prozent und in New Hampshire bei 44
       Prozent]. Dort könnte ein anderer Kandidat durchaus konkurrenzfähig sein.
       Eine Schwäche Trumps besteht darin, dass seine Stärke innerhalb der Partei
       nichts über seine Chancen für die allgemeinen Präsidentschaftswahlen
       aussagt. Hier steht er vor der Herausforderung, die Wechselwähler wieder
       für sich gewinnen zu müssen, die sich zuvor von ihm abgewandt haben.
       
       Bei den Wahlen 2020 verlor Trump zahlreiche unabhängige und gemäßigte
       Wähler an Biden. Das könnte sich wiederholen, denn diese Wählergruppen
       stehen Trumps rechtlichen Schwierigkeiten, seiner bombastischen Rhetorik
       und seiner extremen Politik deutlich kritischer gegenüber als die
       Republikaner. Während die GOP bereit sein mag, Trumps Verfahren
       beiseitezuschieben, werden diese von den Wechselwählern ernster genommen
       und für untersuchungsbedürftig gehalten.
       
       Die Demokraten, die sich auch mit den Bedenken der Wähler wegen Bidens
       Alter und seiner Fähigkeit zu regieren auseinandersetzen müssen, haben
       wiederholt auf diese Realität hingewiesen. Obwohl Biden mit ernsthaften
       Hindernissen zu kämpfen hat – etwa einem echten Mangel an Enthusiasmus
       unter den demokratischen Wählern, sinkenden Zustimmungsraten und Fragen zu
       den Fähigkeiten von Vizepräsidentin Kamala Harris, das Amt zu übernehmen –,
       betonen führende Demokraten, dass viele Wähler ihn im Vergleich zu Trump
       immer noch als einzige Option betrachten. Trotz mangelnder Begeisterung für
       Biden sehen ihn viele noch immer als die bessere Alternative an.
       
       Aus dem Englischen von Susanne Knaul (mit KI)
       
       23 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://abcnews.go.com/538
   DIR [2] /Urteil-gegen-Donald-Trump/!5933774
   DIR [3] /Midterms-in-Florida/!5894241
   DIR [4] https://www.axios.com/local/tampa-bay/2022/03/29/florida-politics-covid-deaths
   DIR [5] https://www.nbcnews.com/nbc-out/out-politics-and-policy/desantis-signs-dont-say-gay-expansion-gender-affirming-care-ban-rcna84698
   DIR [6] /Frueherer-US-Praesident-Donald-Trump/!5950134
   DIR [7] https://www.nytimes.com/2023/08/13/us/politics/trump-indictment-effect.html
   DIR [8] https://pollsandvotes.com/?p=455
   DIR [9] https://www.washingtonpost.com/politics/2023/09/12/trump-polling-indictments/
   DIR [10] https://accountability.gop/
   DIR [11] https://www.psypost.org/2023/05/racism-and-xenophobia-partially-explain-trump-supporters-heightened-acceptance-of-political-violence-study-finds-163586
   DIR [12] https://www.huffpost.com/entry/trump-early-state-weakness_n_6508b6a9e4b072c86a50109d
       
       ## AUTOREN
       
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