URI: 
       # taz.de -- Studie zu Bioindikatoren: Unscheinbare Superpflanzen
       
       > Die Flechte zeigt Wissenschaftler:innen an, wie gut die Luftqualität
       > ist. Ein Forschungsteam hat nun 28 weitere Arten entdeckt.
       
   IMG Bild: Ein europäischer Laubfrosch auf einem Ast mit Flechten
       
       Lebewesen wie Pflanzen, Tiere und Bakterien reagieren auf [1][Veränderungen
       in ihrer Umwelt]. Wenn sich etwa durch menschliche Aktivität die
       Luftqualität verschlechtert, passen sie sich an. Im schlimmsten Fall
       verschwinden sie. Die feinfühligsten dieser Organismen nennt man
       Bioindikatoren, da sie Umweltveränderungen frühzeitig anzeigen können. Die
       Flechte zählt zu dieser Gruppe. In Deutschland findet man sie als gelbe,
       grüne, rote oder weiße Farbtupfer auf Steinen und Rinden.
       
       Biologisch betrachtet ist eine Flechte eine Gemeinschaft aus Pilzen und
       Grünalgen oder Cyanobakterien. Dieses Konzept der Natur ist clever, da alle
       Beteiligten davon profitieren. Die Algen oder Bakterien ernähren die
       Gemeinschaft durch Photosynthese. Das Pilzgeflecht dient als
       Reservespeicher und schützt vor Austrocknung und UV-Licht.
       
       Da Flechten keine Schutzschicht vor Wind und Wetter haben und keine Wurzeln
       besitzen, um Wasser zu filtern, nehmen sie Wasser und Nährstoffe direkt
       über die Oberfläche auf. Deshalb sind sie schädlichen Umweltveränderungen
       fast schutzlos ausgesetzt. Außerdem können sie die aufgenommenen
       Schadstoffe nicht wieder ausscheiden, sondern lagern sie ein. Das ist für
       Wissenschaftler:innen praktisch, jedoch nicht für die Flechten selbst.
       
       ## Die Studie
       
       In der im Fachmagazin The Bryologist [2][veröffentlichten Studie]
       untersuchte ein internationales Forschungsteam einen bis dahin
       unangetasteten Schatz. Im Herbarium des kolumbianischen Amazonas gibt es
       eine Sammlung von 1.861 Flechten, die bisher nicht systematisch erforscht
       wurden. Das Forschungsteam analysierte die Sammlung mit vier verschiedenen
       Mikroskopen und katalogisierte die Ergebnisse: Sie fanden 574 verschiedene
       Arten, davon 28, die der Wissenschaft bisher unbekannt waren.
       
       Sie haben die Ergebnisse mit anderen kolumbianischen Listen verglichen und
       erstmals eine Liste veröffentlicht, die alle bekannten Flechten im
       kolumbianischen Amazonas auflistet. Da es schwierig ist, im dichten
       Regenwald zu forschen, waren bisher hauptsächlich Flechten aus den Anden
       bekannt.
       
       ## Was bringt’s?
       
       Zweierlei. Kolumbien hat eine hohe Artenvielfalt und zählt neben Brasilien,
       Indonesien, China und Mexiko zu den sogenannten mega-diversen Ländern.
       Dennoch sind mehr Flechtenarten in Frankreich oder Italien bekannt, da sie
       [3][dort systematischer erforscht werden]. Die Studie zeigt die hohe
       Biodiversität Kolumbiens.
       
       Andererseits ist der Amazonas stark gefährdet. Wissenschaftler:innen
       gehen davon aus, dass bis 2030 etwa 1,5 Millionen Hektar natürliche
       Ökosysteme im kolumbianischen Amazonas verloren gehen könnten. Viele Tiere
       und Pflanzen, die dort noch weitestgehend ungestört leben, würden
       verschwinden. Flechten sind ein bedeutender Teil des Ökosystems im Amazonas
       – und sie unterstützen die Wissenschaftler:innen, die dortigen
       Umweltveränderungen zu bestimmen.
       
       21 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Folgen-der-Klimakrise/!5939588
   DIR [2] https://bioone.org/journals/the-bryologist/volume-126/issue-2/0007-2745-126.2.242/Lichens-from-the-Colombian-Amazon--666-Taxa-Including-28/10.1639/0007-2745-126.2.242.short
   DIR [3] /Indigenes-Wissen-ueber-Landwirtschaft/!5943091
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Enno Schöningh
       
       ## TAGS
       
   DIR wochentaz
   DIR Zukunft
   DIR Pflanzen
   DIR Kolumbien
   DIR Artenvielfalt
   DIR Naturschutz
   DIR Biologie
   DIR Biodiversität
   DIR Forschungspolitik
   DIR wochentaz
   DIR Landwirtschaft
   DIR Wassermangel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Froschart in Kolumbien: Klein, laut und invasiv
       
       Für Kolumbiens Artenvielfalt ist der laut pfeifende „Schickimickifrosch“
       eine Bedrohung. Politikerïnnen sehen seiner Ausbreitung tatenlos zu.
       
   DIR Mitgestaltung von Forschungspolitik: Zivilgesellschaft am Katzentisch
       
       Beim Zukunftsforum berücksichtigt das Ministerium für Bildung die
       Zivilgesellschaft kaum. Dabei wäre inklusive Forschungspolitik möglich.
       
   DIR Reinigung von verseuchten Böden: Die Metal-Fans der Pflanzenwelt
       
       Metallverseuchte Erde? Das rockt die Hallersche Schaumkresse mit links. Sie
       reinigt nicht nur Böden, sondern kann auch wichtige Rohstoffe liefern.
       
   DIR Abholzung des Waldes: Bewirtschaften, aber schützen
       
       Intensivere Landwirtschaft zerstört die Natur, ist eine These. Eine neue
       Studie zeigt, dass Indigene es trotzdem schaffen, ihren Wald zu erhalten.
       
   DIR Akustik von Pflanzen: Unerhörter Lärm gestresster Tomaten
       
       Pflanzen geben unter Stress mehr Ultraschallgeräusche von sich. Ein
       israelisches Forschungsteam hat genauer hingehört.